Menschenfischerei?

Home / Bibel / Neues Testament / 03) Lukas / Luke / Menschenfischerei?
Menschenfischerei?

5. So. n. Trinitatis | 12.7.2020 | Predigttext: Lk 5,1–11 | Pfr. Th.-M. Robscheit |

 

Friede sei mit Euch von Gott unserem Vater, Jesus Christus unserm Bruder und dem heiligen Geist! Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern, liebe Brüder!

 

Ich kann mich noch an einzelne Christenlehre-Stunden erinnern, die ich als Kind besucht habe. Josef & seine Brüder war so eine Stunde. Herr Klaus hatte Pappfiguren, die auf magische Weise an einer gespannten Windel gehaftet haben. So bildlich hat er mit diesen Figuren erzählt, dass ich mich 45 Jahre später noch daran erinnern kann. Der Fischzug des Petrus war auch so eine einprägsame Christenlehre-Stunde: Wir haben Fische aus Papier ausgeschnitten. Unsere Namen darauf geschrieben, dann wurden die Fische auf ein großes blaues Blatt geklebt und nun der Clou: aus Strick haben wir darüber ein Netz geklebt und fertig. Ich fand es als Zehnjähriger klasse, in diesem Netz zu sein und zu Jesus zu gehören.

 

Und jetzt? Liebe Gemeinde, ich komme gar nicht so weit, diese Frage wirklich zu stellen. Mir stößt der letzte Satz auf: „Du wirst Menschen fangen!“. Das hört sich nach Nepper-Schlepper- Bauernfänger an, nach Manipulation und Gehirnwäsche. Menschenfischer! Mit Sicherheit würde ich meinen Beruf damit nicht beschreiben! Und in dem Moment, in dem ich nun über die Menschenfischerei stolpere, gefallen mir auch die bunten Papierfische im Netz nicht mehr. Wollte Jesus eine coole Pointe loslassen und hat sich dabei verheddert? Das ganze Bild ist nicht stimmig! Die Fische im Netz dürfen keineswegs auf eine beglückende neue Erfahrung warten, sondern auf ihr Ende. Sie sind in die Falle gegangen, vielleicht hatten sie auch gar keine Chance dem Netz zu entgehen. Wie dem auch sei; ihr Schicksal ist besiegelt: sie werden getötet und gegessen. „Du sollst Menschenfischer werden!“ – so ein ärgerlicher Satz! Darüber können wir uns nun so richtig aufregen und hyperventilieren.

Über diesem Ärger verpassen wir die eigentliche Aussage der kurzen Begebenheit; wie so oft, wenn wir uns an einer Sache hochziehen. Denken Sie an dutzende Beispiele übereifrig-politisch korrekter Sprache. Da wird dann im vermeintlichen Sinne einer Rassismus-Aufarbeitung kulturgeschichtlich geglättet und verfälscht. Beim Gendern von Sprache geht es meistens nicht um Geschlechtergerechtigkeit, sondern um Ideologie. Wir alle kennen Beispiele, in denen über das Ziel hinausgeschossen & damit dann das berechtigte Anliegen unfreiwillig lächerlich gemacht wird. Über die ehernen Ziele, die einst hinter dem Ansinnen standen, wird gar nicht mehr reflektiert. Vergessen im Klein-Klein einer verhunzten Sprache. So kann es uns auch bei unserem Text gehen! Die Aufforderung, nein eigentlich ist es nur eine Feststellung, dass Petrus von jetzt an Menschen fangen wird, ist nur ein kleines Steinchen in einem großen Geschichten-Mosaik:

Petrus und seine Leute sind nach der Nachtschicht sicherlich todmüde und frustriert, weil die Mühe vergeblich war. Trotzdem rudern sie Jesus ein Stück aufs Wasser, damit er gut predigen kann. Sie sind neugierig. Petrus fährt dann auch entgegen seiner Erfahrung nochmal los und wirft das Netz aus erfolgreich. Unglaublich erfolgreich. Vielleicht ist die Erzählung von den ersten Christen weitererzählt und schließlich aufgeschrieben worden, weil sie so wunderbar die rasche Ausbreitung der Christlichen Botschaft illustriert. Mehr und mehr, so viele, dass die Räume platzen.

Es ist eine Geschichte von Neugier und Vertrauen. Eine Geschichte, in der ein Mensch das Wagnis eingeht, hinter die Erfahrungen seines Lebens zu schauen und alles in Frage zu stellen. Es ist die Geschichte von unglaublicher Kraft, die aus dem Vertrauen des Petrus erwächst, erst auf dem Wasser und schließlich als Jünger Jesu. Es ist eine kindgerechte Mutmach-Geschichte & deswegen auch für Erwachsene verständlich.

Die Geschichte vom Fischzug des Petrus. Und ja: Sie hat ein sprachliches Geschmäckle; aber ich werde nicht der Versuchung nachgeben und den Text weichspülen, denn vielleicht sind es ja gerade die anstößigen Bilder, die uns reifen lassen. Vom Kind, das fröhlich bunte Fische ausschneidet zum Mann, der auch im Ärger mit seinem Gott ringt und doch dankbar vertraut.

 

Und der Friede Gottes der größer ist als unsere enge menschliche Vorstellungskraft, der bewahre Eure Herzen und Sinne und Jesus Christus. Amen.

 

 

Pfr. Th.-M. Robscheit

Apolda

 

thm@robscheit.de

de_DEDeutsch