Geh weg von mir Satan! Du…

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Geh weg von mir Satan! Du…

Geh weg von mir Satan! Du bist mir ein Ärgernis | 5. So. n. Trinitatis – 12.7.2020 | Matthäus 16,13-26 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Rasmus Nøjgaard | aus dem Dänischen übersetzt von Eberhard Harbsmeier |

 

Ich glaube, wir alle kennen das, Macht über einen anderen Menschen zu haben. Wenn wir wissen, dass unser Rat und unser Wissen dafür entscheidend sind, wie sich ein anderer Mensch entscheidet, und wenn wir die Möglichkeit haben, einen anderen Menschen zu binden oder zu befreien, ein Kind zu befreien oder ihm Schuldgefühle zu geben, und wenn wir bewusst  versuchen, Furcht zu wecken oder Seelenfrieden. Das klingt vielleicht nach großen und machtvollen Worten, dass wir stets  das Schicksal anderer Menschen in der Hand haben, aber das tun wir, wenn wir uns aneinander binden, Leben und Schicksal teilen, uns verletzbar machen – privat wie auch als Bürger der Gesellschaft. In mehr oder weniger großem Umfang sind wir von anderen abhängig, ob wir das wollen oder nicht.  Und das ist so gesehen gut und positiv.  Es ist selten glücklich, sein Leben isoliert zu leben, monologisch und kontrolliert. Es verlangt aber Mut, Vertrauen, Hingabe, Demut, Aufmerksamkeit und Liebe zu zeigen.

Ich denke, dass Liebe am besten zu verstehen ist als lebendiges Engagement für das Leben. Es ist wohl deshalb, dass Jesus Petrus zurückweist, er lehnt das ab, was die Liebe in ihrer Entfaltung begrenzt, das Böse. Er lehnt nicht Petrus ab, sondern das Böse selbst, das in Petrus spricht. Paradoxerweise, dass Simon Petrus am liebsten haben will, dass Jesus am Leben bleibt und sich nicht in Gefahr begibt, indem er nach Jerusalem geht. Simon Petrus ruft Gott an, weil er nicht will, dass es zu dem kommt, was Jesus voraussagt. Simon Petrus will Jesus nur das Beste, und er hat gerade bekannt, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist. Der lebendige Gott und nicht ein verfolgter, gequälter, gekreuzigter und toter Sohn. Simon Petrus kann unmöglich dasselbe wissen, was wir wissen, dass Jesus voraussagt, was geschehen wird, und dass sein Tod und seine Auferstehung das Verhältnis zwischen Gott und Menschen versöhnen wird, um die Liebe zwischen Menschen zu wecken. Simon Petrus versteht nicht, dass es der Plan Gottes ist, dass Jesus sterben wird und am dritten Tage wieder auferstehen wird. Hätte Simon Petrus das gewusst und verstanden, wären seine Worte sicher anders gefallen. Aber er versteht es nicht, er denkt und redet mit der Vernunft der Welt. Zugleich aber einer Vernunft, die der Versöhnung und der Liebe widersteht, er steht in aller Unwissenheit um Dienste des Bösen.

In der Geschichte der Predigt ist Simion Petrus ein leichtes Opfer für Mobbing, der Auserwählte, auf dem alles aufgebaut werden soll, der aber nichts richtig macht und dümmer zu sein scheint als die meisten. Aber ich denke nicht, dass es die Absicht von Matthäus war, ihn so herablassend darzustellen. Es muss etwas anderes dahinterstecken. Selbst habe ich immer Simon Petrus gemocht. Zwar ist er menschlich und der, der später seine eigene Haut rettet, indem er Jesus verleugnet. Aber zugleich ist es mutig. Er wagt es, Jesus den Sohn des lebendigen Gottes zu nennen, und als der erste unter den Jüngern nennt er Jesus direkt den Messias, den Sohn Gottes. Simon Petrus ist mutig und selbstlos, als er nach dem Fischzug in Galiläa alles hinschmeißt, was er in den Händen hat, und Jesus als ein Jünger zu folgen. Man denke nur, sein ganzes bisheriges Leben über Bord werfen, seine Arbeit und seine Familie verlassen, um blind einem Fremden zu folgen.

Ich denke, dass Jesus Simon deshalb mit dem Namen Petrus ehrt, dem aramäischen Kefas, das Fels bedeutet. Petrus ist der Fels, am dem Jesus seine Gemeinschaft bauen will. In der Übersetzung steht zwar ‚Kirche‘, aber das griechische Wort bedeutet eher ‚Gemeinschaft‘ oder ‚Gemeinde‘, und das Wort ‚Ekklesia‘ bedeutet denn auch an der einzigen anderen Stelle bei Matthäus (18,17) Gemeinde. Simon ist der Fels, auf dem Jesus seine Gemeinschaft bauen will. Weil er sich zu Jesus bekennt als dem lebendigen Sohn Gottes. Jesus schafft hier die bekennende Gemeinschaft, die wir dann Kirche genannt haben. Eine Kirche ist eine bekennende Gemeinschaft. Deshalb sollen wir uns in unseren Gemeinschaften versammeln, um zu singen, zu beten, lesen und predigen – als ein Bekenntnis zu Christus als dem lebendigen Sohn Gottes. Überall, wo man allein oder zusammen mit anderen sich zu dem lebendigen Sohn Gottes bekennt, gehört man künftig zur Gemeinschaft Christi. Das deutsche Wort ‚Gemeinde‘ bedeutet schlecht und recht Gemeinschaft und ist eine Übersetzung von ‚Ekklesia‘. Für eine kirchliche Gemeinschaft wie die Volkskirche, die ihre Praxis auf  den beiden Sakramenten Taufe und Abendmahl aufbaut, ist dieses Schriftwort ein Stein des Anstoßes, denn hier sind nicht Taufe oder Abendmahl als Sakramente entscheidend, sondern das Bekenntnis. Mit einem gewissen Recht kann man deshalb sagen, wenn wir uns zum Gottesdienst versammeln, so tun wir das, um uns so wie Simon Petrus zum lebendigen Gott zu bekennen. Es ist kein Zufall, dass die Taufe durch das apostolische Glaubensbekenntnis getragen ist und dass wir auf dieses dreigliedrige trinitarische Bekenntnis taufen. Wir bekennen unseren Glauben daran, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist, der in der Taufe handelt.

Nach seinem Bekenntnis erhält Jesus den ehrenvollen Zunamen ‚Fels‘, und er erhält damit den Schlüssel zum Reich Gottes, bildlich gesprochen. Denn das Himmelreich ist bildlich zu verstehen so wie wir jeder für sich das können. Vielleicht ist es ein Bild für die Gemeinschaft mit dem Sohn des lebendigen Gottes. Christus, vielleicht ist er das ewige Leben. Das einzige, was da nicht steht, ist dass dies ein Nachleben sein soll, also ein Leben nach dem Tode. Auch wenn es oft so verstanden worden ist. Ich denke, es ist zu verstehen als Gemeinschaft mit dem Sohn des lebendigen Gottes. Simon Petrus hat die Macht erhalten zu binden und zu lösen. Was er auf Erden bindet, soll im Himmel gebunden sein, und was er auf Erden löst, soll im Himmel gelöst sein, also bei Gott. Würde das Evangelium hier enden, wären wir der Vorstellung überlassen, dass Simon hiermit die Autorität Gottes übertragen wurde, wie ein Gott über Leben und Tod zu verfügen. Aber Jesus verweist nicht auf die Autorität von Simon Petrus, sondern auf sich selbst: „Wenn einer mir folgen will, soll er sich selbstverleugnen und sein Kreuz auf sich nehmen und mir folgen“. Nach dem Bekenntnis folgt die Verpflichtung. Persönlich gefordert, aber getragen von der Gemeinschaft mit Jesus.

Zwischen Bekenntnis und Forderung steht die Entsagung. Das ist zweifellos ein Schlüssel dafür, was man unter Bekenntnis und Forderung zu verstehen hat. In dem Augenblick, wo Petrus Gott darum anruft, dass es Jesus nicht so schlimm ergehen möge wie vorausgesagt, wendet sich Jesus an Petrus und sagt: „Geh weg von mir Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“. Jesus weist die Worte von Simon Petrus zurück, die er gerade gesagt hat. Die würden den Glauben an Jesus als den auferstandenen Erlöser zu Fall bringen. Er sieht vor er, dass sich Menschen stets unter dem Vorwand des Glaubens in sich selbst zurückziehen und die Autorität der Gemeinschaft für eigene Ziele missbrauchen werden. Jesus nimmt nicht die Ehrenerklärung zurück, die er Simon gerade erwiesen hat, aber er sieht, dass da immer auch eine andere Macht zugange ist. Unter der Decke schöner Rhetorik und guter Intentionen verbirgt sich das Böse. Das Böse, das uns davon überzeugen will, dass wir das Recht haben zu weltlicher Macht, Reichtum und Privilegien, dass wir die Macht und die Autorität  erhalten haben, dass wir das verdient haben und dem verpflichtet sind, dass sie bei uns in den besten Händen sind. Der Fels Simon hat gerade die Schlüssel erhalten, und deshalb wird sogleich deutlich gemacht, worin der rechte Besitz und die wahre Autorität besteht. Die Ehre, die ihm zuteilwird, ist in Selbstverleugnung zu tragen, indem man das Kreuz Christi auf sich nimmt. Das Kreuz ist nicht anders zu verstehen als dass man die Macht und den Status aufgibt, die von dieser Welt sind, und sich der Nachfolge Jesu Christi widmet.

Die Entsagung ist mit anderen Worten eine ewige Erinnerung daran, dass das Böse stets damit beschäftigt ist und seinen Kopf vorsteckt, um dem Willen Gottes zu widerstehen. Gott wurde Mensch, um sich mit dem Menschen zu versöhnen und um uns Vertrauen und Mut zu verleihen, für die Gemeinschaft zu arbeiten. Der lebendige Gott nimmt Anteil an unserem Leben und hat sich mit unserer Schwachheit versöhnt. Aber Jesu Tod und Auferstehung sind nicht ein Akzept der Lage der Dinge, vielmehr sind sie ein Insistieren darauf, dass, sich zu dem Guten zu bekennen und das Böse niederzuhalten. Das ist zweifellos eine Anerkennung dessen, dass wir in dem Versuch, das Gute zu wollen, so wie Simon Petrus, das Böse tun können. Aber jeder, der sein Kreuz in Demut auf sich nimmt und in Läuterung seiner selbst, jeder, der seiner Fehlerhaftigkeit einsieht und sich in Gehorsam übt, sieht Christus mit Vergebung und Willen zur Versöhnung.

Jesus redet Klartext. Erst hört und lobt er Simons Bekenntnis, aber dann entsagt er dem Bösen, das in Simon Petrus am Werk ist. Nicht Petrus entsagt dem Bösen, das tut Jesus selbst. Vielleicht können wir das nicht selbst. Und vielleicht erfordert das Bekenntnis und Gebet und eine Gewissheit, dass man Gott gehört, ein Glaube daran, dass Jesus auch dem Bösen in uns widerstehen will, wenn es sein Haupt erhebt. Vielleicht müssen wir alle jeder für sich das Kreuz auf uns nehmen, dass Jesus unsere Herzen reinigt. Vielleicht ist das so radikal, dass wir niemals einen anderen Menschen verurteilen können, sondern uns jeder für sich damit begnügen müssen, Jesus als Richter in unserem eigenen Leben zu haben. Vielleicht ist es befreiend, sich zu dem Sohn des lebendigen Gottes zu bekennen und mit seiner Entsagung zu rechnen, wenn wir über uns selbst hinaussehen müssen. Amen.

 

Pastor Rasmus Nøjgaard

DK-2100 København Ø

Email: rn(at)km.dk

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