Offenbarung 3,14-22

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Offenbarung 3,14-22

Es klopft | 1. Advent | 27.11.22 | Offenbarung 3,14-22 | Verena Salvisberg |

singen «Öpper, dä pöpperlet a d Tür»[1]. Liebe Gemeinde, mit welcher Begeisterung ertönte das Lied aus vielen Mündern in der Kinderkirche! singen «Öpper, dä pöpperlet a d Tür. O du Lööli, werum hesch nid ufta?»[2]. Er durfte nie fehlen in der Kinderkirche, dieser Hit, ebenso wenig das Klopfen, das jeweils ein Kind zwischen dem Singen übernehmen durfte. Mal klopfte es rhythmisch, mal forsch, mal laut, mal zaghaft, mal kurz, mal eindringlich. «Öpper, dä pöpperlet a d Tür».

Mit dem heutigen Sonntag fängt die Adventszeit an. Die Zeit der gemütlichen Stunden in der warmen Stube. Die Zeit der eifrigen Vorbereitungen auf Weihnachten. Die Zeit der Geschäftsessen, der Vereinsfeiern. Ist es auch eine Zeit der Besinnung und Einkehr? Die liturgische Farbe violett in der evangelischen oder katholischen Kirche erinnert daran. Es ist die Farbe der Busse. Aber es reicht natürlich nicht, die Stola in der richtigen Farbe anzuziehen und schon ist sie da, die Besinnung, die Einkehr oder die Selbstreflexion. Es braucht einen Anlass, einen Anstoss, meistens von aussen, um Besinnung anzuregen.

Öpper, dä pöpperlet a d Tür… Was heute morgen bei uns «anklopft» ist das Sendschreiben an die christliche Gemeinde in Laodicea, eines von sieben aus der Offenbarung des Johannes. Ganz unterschiedlich sind sie gestaltet, diese Zeilen, persönlich zugeschnitten auf die Adressaten. Briefe an Christinnen und Christen in einer unsicheren Zeit.

Auch wenn das Schreiben an die Gemeinde in Laodicea gerichtet ist, können die Zeilen auch uns zu einem Anstoss werden, in uns zu gehen. Was der Absender dieser Gemeinde vorhält, kann auch uns zum Nachdenken bringen.

Ich kenne dich, schreibt er, du bist lau. Nicht heiss, nicht kalt, wie es nützlich wäre, sondern lau.

Ich denke dabei an Wasser. Erfrischendes, kühles Wasser, das den Durst löscht. Oder heisses Wasser, aufgebrüht zum Tee, das von innen wärmt. Wie unangenehm ist dagegen ein Schluck lauwarmes Wasser. Da verstehe ich auch ganz unmittelbar das mit dem Ausspucken: Nun aber, da du lau bist, weder warm noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Munde.

Halbherzig, wohltemperiert, ohne Leidenschaft, ohne Deutlichkeit, mit solchen Ausdrücken könnte man lau übersetzen im Blick auf unser Christsein. Ein recht harter Vorwurf. Aber, seien wir ehrlich: Ist da nicht etwas dran. Sind wir nicht oft allzu harmlos? Wenig engagiert? Gleichgültig?

Es ist ja auch schwierig, den Weg zu finden angesichts all der apokalyptischen Botschaften von Krieg, Klimakatastrophe, Pandemie, Energieknappheit, Inflation usw. Wie reagieren, wenn nicht mit Resignation und Rückzug? Wo sind Hoffnung und Zuversicht? Wo bleibt der Trost?

Es «klopft» noch weiter, eindringlicher: Du sagst: Ich bin reich, ich bin wohlhabend und habe nichts nötig, und merkst nicht, dass gerade du elend bist, erbärmlich, arm, blind und nackt.

Ja, das sind wir doch: reich. Ja, das haben wir doch: alles.

Der Absender des Schreibens packt die Menschen aus Laodicea bei ihrem Stolz. Die Stadt ist berühmt für ihre Gewänder aus spezieller schwarzer Wolle und für die Augenheilkunst. Ihr macht euch etwas vor, wenn ihr darauf setzt, so die Kritik des Briefes. Merkt ihr nicht, was euch fehlt, gerade dann, wenn ihr denkt, ihr hättet alles. In Wirklichkeit seid ihr elend, erbärmlich, arm, blind und nackt. Das ist allerdings schon ziemlich frech, wenn man den Augenkrankheitsspezialisten sagt, sie seien blind. Oder den Stoffexperten, sie seien nackt.

Ist es überhaupt möglich, so etwas zu hören?

Reagiert man auf diese Kritik nicht automatisch mit Abwehr oder Verstockung?

Vielleicht ist die Busszeit des Advents die Gelegenheit, genauer hinzuschauen. Sicher ist es eine Einladung: Worauf bauen wir eigentlich? Worauf setzen wir? Warum entgleitet uns alles, wenn wir es nicht mehr selbst im Griff haben. Was können wir und was nicht?

Eine Einladung, zu fragen: Was bin ich? Wo bin ich elend, erbärmlich, blind und nackt? Wo bin ich der Hilfe Gottes bedürftig?

Das passt gut zur Adventszeit. Die Selbsterkenntnis. Die Ehrlichkeit. Die Wahrnehmung der leeren Hände, die empfangen können, eben gerade, weil sie leer sind.

«Öpper, dä pöpperlet a Tür»… und wie oft ist es so wie im Lied: «O du Löli, werum hesch nid ufta?». Dummköpfe wie wir sind, überhören wir das Klopfen, Wir überhören es und die Tür bleibt verschlossen. Dabei liegt darin die wunderbare Verheissung: Wer immer auf meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich einkehren und das Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.

Liebe Gemeinde, lasst uns in der kommenden Zeit aufmerksam sein auf das Klopfen, das mal rhythmisch, mal forsch, mal laut, mal zaghaft, mal kurz, mal eindringlich erklingt. Lasst uns fragen: Durch welche Tür mag Jesus Christus zu uns und in unsere Gemeinschaft kommen? Und wie sollen wir ihn empfangen? Und lasst uns getrost und furchtlos selbstkritisch sein.

Der Auftakt zu all dem gibt der heutige 1. Advent.

Und das Ziel ist ein Weihnachtsessen, das wirklich nährt, das uns zur Gemeinschaft verbindet, die wir brauchen, um in diesen unsicheren Zeiten zu bestehen.

Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.

Amen


Pfrn. Verena Salvisberg

Merligen

verenasalvisberg@bluewin.ch


Verena Salvisberg Lantsch, geb. 1965, Regionalpfarrerin seit 1. August 2022, vorher Gemeindepfarrerin in Laufenburg und Frick und Roggwil

[1] Schweizerdeutsch: Jemand klopft an die Tür, gesungen auf die Melodie des Gospels «Somebody’s knocking at your door». Das Lied könnte als Eingangslied gesungen werden.

[2] Jemand klopft an die Tür, o du Dummkopf, warum hast du nicht geöffnet?

de_DEDeutsch