Offenbarung 3,14-22

Home / Kasus / 1. Advent / Offenbarung 3,14-22
Offenbarung 3,14-22

Lauwarm | 1. Advent | 27.11.2022 | Offb 3,14-22 | Nadja Papis |

Aktionstag für die Konfklasse: Die Jugendlichen haben gebacken und gehen nun von Haustür zu Haustür, um kleine Zöpfe und Guezli für einen guten Zweck zu verkaufen. Ich bewundere sie sehr: Es braucht ziemlich viel Mut an der Tür zu klingeln, ohne zu wissen, wer dahinter ist oder wie sie empfangen werden. Die Reaktionen sind dann auch sehr unterschiedlich: Während die einen Freude an den engagierten Jugendlichen haben, fühlen sich andere zutiefst gestört in ihren vier Wänden. Egal wie die kurze Begegnung ausfällt, die Jugendlichen gehen zur nächsten Tür und klingeln wieder.

Gott steht vor der Tür und klopft an. So heisst es in unserem Predigttext. Braucht das Göttliche dazu wohl auch Mut? Wer weiss, in welcher Stimmung wir auftun. Oder ob wir überhaupt auftun.

Warum klopft das Göttliche überhaupt an und kommt nicht einfach rein? Macht doch keinen Sinn, wenn wir daran glauben, dass Gott überall ist. Also auch drinnen, hinter der Tür, im Innern unserer Häuser und Wohnungen. Aber da klopft es an – vor der Tür, draussen.

Und wir sind drinnen. Der Text stellt uns ganz klar auf die andere Seite der Tür. Draussen klopft es. Wir sind im Innern. Vielleicht gerade am Arbeiten oder beim Essen oder in einer Diskussion mit unseren Kindern oder beim Entspannen mit der neusten Netflix-Serie. Da klopft es – oder klingelt – oder es poppt ein Snap, eine Insta-Nachricht oder eine Facebook-Mitteilung auf. Und jetzt?

Machst du auf? Nimmst du dir Zeit? Öffnest du dich dem, was da wartet?

Der Advent fordert uns dazu auf. Das Bild dieser Tür, an die geklopft wird, passt sehr gut zum Advent. Es will etwas reinkommen zu uns und wir müssen uns entscheiden, ob wir auftun, ob wir dafür bereit sind, dieses Etwas zu empfangen. Natürlich weiss ich heute sehr genau, was da vor der Tür steht. Im Advent warten wir auf Weihnachten. Das wissen schon meine Untikinder in der Unterstufe. Und an Weihnachten wird Jesus geboren; auch das ist Allgemeingut. Gott kommt zur Welt. Gott kommt in die Welt. Die Frage, die sich mir angesichts des heutigen Predigttextes stellt, ist nur: Wie?

Wie kommt Gott in die Welt? Was begegnet mir, wenn ich diese Türe auftue? Will ich hören, sehen, erfahren, was das Göttliche bei mir wirken möchte?

Wenn wir den Predigttext genau anschauen, wütet der ja ziemlich über die Menschen in der Stadt Laodizea. Ja, der ganze Text ist eine Mahnrede. Keine freundliche Begrüssung, auch keine barmherzige Aufforderung, sondern ein Weckruf, wie ein Wirbelsturm voller Wut und Abscheu, voller Schimpf und Schande. Und ein Schlagwort sticht heraus: lauwarm.

Du bist weder kalt noch warm, sondern lau und damit absolut ungeniessbar, zum Ausspeien.

Dicke Post!

Ich würde die Tür am liebsten gleich wieder zumachen.

Aber schauen wir mal genauer hin: Welche Vorwürfe oder Mahnungen stecken denn dahinter? Was haben sich diese Christen und Christinnen in Laodizea zuschulden kommen lassen? Und hat das auch etwas mit uns heute zu tun?

Dafür müssen wir den Kontext der reichen Stadt im damaligen Phrygen, der heutigen Türkei, ein wenig kennen. Ladoziea gründete seinen Reichtum auf dem Handeln mit Purpurschnecken. Mit denen erzeugte man den wertvollen und gefragten Farbstoff Purpur für das Färben von kostbaren Gewändern. Auch mit anderen Handelszweigen vergrösserten die Einwohnenden von Laodizea ihren Reichtum ins Unermessliche: zum Beispiel goldenen Figuren für Pilger und Augensalben für Kranke. Auf diese drei Geldquellen wird im Text ja auch angespielt und ein Gegenbild entworfen:

Kauf Gold von mir, das im Feuer gereinigt wurde – anstelle dieser goldenen Figuren! Dann bist du wirklich reich.

Kauf weisse Kleider, damit du etwas anzuziehen hast! – Im Gegensatz zu den purpurroten stehen die weissen Kleider für Reinheit, Treue und Vergebung.

Kauf Salbe und streich sie auf deine Augen, denn du sollst klar sehen können. Im Moment erkennen die Einwohnenden von Laodizea das Wesentliche nicht.

Geht es also einmal mehr um den irdischen Reichtum? Um das Aufgeben der irdischen Schätze und Güter und ein Leben in Verzicht und Armut?

Du bist weder kalt noch warm, sondern lau und damit absolut ungeniessbar!

Manchmal vergesse ich den Kaffee, den ich mir für die Pause gemacht habe. Wie muss ich mich überwinden, ihn trotzdem zu trinken, so lauwarm. Und wenn mein Mann fertiggekocht hat und zum Essen ruft, beeile ich mich immer. Ich mag das Essen so richtig heiss.

Aber nicht nur beim Essen oder Trinken ist das Lauwarme ungeniessbar.

Lauwarm können auch wir Menschen sein: schwammig, undeutlich, unentschieden, so halb halb, nicht richtig dabei, eben lauwarm.

Das ist etwas Ekelhaftes. Und nicht nur für die anderen, auch für den „lauwarmen“ Menschen selber.

Bist du nun dabei oder nicht?

Hörst du mir auch wirklich zu?

Was ist denn nun deine Meinung?

Kannst du dich mal entscheiden?

Ich erlebe mich oft lauwarm: Ich würde gerne, aber es geht nicht so richtig. Ich mach mit, muss aber früher gehen. Ich bin da und doch nicht. Ich höre zu, aber es spickt noch etwas anderes im Kopf herum.

Ekelhaft – im wortwörtlichen Sinne, zum Ausspeien!

Du bist weder kalt noch warm, sondern lau und damit absolut ungeniessbar!

Der Weckruf kommt – nicht nur damals an die Christen und Christinnen in Laodizea, auch heute an uns.

Wach auf!

Hör richtig zu!

Mach die Augen auf und erkenne!

Zieh die weissen Kleider an!

Werde warm! Fang Feuer! Brenne!

Lauwarm sind heute viele auch in Bezug auf den Glauben. Nehmen wir doch gleich den heute beginnenden Advent als Beispiel. Advent und Weihnachten sind so schön! Aber ja nichts anderes als schön. Tradition, Sentimentalität, eine lauwarme Angelegenheit – die alles überdeckt, um was es eigentlich geht. Hier wurde kein süsses Baby mit goldenen Locken geboren, um uns zu verzücken. Nein, hier wurde der Messias auf die Welt losgelassen, um ihre Grundwerte zu entrümpeln und Hierarchien einzustürzen. Kein „Friede auf Erden“, sondern eine klare Ansage, die aufrüttelt: Die ersten werden die letzten sein. Und die letzten die ersten. Lauwarm glauben geht nicht. Ganz oder gar nicht heisst die Devise. Kein bequemes Einrichten im gemütlichen Sessel, sondern eine Konfrontation mit der Erlösung, mit der Vision von wahrer Gerechtigkeit, unerschütterlicher Treue und völliger Hingabe.

Das muss ich mir wohl nochmals überlegen. Ich hätte jetzt lieber diesen schönen Advent gehabt, diese nette Aufforderung zum Warten auf das, wovon wir alle schon wissen, dass es kommt: ein lauschiges Fest mit üppigem Essen, reichem Geschenksegen und wundervollem Kerzenlicht. Alles in den Farben Dunkelgrün, Purpurrot und Gold. Ja, schon ein bisschen Kirche, vor allem wegen der berührenden Lieder und dem grossen Christbaum mit den vielen Kerzen. Die Weihnachtsgeschichte ist auch noch nett, vor allem mit den schön gestalteten Krippenfiguren.

Aber brennen für den Glauben? Feuer fangen?

Was macht dieser Weckruf mit Dir?

Öffnest du die Tür?

Du weisst ja, es klopft an – draussen.

Machst du auf?

Es ist eben Advent.

Amen

de_DEDeutsch