Predigt über Eph 2, 4-10

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Predigt über Eph 2, 4-10

Sola gratia für mich – und für dich | 11. Sonntag nach Trinitatis | 15. August2021 | Predigt über Eph 2, 4-10 | verfasst von Wibke Klomp |

Predigttext:

4Aber Gott ist reich an Barmherzigkeit. Mit seiner ganzen Liebe hat er uns geliebt5und uns zusammen mit Christus lebendig gemacht. Das tat er, obwohl wir tot waren aufgrund unserer Verfehlungen. – Aus reiner Gnade seid ihr gerettet! –6Er hat uns mit Christus auferweckt und zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben. Denn wir gehören zu Christus Jesus!7 So wollte Gott für alle Zukunft zeigen, wie unendlich reich seine Gnade ist: die Güte, die er uns erweist, eben weil wir zu Christus Jesus gehören.

8Denn aus Gnade seid ihr gerettet –durch den Glauben. Das verdankt ihr nicht eurer eigenen Kraft, sondern es ist Gottes Geschenk.9 Er gibt es unabhängig von irgendwelchen Taten, damit niemand darauf stolz sein kann.10 Denn wir sind Gottes Werk. Aufgrund unserer Zugehörigkeit zu Christus Jesus hat er uns so geschaffen, dass wir nun das Gute tun. Gott selbst hat es im Voraus für uns bereitgestellt, damit wir unser Leben entsprechend führen können. (Übersetzung Basisbibel 2021)

Mitten im Sommer, liebe Gemeinde, springen wir heute in eines der zentralen Themen unseres reformatorischen Glaubens hinein: Die Gnadenlehre. Die hat es in sich und sie ist ein wirkliches Geschenk Gottes an uns. Aber, damit wir das Geschenk wertschätzen und annehmen können, finde ich, muss der Verfasser[1] ein wenig eingefangen werden. Er ist für mich etwas zu schnell, wenn er uns laut und begeistert zuruft: „Allein aus Gnade seid ihr errettet!“ „Ja, wie? Und was?“ möchte ich ihm entgegen. „Geht es nicht etwas langsamer? So Schritt für Schritt? Es ist Sommer und Urlaubszeit, da habe ich mehr Ruhe als sonst!“ Und wenn Paulus schon nicht reagiert, dann nehmen wir uns doch die Zeit für das Geschenk, von dem er so begeistert ist.

Das Geschenk ist etwas ganz Besonderes: Wenn wir es langsam auspacken, finden wir darin die Zusage, dass wir alle – Sie, Du und ich – Gottes Kinder sind. Das ist nicht irgendwas, nicht einfach so dahingesagt. Es ist die Zusage, dass wir nicht zufällig und verloren durch die Weltgeschichte treiben, sondern zu Gott gehören. Und das ist eine ganze Menge: Gott ist für uns da. Er hat uns im Blick, geht mit uns die Wege, wohin auch immer sie führen. [Gern konkrete Beispiele einfügen] Gott ist bei uns, wenn unser Leben gelingt. Ja, er feiert das Leben mit uns: Die Erfolge, das Gute, das Schöne, die ganz und gar besonderen Momente. Er ist aber auch bei uns, wenn Lebenstäler eng werden und wir nicht ein, noch aus wissen. Er ist bei uns, wenn wir gescheitert sind, wenn alles, aber auch alles grandios schief gelaufen ist und wir selbst nichts mehr mit uns anzufangen wissen. Er reicht uns seine Hand in unserer tiefsten Not – und lässt nicht los. Gott hört unser Schreien aus tiefster Not. Ist bei uns, komme, was wolle. Martin Luther wusste darum, ja, singt davon. (EG 299) Dietrich Bonhoeffer fasste es in seine Worte, die er in größter Not, im Gefängnis sitzend, den Tod vor Augen an seine Verlobte zum Jahreswechsel 1944/45 schrieb. (EG 65) Der Theologe beschreibt Gott als eine gute Macht, die uns auf wunderbare Weise umgibt. Julie Hausmann drückt ihr Gottvertrauen mit ihrem Lied: „So nimm denn meine Hände“ aus. Manchmal singen wir ihr Lied etwas gedankenverloren in unserer Trauer auf dem Friedhof, ohne seinen Inhalt wahrzunehmen. Aber genau darum geht es: Eben, dass wir uns Gott anvertrauen. Ihm unsere Hände entgegenstrecken. Ja, wir glauben an Gott, der in tiefster Not für uns da ist. An einen Gott, der uns mit seinen wunderbaren Mächten umgibt und uns seine Hand reicht.

Von diesem Gott, von seinem Vater, hat Jesus von Nazareth den Menschen wieder und wieder erzählt und sie begeistert. Sie haben in ihm Jesus, den Christus – den Gesalbten erkannt.

Paulus selbst, der uns heute so begeistert davon erzählt, dass wir zu Christus Jesus gehören, hatte lange seine Probleme mit Jesus von Nazareth. Dabei hatte er den Gottessohn nicht einmal persönlich kennengelernt. Seine Anhänger und „ihren neuen Weg“ konnte er nicht ausstehen. Es ging noch weiter, er hat sie verfolgt und ihnen gedroht, wollte sie festnehmen und nach Jerusalem bringen.

Doch dann ist ihm Jesus auf andere Weise, vielmehr in einer Vision von Licht begegnet und von da an hat Paulus sein Leben neu verstanden und geordnet. Denn er hatte für sich erkannt, dass Jesus der Christus, der erwartete Retter ist. Auch äußerlich hat er dies deutlich gemacht, indem er sich nach der Begegnung mit Jesus taufen ließ. Diese Taufe war für ihn ein tief greifendes und besonderes Erlebnis, das er in seinem Brief an die Gemeinde in Rom beschrieben hat und das uns heute helfen kann, seine Worte von der Gnade zu verstehen.

Paulus beschreibt die Taufe dort als ein Ereignis, das dem Täufling Anteil am Tod und an der Auferstehung Christi schenkt. In der Taufe stirbt der Täufling sozusagen mit Jesus, um danach mit Jesus aufzuerstehen. Und das kann man gut nachvollziehen, wenn man weiß, dass damals ganz anders getauft wurde als heute.[2] In der Taufe wurde der Täufling richtig untergetaucht, ihm wurden nicht wie heute nur ein paar Tropfen Wasser über den Kopf geträufelt. Alles Alte, Kranke, Schlechte bleibt dabei in den Fluten, wird abgewaschen, ge-löst – ja, der Täufling wird davon reingewaschen, er-löst. Mit der Taufe ist der Täufling fest in Gottes Hand. In ihr ist erfahrbar, dass Gott nicht von uns loslässt, während die Fluten uns umgeben und uns nach unten zu ziehen scheinen. In der Taufe zieht Gott seine Schöpfung, zieht uns, mich und Dich, aus dem Wasser heraus zu sich. So wie Gott nicht von seinem Sohn gelassen hat, als dieser am Kreuz hing. So wir er ihn dann am dritten Tag für uns hat auferstehen lassen.

Vor diesem Hintergrund kann man die Worte des Epheserbriefes anders einordnen und verstehen: Wer getauft ist, gehört zu Christus. Mit mit ihm zusammen bin ich lebendig, ganz gleich, was das Leben, was andere Menschen mir zutragen und von mir wollen. Mit ihm brauche ich mich im Grunde vor nichts zu fürchten. Vor Gott ist alles Nichts und Nichts zugleich alles. [Gern eigene Beispiele]

Von hier aus versteht sich die Euphorie der Worte an die Gemeinde in Ephesus, versteht sich der Überschwang. „Allein aus Gnade seid ihr errettet!“  – Ja, so ist es! Gott steht an meiner Seite. Ohne Wenn und Aber. In tiefer Not darf ich darauf setzen, dass er mich im Blick hat, seine guten Mächte mich umgeben. Einfach so. Weil er es so will. Ein Geschenk, das es nirgends zu kaufen gibt. Nicht für alles Geld der Welt und nicht einmal im Internet, wo es doch inzwischen alles geben soll. Gott ist für mich da. Und das, ohne dass ich dafür irgendetwas leisten oder mich irgendwie abrackern muss. Und weil das so ist, weil er für mich da ist, darum kann und darf ich für andere da sein. Einfach so, weil es mir Freude bereitet und ich es überhaupt nicht muss.

Wie wäre es darum, diesen Sommersonntag zum Anlass zu nehmen, darüber ein wenig nachzudenken. Wen könnte ich einfach mal mit etwas Schönem überraschen? Wem könnte ich eine Freude bereiten, einfach so? Ich bin mir sicher, da wird Ihnen und Euch gewiss jemand einfallen.

Dekanin Wibke Klomp

Wertheim

E-Mail: wibke.klomp@kbz.ekiba.de

Wibke Klomp, Jahrgang 1975 ist Pfarrerin an der Stiftskirche in Wertheim am Main und Dekanin des Kirchenbezirks.

Lieder:

Wochenlied:

EG 299, 1-3 Aus tiefer Not schrei ich

EG 382, 1-3 Ich steh vor dir mit leeren Händen her

Nach der Predigt:

EG 65                   Von guten Mächten

EG 380                 Ja, ich will euch tragen

EG BEL 659  Die Erde ist des Herrn

Wo wir dich loben 77     Singet fröhlich unserm Gott

Wo wir dich loben 198    Unser Gott hat uns geschaffen

Wo wir dich lieben          123    Du bist mein Zufluchtsort

Gebet:

Gut, Gott, dass Du für uns da bist und Du weißt, wie es um uns steht,

ohne dass wir es groß erklären müssen.

Vor Dir müssen wir nicht um Deine Gnade und Deinen Segen ringen:

Du hast uns als Deine Kinder angenommen und bist für uns da,

Du schenkst uns deine Liebe, einfach so.

Deine Liebe und Zuwendung gilt uns allen – auch wenn wir manchmal meinen,

dass wir nur geliebt werden, wenn wir die besten sind, uns von anderen abheben.

Du zeigst uns das Gegenteil, bist für uns alle da

und überwindest damit all unsere Kategorisierungen und Schubladen,

Wir bitten dich, Gott,

lass uns miteinander mitten im Leben stehen:

Öffne unsere Herzen und Sinne:

Schenke uns Weite für unsere Engstirnigkeit,

Ruhe in unserer Rastlosigkeit

Nachsicht in unserer Uneinsichtigkeit und Sturheit.

Wir bitten dich

um Erdung für unseren Hochmut

um Vertrauen, wo wir Misstrauen,

um Lust am Leben und Freude am Miteinander.

Wir bitten dich,

lass uns mutiger werden:

Dass wir uns für das öffnen, das uns fremd scheint,

dass wir uns an Dinge wagen, denen die für uns eine Nummer zu groß scheinen,

dass wir nicht Nein sagen, wozu du ja sagst.

In der Stille bringen wir vor Dich,

was uns auf dem Herzen liegt und worum Du schon längst weißt…

Wir danken Dir, Gott, Dass Du uns erhört hast und beten gemeinsam als Deine Kinder

[1] In der Literatur wird der Epheserbrief im Allgemeinem der Paulusschule zugeordnet. Ob und wie man das aufgreift, vom Verfasser des Epheserbriefes oder von Pauls spricht, muss jeder und jede selbst entscheiden.

[2] Spannend zum Thema Wasser ist die Erklärung in der Didache 7, 1-. In der Regel tauft man mit fließendem Wasser, wenn das nicht vorhanden ist, kann man auch auf den Kopf dreimal Wasser gießen. Schriften des Urchristentums, Didache (Apostellehre) et al, München 1984

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