Markus 7,31-37 | Öffne dich…

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Markus 7,31-37 | Öffne dich…

„Öffne dich“ – das ist der innerste Kern der Hoffnung | 22.08.2021 | Predigt zu Mk 7,31-37 | Von Thomas Reinholdt Rasmussen |

Es gibt einen Dreiklang im christlichen Glauben, der unumgänglich ist und den alle kennen und lieben. Das sind die Worte Glaube, Hoffnung, Liebe.

In unserer Zeit geht es wohl vor allem um den Glauben. Jedenfalls ist es der Glaube, der in den öffentlichen Medien diskutiert wird und Gegenstand vielfältiger Überlegungen ist. Der Glaube wird oft als eine Haltung oder eine Art Überzeugung verstanden, vielleicht seltener auch als ein Vertrauen auf das, was man gehört hat. Der Glaube ist ja nicht eine eindeutige Größe, sondern dasselbe Vertrauen, das man zu dem Menschen hat, der einem seine Liebe erklärt. Hier geht es ja nicht darum, dass man an die Existenz dessen glaubt, den man liebt, sondern man glaubt, dass der Geliebte wahr zu mir spricht. Und das Wort des Geliebten weckt und schafft den Glauben in mir. Das ist der Kern des Glaubens.

Aber wie gesagt, vom Glauben wird viel geredet. Und wir versuchen auch, von der Liebe zu reden. Neulich las ich einen Artikel, der die moderne Liebe behandelte. Das ist eine Liebe, die nicht auf Verliebtheit beruht, wie wir das sonst seit dem 19. Jahrhundert kennen, also das, was man die romantische Liebe nennt. Aber das ist nun vorbei. Nun leben wir wieder in der Zeit der arrangierten Liebe, wo die Liebe und die Liebesbeziehung diesmal von den Algorithmen im Internetz bestimmt wird. Nun wird die Liebe von der Naturwissenschaft definiert. Und wir glauben daran. Die romantische Liebe, die auf der Verliebtheit beruhte, existierte seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa 2010. Dann wurde sie von der arrangierten Liebe abgelöst – jetzt arrangiert durch die Algorithmen im Internet.

Es ist schwer, die Liebe als Begriff zu fassen, aber wir versuchen von ihr zu reden, und der Kern ist ja, dass Leibe bedeutet, einander bedingungslos ausgeliefert zu sein – so wie Gott sich uns am Kreuz hingegeben hat.

Wir reden vom Glauben, von der Liebe. Aber wie oft reden wir eigentlich von der Hoffnung?

Hoffnung ist vielleicht das, von dem wir in unserer Zeit am allerwenigsten reden, auch wenn die Korona-Krise ein Anlass ist, wieder von Hoffnung zu reden. Neulich sah ich in einer Untersuchung, dass unsere jungen Leute fast ohne Hoffnung leben. Das klingt schlimm. Die Klimakrise droht, und existiert da überhaupt noch eine Welt, wenn man erwachsen geworden ist? Die Hoffnung verschwindet. Die schwedische Klimaaktivistin Gretha Thunberg redet überhaupt nicht von Hoffnung, sondern von Panik, und man kann in ihren Worten die ganze Galerie von apokalyptischen Reitern der Religionsgeschichte hören.

Aber von Hoffnung ist selten die Rede. Hoffnung ist eine Größe, von der wir allzu wenig reden, für Hoffnung ist kein Platz, wo alles geplant ist und ja, wo selbst die Liebe wissenschaftlich geplant wird.

Aber Hoffnung ist eine Pflicht des Christen.

Hoffnung ist in Wirklichkei.t das Innerste in einem Christenmenschen. Denn Hoffnung enthält das Wort davon, dass alles anders sein könnte. Es muss nicht so sein, wie es ist. Und wenn wir die Hoffnung verlieren, und das kann jedem passieren, dann sollen wir die Worte der Entsagung im Glaubensbekenntnis hören: Wir entsagen dem Bösen. Denn es sind die Finsternis und die dunklen Gedanken, die uns die Hoffnung rauben. Die Hoffnung kommt und wächst aus der Erzählung von Jesus, dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz.

Wenn man ohne Hoffnung ist, bleiben nur Resignation und Panik. Die Panik, das sind die letzten Krämpfe der Hoffnung. Die Panik ist die Verzweiflung. Und Verzweiflung bedeutet eben Hoffnungslosigkeit. Wir kennen auch den Begriff eines Desperado, eines Menschen, der alles verloren und nicht mehr zu verlieren hat.

Die Hoffnung ist größer als das. Die Hoffnung ist das, was uns für die Welt öffnet. Hoffnung ist das, was uns hinaus in die Welt trägt, wenn sie sich uns verschließt. Die Hoffnung kommt zu uns.

Die Hoffnung kommt zu uns, so wie sie zu dem Taubstummen am Galiläischen Meer kommt, wo Jesus zu ihm von außen spricht und „Effata“ sagt: Öffne dich!

„Öffne dich“ – das ist der innerste Kern der Hoffnung. Öffne dich. Die Hoffnung kommt von außen.

Und Hoffnung ist eine Christenpflicht.

Denn die Hoffnung verwirft nicht die Wirklichkeit. Die Hoffnung macht uns nicht etwas vor. Sie gaukelt uns nicht leere Versprechungen vor.

Hoffnung nimmt die Wirklichkeit ernst, auch die Probleme des Klimas, aber sie lässt es nicht damit bewenden. Das ist eine Welt, die von Gott kommt. Eine Welt, der wir uns öffnen können, und ein Leben, auf das wir hoffen können. Die Hoffnungslosigkeit macht uns taub und stumm. Gottes Wort öffnet und lässt uns wieder reden. Die Hoffnung macht uns Mut zum Leben.

Wir kennen das sehr wohl, dass jemand die Hoffnung verloren hat. Dann verliert man auch die Sprache und den Zugang zur Welt. Dann wird man stumm und still. Aber die Hoffnung gibt einem Sprache und Zugang zur Welt.

In diesem Sinne ist Hoffnung der Kern des christlichen Glaubens hier auf Erden. Denn es kann zwar schwer sein, und wir können von Sorgen geprägt sein, die uns an die Erde binden, wie wir das sicher in der Korona-Krise erfahren haben, aber in Jesus Christus ist uns eine lebendige Hoffnung gegeben, die stets die Welt öffnen wird. Eine lebendige Hoffnung, die sowohl außerhalb von uns als auch vor und in uns lebt. In uns als eine Gabe bei der Taufe und außerhalb von uns als eine Größe, die wir selbst weder beherrschen sollen noch können.

In der Hoffnung leben heißt nicht naiv leben, es bedeutet vielmehr, dass wir nicht in Panik verfallen und in Tristesse versinken, sondern wir öffnen uns wie bei einem Effata durch Jesu Wort von der Welt und dem Leben, das uns Gott geschenkt hat und wo Gott immer mehr will, als wir ahnen können.

Deshalb ist es die Pflicht eines Christenmenschen zu hoffen. Die Hoffnung enthält den Glauben daran, dass das Wort Gottes wahr ist und dass dieses Wort die Liebe enthält, die wir brauchen.

Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei.

Amen.

Propst Thomas Reinholdt Rasmussen

DK 9800 Hjørring

Email: trr(at)km.dk

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