Predigt zu Eph 2, 4-10

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Predigt zu Eph 2, 4-10

Das Neue Leben als Geschenk der Gnade | 11. Sonntag nach Trinitatis 2021 | Predigt zu Eph 2, 4-10 | von Rainer Kopisch |

Liebe Gemeinde,

ich möchte Sie heute auf ein Lied aufmerksam machen, das in der Urgemeinde in der Zeit des Paulus in Gottesdiensten gesungen worden ist.

Es teilt sein Schicksal mit den Liedern des Alten Testamentes.

Niemand heute mehr weiß, wie sie gesungen wurden.

Erst im Frühmittelalter, entstand im 9. Jahrhundert ein erstes Notensystem zur Niederschrift der Musik.

Bis in diese Zeit wurden die liturgischen Gesänge der Gregorianik gemäß der altgriechischen Tradition auf mündlichem Weg von Generation zu Generation überliefert.

Bei den Psalmen des Alten Testamentes finden wir noch ab und zu eine Ausführungsanweisung oder einen Hinweis auf eine damals bekannte Melodie.

Am Anfang von Psalm 12, einer Klage über die Macht des Bösen, heißt es: „Ein Psalm Davids, vorzusingen, auf acht Saiten.“

Der Psalm 22 „Leiden und Herrlichkeit des Gerechten“ beginnt mit den Worten: „Ein Psalm Davis, vorzusingen, nach der Weise ‚Die Hirschkuh, die früh gejagt wird‘.

Wir wissen aus eigener Erfahrung:

Eine passende Melodie bringt einen Text unserem Herzen und unseren Gefühlen schnell näher. Ein Text allein braucht mehr Zeit und Aufmerksamkeit, bis er unser Herz erreicht.

Wie tief ein Text in unser Herz eindringen kann, können wir zum Beispiel mit dem Psalm 23 erfahren. Die alttestamentliche Bildersprache vermittelt uns den hingebungsvollen Glauben des Beters:

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ Viele von uns kennen diesen Psalm auswendig und haben ihn zu ihren Herzenspsalm gemacht. Er hat es verdient.

Auch das Lied, das als neutestamentliche Hymnus, in unserem Predigttext enthalten ist, kann unser Herz erwecken.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ sagt der kleine Prinz in der gleichnamigen mit eigenen eindrucksvollen Bildern versehenen Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry . Damit meint er, dass wir unserem Herzen folgen sollten, um wirklich wahrzunehmen, was für uns wichtig ist.

Sie haben am Eingang mit dem Gesangbuch auch ein Blatt mit dem Predigttext bekommen.

Als kleine Aufmerksamkeitshilfe sind Textteile in verschiedenen Farben gedruckt.

Nehmen Sie das Blatt jetzt zur Hand und achten Sie bitte beim Lesen

auch auf die verschiedenen Farben des Textes.

Ich lese vorweg auch die drei Verse vor dem heutigen Predigttext,

die ebenfalls farbig markierte Textteile haben.

Sie werden spüren, dass diese ersten drei Verse noch nicht zum Hymnus, dem Lied ab Vers 4 gehören.

Sie sprechen die Heidenchristen auf ihr früheres Leben als Heiden an.

1 Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden,

2 in denen ihr früher gewandelt seid nach der Art der Welt,

unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht,

nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit

am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.

3 Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt

in den Begierden des Fleisches und der Vernunft

und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.

Diese Verse sprechen von verloren Kindern Gottes im Herrschaftsbereich des Bösen.

Ich lese jetzt die Verse des Predigttextes:

4 Aber

Gott,

der reich ist an Barmherzigkeit,

hat in seiner großen Liebe,

mit der er uns geliebt hat,

5 auch uns,

die wir tot waren in den Sünden,

mit Christus lebendig gemacht

– aus Gnade seid ihr gerettet -;

6 und er hat uns mit ihm auferweckt

und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,

7 damit

er in den kommenden Zeiten erzeige

den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade

durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.

8 Denn

aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben,

und das nicht aus euch; Gottes Gabe ist es,

9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.

10 Denn

wir sind sein Werk,

geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken,

die Gott zuvor bereitet hat,

dass wir darin wandeln sollen.

Der Schreiber des Epheserbriefes ist ein Schüler des Paulus.

Er hat seinen Meister gut verstanden und führt dessen Gedanken fort.

Wenn Ihnen Martin Luther einfällt, der mit Nachdruck betonte,

dass wir allein aus Glauben vor Gott gerecht werden

und nicht wegen unserer Werke, so hat das hier seinen Grund.

Martin Luther hat auch gerade aus diesem Epheser-Text seine Gedanken geschöpft.

Lassen Sie uns in gut lutherischer Weise also kreativ diesen Text betrachten.

Dazu wird es wichtig sein, dass wir versuchen, als Leser und Hörer unserer Zeit mit dem Schreiber dieser Verse ins Gespräch kommen.

Zuerst werden wir ihn fragen, warum er die Verse 1 bis 3 vor diesen Text gesetzt hat.

Er antwortet uns:

„Mir war es wichtig, bei aller Begeisterung für den christlichen Glauben und seine Herzensgeheimnisse, auf eine wichtige Tatsache hinzuweisen:

Wir Menschen auf Erden leben in einer Welt des Todes,

einer Welt der Herrschaft des Bösen.

Dieser Böse betreibt seine Herrschaft als windiger Geselle

zwischen Erde und Himmel.

Das ist die Wirklichkeit, in der auch wir Menschen leben.“

Das ist die fiktive Antwort des Autors des Epheserbriefes auf unsere Frage.

In Vers 2 haben wir eine genaue Beschreibung des Herrschaftsbereiches des bösen Herrschers zwischen Himmel und Erde.

Der große deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat sich Jahrzehnte mit dem personifizierten Bösen beschäftigt und mit Faust 1 und 2 große Theaterstücke verfasst.

Goethe lässt in Faust 1 in einer Szene in Auerbachs Keller in Leipzig Mephisto zu Faust sagen:

„Den Teufel spürt das Völkchen nie / und wenn er sie am Kragen hätte.“

Martin Luther hat sein bekanntes Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ auch in Kenntnis der Verse Epheser 2, 1 bis 10 geschrieben. In seinem Lied hat er den Bösen aus dem Vers 2 des Epheserkapitels 2 genauer beschrieben:

„Der altböse Feind, mit Ernst er’s jetzt meint, groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erd ist nicht seinsgleichen.“

In Johannes 16, 33 sagt Jesus seinen Jüngern: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Einem Jungen, der unter einem Kriegstrauma litt und manchmal nachts von einem großen Druck auf die Brust aufwachte, riet seine Mutter, sofort den Namen Jesus laut zu sagen. Das hat ihm geholfen und die nächtliche Bedrückung wich.

Wir Christen leben in zwei Welten, in einer Welt des Todes und in einer Welt des ewigen Lebens, im Herrschaftsbereich des Bösen und im Reich Gottes.

Wir leben in der Welt des ewigen Lebens nicht aus eigenem Verdienst und nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft der Liebe Gottes,

die Jesus Christus uns vermittelt hat und in der er mit uns verbunden ist.

Davon singt der urchristliche Hymnus in unserem Predigttext:

„4 Aber

Gott,

der reich ist an Barmherzigkeit,

hat in seiner großen Liebe,

mit der er uns geliebt hat,

5 auch uns,

die wir tot waren in den Sünden,

mit Christus lebendig gemacht

– aus Gnade seid ihr gerettet -;

6 und er hat uns mit ihm auferweckt

und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,

Nach jüdischer endzeitlicher Tradition geschieht das am jüngsten Tag.

Diese jüdische eschatologische Tradition wurde in Vorstellungen des Neuen Testamentes vom Wiederkommen Christi und vom endzeitlichen Gericht aufgenommen.

Sicher sind diese Glaubensvorstellungen dem Bedürfnis der Menschen geschuldet, in geordneten Zeitvorstellungen zu denken.

Der Autor des Epheserbriefes mutet uns aber zu, Gegenwart und Ewigkeit in unserem Glauben zusammen zu denken.

Wie das gehen kann erfahren wir in der Sammlung neuer Kirchenlieder „Berliner Lieder“ von Olaf Trenn getextet.

Darin  gibt es ein bekanntes Lied:

‚Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.‘

Der Refrain heißt:

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen

Einfach unglaublich, dass er das tut,

ich kann es gar nicht fassen, dass er mich mitnimmt,

kaum zu glauben, aber es tut gut.“

Auch Olaf Trenn nimmt hier die Tradition der alttestamentlichen Psalm-Lieder auf. Im Psalm 18 „Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke“ stehen im Vers 30 die Worte: und mit meinem Gott über Mauern springen.

Nehmen Sie das bunte Textblatt wieder zur Hand.

In Vers 7 ist zu sehen und zu hören, mit welcher Absicht wir mit den ersten Christen durch die Botschaft im Hymnus verbunden sind und wie dieses Tun Gottes auf Zukunft hin angelegt ist.

7 damit

er in den kommenden Zeiten erzeige

den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade

durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.

8 Denn

aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben,

und das nicht aus euch; Gottes Gabe ist es,

Das ist die Botschaft vom gnädigen Handeln Gottes, der Liebe und Gnade Gottes für alle Zeit.

Um es aber auch klar zu stellen, dass wir Menschen dafür keine Leistung erbringen müssen, ist das ausdrücklich betont:

9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.

Gute Werke zu tun, bleibt aber weiterhin eine wichtige Aufgabe für uns Christen. Wie das aber in unser Leben bedeutet, sagt uns die letzte Strophe im neutestamentlichen Hymnus:

10 Denn

wir sind sein Werk,

geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken,

die Gott zuvor bereitet hat,

dass wir darin wandeln sollen.

Das klingt wie ein Urgrund unseres menschlichen Seins.

Gott, der Schöpfer hat in uns Menschen etwas ganz Kostbares gelegt:

Wir sind fähig, gute Werke zu tun.

Wir wissen: Jede und jeder Einzelne ist ein einzigartiges Geschöpf.

Das Besondere an uns herauszufinden, ist Aufgabe unseres Lebens.

Die ersten Menschen in unserem Leben, die das herausfinden wollten, waren unsere Eltern.

Dazu gehört weniger die Aufgabe Erzieher zu sein, sondern die Aufgabe als Entdecker Kinder und Jugendlichen Begleiter und Helfer zu sein.

Hierbei ist Liebe gefragt, wie bei aller Zuwendung an Menschen.

Um im Sprachgebrauch der letzten Strophe des Hymnus zu bleiben.

Es geht darum, die Liebe Gottes in uns zu entdecken.

Bei aller Verschiedenheit der Menschen gibt es bei allen ein gutes Werk,

das Gott all seinen Geschöpfen ins Herz gelegt hat.

Es ist die Liebe zu sich selbst.

Sie lernen Kinder in der Regel durch die Liebe ihrer Mutter.

Ja, es ist sicherlich richtig, wenn Sie vermuten,

dass Gott auch allen Müttern die Mutterliebe ins Herz geben hat.

Obwohl Gott uns Liebe als gutes Werk in unser Herz gelegt hat,

braucht es für uns Menschen manchmal eine große Überwindung,

von diesem Geschenk an andere Menschen weiterzugeben.

Wir sollten nicht vergessen: Die Liebe Gottes ist in Fülle vorhanden.

Erstaunlich ist nur, dass wir Menschen offenbar manchmal denken,

Liebe sei so etwas wie eine Handelsware.

Dann spielen Erwartungen, Wünsche und infolge auch Angst vor Verlusten und Enttäuschungen eine Rolle.

Gottes Liebe kennt keine solche Bedenken. Gottes Liebe kostet nichts.

Wirklich lieben zu lernen ist eine der Voraussetzungen, die guten Werke auch tun zu können, die Gott, der Schöpfer in uns angelegt hat und die zu tun uns Jesus Christus gelehrt und vorgelebt hat.

Paul Gerhard, der Dichter vieler zu Herzen gehender Kirchenlieder, hat nach der Überwindung der Schrecken des 30j-ährigen Krieges von 1618 bis 1648 im Jahr 1653 sein bekanntes Lied gedichtet:

Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Sollt ich ihm nicht dankbar sein?

Denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir mein‘.

Ist doch nichts als lauter Lieben, das sein treues Herze regt,

das ohn Ende hebt und trägt, die in seinem Dienst sich üben.

Ich wünsche Ihnen allen ein liebevolles und Gott dankbares Herz.

Bleiben Sie von ihm behütet.

Amen

Pfarrer i. R. Rainer Kopisch

Braunschweig

E-Mail: rainer.kopisch@gmx.de

Zur Erstellung der Exegese des Textes habe ich das Theologische Wörterbuch zum NeuenTestament von Kittel in der ersten Auflage und die Interlinearübersetzung von Ernst Dietzfelbinger in der dritten Auflage benutzt.

Eingesehene Stellen im Internet:

Anfänge der Notation von Musik:

https://www.wissen.de/bildwb/musik-von-der-fruehzeit-bis-zum-mittelalter-anfaenge-der-tonkunst

Sammlung neuer Kirchenlieder „Berliner Lieder“ von Olaf Trenn getextet:

https://www.evangeliums.net/lieder/liederbuch_berliner_lieder.html

Rainer Kopisch, Pfarrer in Ruhe der Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig,

Seelsorger mit logotherapeutischer Kompetenz,

letztes selbstständiges Pfarramt: Martin Luther in Braunschweig,

in der Vergangenheit:

langjähriger Vorsitzender der Vertretung der Pfarrer und Pfarrerinnen in der Landeskirche,

Mitglied in der Pfarrervertretung der Konföderation der Landeskirchen in Niedersachsen,

Mitglied in der Pfarrvertretung der VELKD, Mitglied in der Fuldaer Runde.

Seit Beginn meines Ruhestandes vor 15 Jahren schreibe ich Predigten im Portal der Göttinger Predigten. Diese Arbeit ist mein Dank für die Liebe Gottes, die mich in meinem Leben begleitet hat.

Roonstr. 6
38102 Braunschweig
rainer.kopisch@gmx.de

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