Predigt über Matth. 8, 5-13

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Predigt über Matth. 8, 5-13

Beziehungsgeflechte | 3. So. n.Epiphanias | Predigt über Matth. 8, 5-13 | verfasst von Elisabeth Tobaben |

Liebe Gemeinde!

„Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier…“ haben wir eingangs gesungen.

Wenn man ihn fragen könnte, dann würde der Hauptmann von Kapernaum vielleicht so ähnlich beschreiben, was er erlebt hat.

Seine Begegnung mit Jesus war für ihn sicher auch ein Stück „Himmel auf Erden“.

Klar, wir bringen den „Himmel auf Erden“ vorwiegend mit frisch Verliebten in Zusammenhang, die gar nichts anderes mehr um sich herum wahrnehmen können, den anderen und die ganze Welt mit leicht verklärten Augen sehen und auf einer rosaroten Wolke schweben.

Aber auch die Rettung aus einer solchen extremen Notlage, wie sie dieser römische Hauptmann und sein Knecht erleben, das hat schon irgendwie „himmlische“ Züge.

Das wäre die emotionale Ebene, auf der man eine solche Geschichte verstehen kann.

Man kann natürlich auch historisch oder medizinisch-naturwissenschaftlich fragen: was ist denn damals passiert?

Meistens wird man dazu allerdings recht wenig herausfinden, und zwar ganz einfach deswegen, weil man damit an den ursprünglichen Zielen des Verfassers vorbei fragt.

Er wollte ja nicht zur Geschichtsschreibung beitragen und irgendwelche Ereignisse präzise überliefern, analysieren oder nach Ursachen forschen, darum ging es ihm und den anderen Verfassern gar nicht, sondern: Sie wollten ihre Zuhörer /(zuerst Texte ja erzählt!) zum Glauben locken!

Sie haben gepredigt, sie haben erzählt, um andern zu sagen: Versuche es doch auch mal, vielleicht kannst du so ähnliche Erfahrungen machen oder andere Überraschungen erleben wie … z.B. dieser Hauptmann in Kapernaum.

Nun hat Glauben ja immer etwas mit Beziehung und Vertrauen zu tun, im griechischen Urtext ist das sogar dasselbe Wort.

Gucken wir uns also einmal das Beziehungsgeflecht in dieser Geschichte etwas näher an:

die zwischen dem Hauptmann und Jesus und dem Hauptmann und seinem Knecht.

Nun könnte man lange spekulieren, weshalb sich der Hauptmann eigentlich so für einen Knecht einsetzt.

Ein Aspekt ist, dass das Wort das Luther mit „Knecht“ übersetzt, auch mit „Knabe“ wiedergegeben wird, und auch „Sohn“ heißen kann. Sollte es sich um das Kind des Hauptmanns handelt, würde der große Einsatz schon verständlicher.

Manche Auslegen gehen auch davon aus, dass es zwischen den beiden Männern eine Liebesbeziehung gegeben habe. Möglich.

Ich denke aber eher an den Klang, den das Wort „Knecht“ mindestens bis ins vorletzte Jahrhundert auf unseren (niedersächsischen) Bauernhöfen hatte.

Knechte und Mägde waren dort die jüngeren Geschwister des Bauern. Bauer werden – und dazu gehörte auch heiraten und eine Familie gründen – durfte ja immer nur einer, meist der älteste Sohn – die jüngeren Brüder wurden seine Knechte, und wenn das Geld für eine angemessene Mitgift nicht reichte, mussten unverheiratete Schwestern als Magd arbeiten, wenn sie nicht nach Amerika auswanderten. Wer Gelegenheit hat, sich das Auswandererhaus in Bremerhaven anzugucken, sollte das unbedingt tun! Dort bekommt man einen guten Eindruck auch von den Tragödien, die sich da abgespielt haben müssen…

In dieser biblischen Geschichte kann es gut der Fall gewesen sein, dass der Erkrankte z.B. der engste Berater des Hauptmanns war, seine rechte Hand, und er ohne ihn völlig aufgeschmissen wäre.

Wenn plötzlich der Ghostwriter wegen Krankheit ausfällt für alle öffentlichen Auftritte, Reden und Verhandlungen, dann kann es schon übel aussehen für die eigene berufliche Zukunft.

Und dann wäre da die Beziehung zwischen dem Hauptmann und Jesus!

Sie ist am Anfang der Geschichte ja sehr vage, eher eine flüchtige Begegnung. Wir erfahren im Grunde nur, dass der Hauptmann auf den ihm ja wahrscheinlich persönlich völlig unbekannten Wanderprediger zugeht.

Vielleicht hat er etwas läuten hören von den Heilungserfolgen Jesu und seinen aufrührenden Predigten?

Mag sein. Jedenfalls hat er wohl die Hoffnung, da ist einer, der könnte vielleicht helfen.

Und nun entspinnt sich ein sehr merkwürdiges Gespräch zwischen den beiden.

Der Hauptmann gibt eigentlich nur eine knappe Situationsbeschreibung: mein Knecht, der liegt gelähmt zu Hause und quält sich …

Keine Bitte um Hilfe, nicht einmal die Frage: kannst du vielleicht… siehst du irgendwelche Möglichkeiten der Therapie, was können wir denn jetzt machen? Nichts dergleichen.

Kommt er gar nicht erst soweit?

Oder traut er sich schlicht nicht zu fragen?

Jedenfalls als Jesus spontan sagt: Ich kann ja kommen und ihn behandeln, „therapieren“ steht da. Aber da wehrt der Hauptmann ganz erschrocken ab!

Warum bloß? Könnte er nicht stolz sein, dass der berühmte Rabbi ihn besuchen will?

Aber schließlich ist er als römischer Hauptmann offensichtlich ein gebildeter Mann, er weiß, dass Jesus als Jude Schwierigkeiten bekäme, wenn er das Haus eines Heiden betreten würde.

Das Gesetz verlangte komplizierte, langwierige Reinigungs- und Opferhandlungen, wenn sich jemand durch solche Kontakte verunreinigt hatte, wie man dachte.

Der Hauptmann will Jesus nicht in Schwierigkeiten bringen, nicht aufhalten.

Aber der Kranke braucht nach wie vor Hilfe, also muss es irgendwie anders gehen.

„Sag doch einfach etwas“, schlägt der Hauptmann vor, „schon ein Wort von dir, über die Distanz hin, ich glaube, es würde ausreichen, um meinen Knecht gesund zu machen, da musst du gar nicht erst mitkommen.

Mir kommt die biblische Schöpfungsgeschichte aus 1. Mose 1 in den Sinn, dort ist die Vorstellung, dass die ganze Welt nur durch das Wort Gottes entsteht. Gott spricht, und es wird. Ganz anders als in der älteren Geschichte in Kap. 2, in der Gott die Welt ganz handwerklich herstellt, pflanzt, knetet und baut.

Traut der Hauptmann Jesus etwa göttliche Qualitäten zu?

Er kennt die Macht der Worte im Übrigen aus seinem Berufsalltag.

„Was ich meinen Soldaten sage, das machen die doch auch,“ sagt er.

„Wo kämen wir hin, wenn jeder Soldat über einen Befehl erstmal nachdenken wollte, und überlegen, ob er ihn nun für sinnvoll und richtig hält…

Es kann nur funktionieren, wenn jeder präzise und sofort und ohne zu fragen tut, was ich sage. Das ist meine Erfahrung aus dem militärischen Bereich.

Also tu du, Jesus, das jetzt auch. Sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund.“

Sein Beruf zeigt dem Hauptmann, dass das Wort Macht hat.

Die Macht der Worte – darüber lohnt es sich auf jeden Fall weiter nachzudenken!

Denken Sie nur an die ungewollte Wirkung, die unsere Worte haben können!

Wir wissen ja oft gar nicht, auf welchen Hintergrund unsere Worte fallen!

Ein Dokumentarfilm zeigte kürzlich Ausschnitte aus einem Gewaltpräventionsseminar an einer Schule: Die Vertrauenslehrerin fragte einen Schüler, der auf dem Schulhof einen Mitschüler brutal zusammengeschlagen hatte: „Warum hast du denn gleich zugeschlagen?“

Und der Vierzehnjährige antwortet: „Na ja, er hat eben „Hallo“ zu mir gesagt.“

„Ach so,“ sagt die Lehrerin, „ja, aber ist das nicht eigentlich ganz nett?“

Und der Junge wieder: „Sie haben ja keinen Ahnung, wie er das gesagt hat! Da musste ich einfach zuhauen.“

Worte können im Übrigen absolut zerstörerisch sein, selbst wenn das in keiner Weise so gemeint war!

Sie können beim anderen auf eine Vorgeschichte fallen, die ich nicht kenne, und damit bringen sie womöglich den anderen zum Explodieren, und ich verstehe gar nicht, warum.

Worte können in voller Absicht in die Irre führen, als Täuschungsmanöver, aber leider auch versehentlich.

Ganz schwierig wird es, wenn jemand von dem, was er sagt felsenfest überzeugt ist, aber leider trotzdem kompletten Blödsinn redet.

Und Worte können letztendlich eine ganze Biographie beeinflussen.

Negativ, wenn die entsprechenden Sätze lauten:

„Das lass man lieber! Das schaffst du sowieso nicht! Das ist viel zu schwer für dich. Das hat doch keinen Sinn …“

Positiv, wenn es ermutigende Sätze sind: „Probier es doch aus! Du schaffst das, ich trau es dir zu…“

Worte können auch zur Geräuschkulisse werden.

Was rieselt nicht täglich an Worten auf uns herab!

Wir hören sie im Radio, im Fernsehen, aus in den Lautsprechern in der Bahn und in Geschäften.

Worte und Musik als Hintergrundberieselung.

Wir nehmen oft gar nicht wahr, was da gerade erzählt wird.

Worte rauschen an uns vorbei.

Und manchmal fallen sie vielleicht doch tiefer in unsere Seele, als wir das möchten.

„Sprich nur ein Wort …“ Der Hauptmann spricht Jesus mit dem Wort „Herr“ an, kyrios. Der Evangelist Matthäus hat sich mit Sicherheit etwas dabei gedacht, dass er diesen ausländischen Besatzer Jesus als Herrn anreden lässt: im Kern ist hier schon vorgezeichnet, dass alle Menschen Kinder Gottes sein können, auch wenn sie nicht zum Volk Israel gehören, sondern zu ganz anderen Völkern, nichts anderes besagt übrigens auch das Wort „Heiden“ als „andere Völker“.

Darum kann Jesus auch von der himmlischen Tischgemeinschaft sprechen, von der im Angesicht Gottes kein Volk der Welt ausgenommen wird. Jeder und jede, die Jesus als den Herrn bekennt, gehört dazu.
So ist die Haltung des Hauptmanns, mit der er Jesus begegnet, keine Unterwerfung.

Wenn er sagt: Ich bin nicht wert, dass du zu mir kommst, mag der Hauptmann auch gefühlt haben: hier stehe ich vor einem, der größer ist als alles andere, auch als jeder Kaiser, dem sonst allein der Titel „Herr“ zustand.

Die Macht der Worte, sie können eben auch aufbauen, heilen, retten, trösten.

Der Glaube des biblischen Hauptmanns ist groß. Er erwartet von Jesus, dass er die Macht hat, Gesundheit und Heil zu schenken, einfach, indem er ein Wort spricht! Was er aus seinem Alltag mit Menschen kennt, ist in seinem Glauben an Gott nicht anders. Und Jesus hat genau zugehört und verstanden.

Er antwortet dem Hauptmann von Kapernaum mit ebenso klaren und knappen Worten: „Dir geschehe, wie du geglaubt hast.“

Er schickt ihn einfach zurück nach Haus: „So, und jetzt gehst du nach Hause und guckst nach, wie es deinem Knaben geht, und ich sag dir: er ist gesund.

Zuletzt kommt noch eine weitere Linie im Beziehungsgeflecht der Geschichte dazu, nämlich die zwischen Jesus und seinen Jüngern.

Die treten hier zwar hier nicht direkt auf, aber er ja spricht sie an, und ich stell mir jetzt einfach mal vor, wir würden dazwischen stehen in der Jüngerschar.

Ihnen stellt er den heidnischen Hauptmanns als Vorbild hin, ein ganz schöner Affront!

„Solch einen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden,“ sagt er.

Das heißt doch: auch bei euch nicht! Obwohl ihr alles zurückgelassen habt, mir nachfolgt, mich als Rabbi, als Lehrer anerkennt…

Das macht mich vorsichtig in meinem Urteil über den Glauben anderer Leute.

Es scheint mir eine Warnung zu sein an diejenigen, die meinen mit absoluter Sicherheit den richtigen Weg schon gefunden zu haben!

Es könnte ja sein, dass so mancher, den wir ganz schnell für „ungläubig“ erklären, tief drinnen (im Herzen) ein ganz tiefes Vertrauen zu Gott hat, auch wenn das nach außen vielleicht gar nicht so aussieht.

Jesus legt offenbar andere Maßstäbe an!

„Viele werden kommen vom Osten und vom Westen und mit Abraham und Isaak und Jacob im Himmelreich zu Tisch sitzen“, auch solche, die nicht zum Volk Israel gehören, oder die keinerlei religiöse Sozialisation mitbringen.

Es gibt keine Vorbedingungen für die Einladung zum Glauben und Vertrauen, sagt die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum.

Und viele werden kommen.

Wo etwas völlig Unerwartetes geschieht, so wie bei der Heilung des Hauptmannsknechts, nur durch ein Wort, das noch nicht einmal laut ausgesprochen wird, kann man schon etwas spüren von Gottes Nähe.

Dann hat das Fest schon begonnen, denn: „Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier.“ Amen.

Elisabeth Tobaben, Pastorin i.R., Juist

Lieder

EG 166, 1-6 Tut mir auf die schöne Pforte

EG 293, 1-2 Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all

EG 72, 1-6 O Jesu Christe, wahres Licht

Freitöne 111 Den meine Seele liebt

EG 279, 1-2, 7 Jauchzt alle Lande

Psalm 96 vorgetragen, mit ggf. leiser musikalischer Begleitung, gerahmt von der 1. Zeile aus EG 293, wenn nach Coronabestimmungen möglich, von der Gemeinde gesungen)

Fürbitten

Herr Jesus Christus, wir sehnen uns nach Zeichen und Wundern.

Viele sagen, die habe es nur in alter Zeit gegeben, wie im Märchen.

Sie mahnen zu Nüchternheit und Vernunft.

Doch die Vernunft sagt, dass es nicht recht sein kann.

Dass Kinder verhungern, Flüchtende an Grenzen zurückgewiesen werden

Und Menschen von Krieg und Gewalt bedroht.

Stärke die Vernunft der Verantwortlichen

Und lass Zeichen und Wunder geschehen.

Wir hören davon, dass du Zeichen und Wunder tust,
bring auch heute Hoffnung und Klarheit.
Auf ein Zeichen von dir warten wir mit allen,
die in Sorge sind, weil sie erleben müssen,

dass die Lüge die Wahrheit verbiegt,
der Hass die Freundlichkeit vertreibt,
Gewalt die Schwachen quält.
Kyrie eleison

Wir hoffen auf Zeichen und Wunder für alle,
die von Schmerzen bedrängt sind,
weil sie krank sind,
verletzt oder enttäuscht,
weil sie geliebte Menschen verloren haben.
Kyrie eleison

Lass dein Licht leuchten über allen,
die aufzubrechen wagen zu einem neuen Ort,
zu neuen Begegnungen,
neuen Aufgaben,
neuem Glück.
Kyrie eleison.

Auf dein veränderndes Wort warten wir, Christus.
Hoffnungsvoll,
sehnsüchtig,
hungrig und fragend,
bedrängt und doch voller Mut.
Du tust Zeichen und Wunder,
in den Gemeinden überall auf der Welt,
in unserer Mitte.

Gott, Heiliger Geist: wir bitten dich: erneuere, versöhne und rette deine Kirche.
Erneure, versöhne und rette deine Schöpfung.
Erneuere uns und alle, die wir lieben,
durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn mit dessen Worten wir beten…

de_DEDeutsch