Predigt zu Joh. 7, 37-39

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Predigt zu Joh. 7, 37-39

„Im Quellstrom neuer Lebensenergie“ | Exaudi|16.05.2021 | Predigt zu Joh. 7, 37-39 | verfasst von Markus Kreis |

37 Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Liebe Gemeinde,

lebendiges Wasser? Totes Wasser, das kenn´ ich. Aus der guten alten Schwarzstahlzeit. Da wurden Rohre aus diesem Stoff in Heizanlagen verbaut. Das Wasser erstarb im Rohrkreislauf. Wurde beim Durchpumpen schnell zu einer stinkigen, schwarzen Brühe. Musste auch so sein. Denn es verhinderte, dass Rost die Rohre an- und auffraß. Das Wasser des Toten Meeres ist dagegen recht lebendig.

Lebendiges Wasser. Wurde mal von einer Sekte verkauft, vorwiegend an ihre Mitglieder. Fiat Lux hieß der Laden, Uriella die Anführerin. Ließ Wasser in die Wanne laufen, wirbelte mit einem Schneebesen im Auslaufstrom, füllte das Ergebnis in kleine Flaschen ab zum Verkauf. In Österreich kennt man etwas Ähnliches: das Granderwasser. Das darf laut Gericht übrigens als esoterischer Unfug bezeichnet werden.

In Wasser steckt Energie, die lebendig macht. Getrost behaupten darf man das für Wasser, mit dessen Fluss in Speicherwerken Strom erzeugt wird. Der wiederum zum Beispiel Geräte im Hospital am Laufen hält. Und da gibt es einiges mehr als Beatmungsmaschinen.

Lebendiges Wasser, das einem Leib entströmt? Der Ausdruck schien schon vor knapp 2000 Jahren  besonders. Sonst hätte Johannes in Vers 39 nicht seinen Kommentar zwecks Erklärung dazu geschrieben. Lebendiges Wasser, das einem Leib entströmt – das ist ein Sinnbild für den Heiligen Geist und sein Wirken.

Der Geist kommt schon mit Jesu Tod ins Strömen, nicht erst mit seiner Auferstehung. Das heißt für uns, die wir auf ihn warten: Der Geist strömt an uns und in uns, ohne dass wir es selber merken. Ohne dass er sein Wirken nach außen zeigt, uns als Umströmte es erkennen lässt.

Als Beweis diene die Geschichte der Jünger von Emmaus. Die können erst gar nicht glauben, was ihnen der Fremde auf dem Weg nach Hause erzählt. Tot ist schließlich tot. Als sie merken, mit wem sie da zusammengesessen haben, fragen sie sich: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete und die Schrift öffnete? Maria von Magdala, die Jesus zuerst nicht erkennt, ergeht es ebenso.

Das passt schön zu Exaudi, dem Sonntag genau eine Woche vor Pfingsten: Jesu Geist strömt an uns und in uns, ohne dass wir es erkennen. Ohne dass er sein Wirken sogleich nach außen zeigt. Aber Außenwirkung bekommt er, was sich ja an Pfingsten zeigt. Und wer in den Strom von Jesu Geist gerät, der macht plötzlich Sachen, mit denen er nicht gerechnet hat. Flammen tanzen auf seinem Kopf. Fremde Sprachen fließend sprechen, vielleicht auch höhere Mathematik. Gewiss aber sehr fremde Menschen einander sehr viel näherbringen.

Und dass da Welche plötzlich über neues Knowhow verfügen, das wird auch von der Welt bemerkt. Aber ob die Welt die richtige Erklärung kennt? Die mit dem Geist Jesu? Und wenn sie die kennen würde, würde sie diese akzeptieren?

Biologisch gesehen kommt alles Leben aus dem Wasser. Der menschliche Körper selbst besteht zu einem erheblichen Anteil aus Wasser. Der Geist Jesu soll nun wie strömendes Wasser sein. Eine Quelle unsichtbarer Lebensenergie. Richtig kanalisiert erzeugt der Geist eine gute, aufbauende Energie. Unablässig strömendes Wasser kann auch immens zerstören. Stichwort Sintflut, Tsunami. Aus Geist können tödliche Ideen wachsen. Doch nicht in Jesu Geist.

Bevor es jetzt mit Wasser, Geist und Energie weitergeht, müssen wir erst auf den Hund kommen. Seehunde sind aber nicht gemeint, sondern ein Exemplar vom Land. Schon da kommt Wasser nicht zu kurz. Immer wenn Pawlows Hund ein schönes Stück Fleisch in seinem Napf liegen sah, lief ihm das Wasser im Maul zusammen. Zur Mahlzeit floss also der Speichel. Pawlow beobachtete das. Und da er neugierig war und sich an Experimenten freute, probierte er etwas aus. Wenn er seinem Hund so einen Leckerbissen in den Napf servierte, läutete er kurz davor mit einer Handglocke, so dass der Hund das Bimmeln hörte. Das tat er wieder und wieder, eine hübsche Zeit lang.

Eines Tages war Pawlow ein bisschen gemein zu seinem Hund. Er kam zum Napf und bimmelte mit der Handglocke. Aber er hatte kein Stück Fleisch bei sich, um es in den Napf zu legen. Stattdessen schaute er seinem Hund aufs Maul: Und siehe da – das Wasser lief dem armen Tier von den Lefzen, obwohl weit und breit kein bisschen Futter zu entdecken war.

Der Hund hatte gelernt, das Bimmeln mit dem Fressen zu verbinden. Deshalb löste die Glocke bei ihm einen Speichelfluss aus – obwohl gar nichts zu fressen da gewesen ist. Nun, Pawlow hat seinen lernfreudigen Hund sicher nicht verhungern lassen. Ja, selbst circa 100 Jahre nach diesem Experiment ist der Hund noch in aller Munde, lebt über sein biologisches Leben hinaus.

Ein anderer neugieriger und experimentierfreudiger Mensch, ein gewisser Herr Kandel, hat später was Ähnliches ausprobiert. Mit anderen Tieren, die er quasi zu seinen Haustieren gemacht hat, mit Meeresschnecken. Wir sind also wieder mitten im Strom von Wasser, Geist und Energie angelangt. Meeresschnecken brauchen wenig Platz und Futter, außerdem verfügen sie nur über wenige Nervenbahnen und ihr Erbgut ist komplett erforscht.

Was hat Herr Kandel ausprobiert? Er hat seinen Meeresschnecken im Aquarium Fressfeinde vorgesetzt, eine Languste oder so was – und siehe, die Schnecken sind geflohen. War ja auch zu erwarten. Darauf hat er anders als Pawlow nicht zuerst mit der Glocke gebimmelt und dann den Fressfeind auf die gute Schnecke losgelassen – geht ja auch gar nicht, Schnecken sind taub.

Statt zu bimmeln hat er das Wasser des Aquariums mit ein paar Krabben versetzt. Meeresschnecken haben nichts mit Krabben am Hut und Krabben nichts mit Meeresschnecken. Die tun sich weder weh noch pflanzen sie sich miteinander fort. Trotz dieser Gleichgültigkeit ist an den Reaktionen der Meeresschnecke zu sehen, dass sie die Gegenwart von Krabben bemerken.

Wie auch immer, same procedure, zuerst die Krabben, dann den Fressfeind ins Wasserbecken: Die Meeresschnecke ergreift die Flucht. Wie sie schon ahnen, ergreift sie nach diesem Training auch dann die Flucht, wenn allein die neutralen Krabben im Aquarium landen und der Fressfeind außen vor bleibt.

Herr Kandel hat da durchaus etwas Neues entdeckt. Beim Hund ging es um seinen Lebensappetit und die Zuwendung der Umwelt – bei der Schnecke um Schrecken und die Feindschaft der Umwelt. Außerdem hat Herr Kandel noch etwas wichtigeres entdeckt:

Wenn man das Spielchen nur lange genug mit der armen Schnecke treibt, dann passiert folgendes: Sie zeigt nur noch Schrecken und Fluchtreaktionen – egal welche Umstände im Aquarium vorliegen. Auch wenn weder Fressfeind noch Krabben darin sind. Also eine neutrale oder gar gute Lage herrscht.

Die Schnecke war durch das Training sozusagen chronisch verzweifelt. Verzweiflung ist ja nichts anderes als Erschrecken, nur sehr viel leiser und langwieriger. Das zeigte sich an dieser Reaktion, die auch bei neutralen oder guten Umständen eingetreten ist. Herr Kandel konnte zudem nachweisen, dass ein solches Training heranwachsende Schnecken sozusagen umformatiert. So dass sie ein anderes Nervenkostüm bekommen als die normal aufwachsenden Schnecken. Bei Schnecken mit antrainierter chronischer Verzweiflung verlaufen und verschalten sich unter anderem die Nervenbahnen anders. Die Verkabelung im Schneckenhirn führt dazu, dass die Armen nur noch Schrecken empfinden können. Was daran liegt, dass eine feindliche Umwelt die Zellproduktion der Schneckengene so stark beeinflusst. Dafür bekam Herr Kandel vor circa 20 Jahren den Nobelpreis.

Geht es uns mit unseren Emotionen nicht auch wie dieser Schnecke im Meeresstrom? Wir halten harmlose Mitmenschen für so was wie Fressfeinde. Wir verzweifeln zuweilen angesichts von Widerständen, obwohl die dazu keinen Anlass bieten, weil sie überwindbar wären. Denn wir täuschen uns darüber, wie die Dinge wirklich liegen. Wir verkennen die Zeichen. Angst vor Spinnen, obwohl es hier keine Spinnen gibt, deren giftiger Biss uns schwer zusetzen oder töten könnte.

Oder wir halten noch so sinnloses Gelärmse für eine Gebärde der Hoffnung. Klammern uns zuweilen an Spekulationen, obwohl die wenig Aussicht bieten, wahr zu werden, denn sie sind komplett irre oder sehr unwahrscheinlich. Das betrifft nicht nur das Glücksspielen. Schöpfen daraus einen Mut, der zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist.

Oder noch schlimmer. Einem geht es am Ende wie dieser Meeresschnecke im Wasser. Ohne es zu bemerken, sind wir chronisch verzweifelt geworden, egal wie gut die Zeichen auch stehen: Über das, was das Training des Lebens so alles mit einem gemacht hat. Haben alle Hoffnung weichen lassen. Alles wird schlecht, ja. Und wir Versager haben es im Grunde doch auch genauso verdient. Spricht es unerhört oder laut in uns.

In Jesu Geist wird unser Durst nach neuer Energie und Emotion gestillt. Nach echter Hoffnung in aussichtsloser Lage. Wenn die Zahlen uns nicht beruhigen oder überzeugen. Wenn das Richten nach Zahlen nichts Neues ausrichtet. Wenn die neuen Heilande sich als Betrüger oder ahnungslose Wichte herausstellen. Gestillt wird der Durst nach Vergebung, wenn wir drohen, in unserer Schuld und unserem Versagen zu ertrinken.

Unser geheimes Sehnen, berechtigte Furcht von nichtiger Angst unterscheiden zu können, das wird gestillt. Ebenso ein stummes Flehen in uns, eigenes Versagen bei unserem Tun in der Welt zu erkennen. Und das sich und je nach Fall auch anderen einzugestehen. Um es schließlich besser zu machen.

Der geheime Wunsch, das blöde Alles-wird-gut-und-ist-es-nicht-gut-dann-ist-es-nicht-das-Ende zu ersetzen: Durch eine nüchterne Sicht auf das endliche Leben nach dem ewig guten Willen Gottes. Das stumme Flehen, Wut und Hochmut von Mut und Zorn unterscheiden zu können. Um dann für sich und für andere fort und fort neues Gutes ausrichten zu können. Das alles wird gestillt werden.

Denn in Jesu Geist sollen wir einander Quellstrom neuer Energie werden. In ihm fließt alles Zerstörende in neue, gute Energie. In ihm erschafft sich alles neu. Unsere Hoffnung in Gott entringt Mitmenschen ihrer Verzweiflung. Unsere Nüchternheit zieht andere vom dünnen Eis ihrer Spekulationen. Unsere sichere Hand beruhigt die Impulsiven. Und unser Mut lockt die Ängstlichen aus ihrer Höhle. Das ist uns in Jesu Geist verheißen. Das strömt in Jesu Geist an uns heran. Und dieser Geist und dieser Strom nimmt uns mit und trägt in neues Leben. Amen.

Markus Kreis, OStR, Werner von Siemens Schule, D-68167 Mannheim, email: markus_kreis@web.de

 

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