Predigt zu Lukas 16,1-9

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Predigt zu Lukas 16,1-9

Justitia sieht mit verbundenen Augen – Gott sieht uns mit unverbundenen Augen | 9. Sonntag nach Trinitatis | Lukas 16,1-9 (dänische Perikopenordnung) | Von Lasse Rødsgaard Lauesen |

Ihre Augen waren zugebunden, vielleicht wagte er es deshalb nicht, sie anzuschauen. Einer der langen Blicke, die Schönheit vom Körper eines anderen Menschen auf sich ziehen. Hätte sie sich umgeschaut, hätte er sicher seinen Blick und woanders hingerichtet. In dieser Weise war es doch schade, dass sie keinen Augenkontakt hatten. Da war nur ihr Körper, der zu sehen war, aber was für ein schönes Geschöpf war sie! Auch wenn sie ihn nicht sehen konnte, dauerte es lange, ehe er es wagte, sich ihr zu nähern. Denn ihr Körper strahlte eine starke Autorität aus. Und dann war da auch das, was sie gerade in den Händen hielt. Ein Schwert, das zwar nicht zur Abwehr erhoben war, aber ein scharfes Schwert war es. Würde sie auf ihn zuschlagen, könnte er wohl ausweichen, denn was kann ein Blinder treffen? Die drohende Hand war nicht die mit dem Schwert. Das war die Hand, die in die Luft erhoben war, wo sie eine Waage hielt, die im Gleichgewicht war. Was nun, wenn er sich an sie heranschliche, würde das Gleichgewicht verschwinden? Einmal ging er dicht an sie heran und stellte sich auf die Zehen um zu sehen, was da in den Waagschalen lag. Die eine war leer, aber in der anderen lagen einige Münzen, so als würde jemand sehen wollen, ob man die Waagschale aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Dann ging er schnell weiter. Nein, sie war nicht wie andere Statuen in dem Park, vielleicht sollte er nachschauen, ob er sie irgendwo im Internetz finden könnte.

Sie hieß Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit., die Personifikation des Rechts, des Gesetzes und des Gerichts. Sie war die Gerechtigkeit, die wir unter uns am Leben erhalten wollen.

Er konnte auch lesen, dass sie immer ihr Schwert hatte und die Waage, aber erst in moderner Zeit hat sind ihre Augen verbunden, um damit zu symbolisieren, „dass alle gleich sind vor dem Gesetz und dass die Justitia mit „blinder Gerechtigkeit“ urteilt, ohne sich weder von Geld, Macht, Persönlichkeit oder andere irrelevante Dinge beeinflussen zu lassen, stand da.

Wer nennt gerade das irrelevant, dachte er, und sah herab auf seine alten Schuhe. Justitia glich keiner anderen ihm bekannten Frau. Die ihm bekannten Frauen hatten keine verbundenen Augen und verurteilten ganz klar ein paar hässliche Schuhe.

Nun verlassen wir den Mann in dem Park, wir kommen aber auf ihn zurück und dürfen auch mit ihm in die Kirche gehen. Ich verstehe gut, dass man sich in Gerechtigkeit verleiben kann, die vollkommene Abrechnung, wo alles aufgeht. Tut ihr das nicht? Nur glaube ich auch, dass der junge Mann, wenn er der richtigen Frau begegnet, erfahren wird, dass die Rechnung mit der Wäsche und dem Staubsauger niemals gerecht aufgeht. Wie würde die Welt eigentlich aussehen, wenn alles gerecht zuginge? Würde sie besser sein oder würden alle früher oder später dem Schwert ausgesetzt sein? Vielleicht soll auch der junge Mann froh darüber sein, dass Justitia eine römische Göttin ist und nicht unser Gott. An dem Bild unseres Gottes kann man nicht in einem Park vorbeigehen, aber man kann dem Bild wie heute in einer ganz ungerechten Erzählung von einem reichen Mann und einem Gutsverwalter begegnen. Oberflächlich gesehen sieht alles gut aus, der reiche Mann ist aber blind für die Großzügigkeit des Verwalters. Der reiche Mann muss deshalb auf andere hören, die ihm erzählen, wie die Welt in Wirklichkeit aussieht. Erst da gehen dem reichen Mann die Augen auf, und er will eine Abrechnung sehen. Wir erwarten wohl alle, dass die nicht stimmt und dass der Verwalter entlassen wird. Ehe das geschieht, sichert der Verwalter jedoch sich selbst, indem er seine Zulieferer zu Betrug anstiftet.  Wenn die Waage der Justitia zuvor etwas schief war, ist sie nun völlig schief, und sie ist bereit, auf den Verwalter zuzuschlagen. Das geschieht nicht, nicht bei dem Gott, mit dem wir es zu tun haben, er sieht dem Mann in die Augen und lobt ihn dafür, dass er klug gehandelt hat. So geht es im Evangelium nicht darum, Gerechtigkeit walten zu lassen, sondern darum, sich Freunde zu schaffen mit dem ungerechten Mammon. Der reiche Mann ist natürlich ein Bild für Gott. Gott, der nicht blind auf dich losschlägt, er hört auch nicht einfach auf das, was andere sagen. Gott sieht dir in die Augen, und er nimmt sich die Freiheit, auch einen Betrugsversuch zu loben. Für mich ist das ein Bild für einen gnädigen Richter, der uns sieht, aber dennoch Platz für uns hat.

Das Evangelium schließt mit einer Aufforderung, sich Freunde zu schaffen mit unehrlichem Mammon.

Überall im Neuen Testament existiert ein angestrengtes Verhältnis zum Geld, besonders wenn es sich um viel Geld handelt. Warum? Ja, Geld bewertet nicht den Menschen, sondern Geld bewerten den einen Mensch en so, den anderen so. Geld kann dazu verwendet werden, die Waagschale für den zu senken, der Geld in sie wirft, wie dies ja im heutigen Evangelium geschieht. Geld veranlasst uns dazu, nach dem reichen Mann zu schauen und nicht dem Armen. Und Geld lässt die Mädchen nach dem richtigen Jungen mit den teuren Schuhen sehen und nicht unseren Freund aus dem Park mit den hässlichen Schuhen. Geld leitet unseren Blick und veranlasst uns, das Recht zu unserem eigenen Vorteil zu beugen. Würde der junge Mann aus dem Park die Münzen aus der Waagschale der Justitia herausnehmen, könnte er vielleicht ein paar neu Schuhe kaufen und die Freundin bekommen, von der er geträumt hat. Ist es gerecht, von einer Statue zu stehlen? Ist es gerecht, dass Geld unseren Blick bestimmt? Nein, keineswegs. Geld ist selten gerecht verteilt, und deshalb meint das Evangelium, dass Geld ungerecht ist. Gerechtigkeit an sich gibt es vielleicht gar nicht, sondern nur als Symbol für das, nach dem wir als Gesellschaft streben und von dem wir träumen. Wenn es darauf ankommt, sind wir alle vielleicht unehrliche Freunde, die nicht gesehen haben, dass die Gerechtigkeit, von der wir träumen, auch Konsequenzen hat für uns.

Dann sind wir zum Schluss unserer Predigt und des Spaziergangs des jungen Mannes gekommen. Denn er war einmal bei einem Gottesdienst in einer Dorfkirche. Und das war so schön, draußen summte der Sommer, und die Orgel rauschte. Zum Abendmahl hatte er sich erhoben, und die Beine hatten ihn fast von selbst zum Altar getragen. Plötzlich standen sie still unter dem Chorbogen, und er sah auf zum großen Kreuz. Die Augen Jesu waren von seiner Kirchenbank aus als geschlossen zu sehen, und er hatte gedacht, Jesus sei bereit gewesen, vom Kreuz heruntergenommen und ins Grab gelegt zu werden. Genau hier, wo die Beine sehen blieben und er hinaufschaute, konnte er zwei Augen durch die Spalten sehen, die auf ihn schauten. Sie sahen ihn, und er sah in sie hinein, ein Schauer überkam ihn, der uns all das sagt, was wir sehr wohl wissen. Er hatte Lust, Jesus herunterzunehmen, denn er war ja noch nicht tot.  Das tat er nicht, stattdessen tat er den letzten großen Schritt zum Altar und empfing Brot und Wein wie alle anderen. Als er sich erhob und zurückging, hielt er wieder ein unter dem Kreuz, aber nun waren die Augen geschlossen. Die Augen, die ihn gesehen und vorbeigelassen hatten, so dass er wieder ein teil des ganzen wurde. Das ist das Evangelium: Dass wir glauben, dass Gott uns sieht mit unverbundenen Augen und uns wieder in die Welt schickt. Amen.

Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen

DK-5000 Odense

E-Mail: lrl(at)km.dk

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