Psalm 24

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Psalm 24

Tempelsehnsucht | 1. Advent | 03.12.2023 | Ps 24 | Christoph Kock |

  1. Die Reise in den Tempel

Ein Fußballspiel zu besuchen, verlangt Vorbereitung. Für mich beginnt sie im Internet. Ich gehe auf die Seite von Borussia Dortmund, klicke auf die Seite „Heimspiel Signal Iduna Park“[1] und lese:

„Herzlich willkommen im schönsten Stadion der Welt. Wenn Stadionsprecher Nobby Dickel seine berühmten Worte sagt, bist Du schon mittendrin. Bevor es so weit ist… können viele Fragen auftauchen, die wir hier beantworten möchten.“

Mein Blick fällt auf sieben, in schwarz-gelb gehaltene Piktogramme unter der Überschrift „Die Reise in den Tempel“. Die Reise beginnt mit der Tempelsehnsucht. Das Piktogramm zeigt den Umriss des Stadions mit einem gelb leuchtenden Herz. Sehnsucht nach dem schönsten Ort der Welt.

Fußball erscheint hier als Religion. Das Stadion als der Ort, an dem sie ausgeübt wird. Wer in Dortmund fragt, „Gehse innen Tempel?“ will wissen, so erklärt mir ein BVB-Fan, ob du ins Stadion gehst und beim nächsten Heimspiel dabei bist. Ich werde neugierig.

„Tempelsehnsucht“. Das Wort gefällt mir. Sehnsucht nach einem Ort, der Himmel und Erde verbindet. Sehnsucht nach Momenten der Ewigkeit mitten in der Zeit. Nach Gemeinschaft, weil die Begegnung mit Gott Menschen verbindet. Emotionen, Glück, Freude – all das gehört dazu. Ebenso Drama und Enttäuschung, wie am letzten Spieltag der vergangenen Saison.

Tempelsehnsucht kenne ich aus der Bibel. In Psalm 24 wäre auf dem ersten Piktogramm kein Gebäude zu sehen, sondern die Erde. Weder die Stadt Jerusalem noch der Zionsberg stehen am Anfang, sondern die ganze Welt. Mehr geht nicht.

Ein Psalm Davids.

Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist,

der Erdkreis und die darauf wohnen.

Denn er hat ihn über den Meeren gegründet

und über den Wassern bereitet.

Gott hat sich mit einem Ort verbunden und ist doch überall zuhause. Egal wohin du auf dem Globus zeigst. Alles von Gott geschaffen.

  1. Einlasskontrolle

„Am Tempel angekommen steigen die Vorfreude und der Trubel“. Die fünfte von sieben Phasen der Reise in den schwarz-gelben Tempel. Bis hierhin habe ich es leider nicht geschafft, da ich schon beim Ticketkauf gescheitert bin. Wer kein Vereinsmitglied ist, hat schlechte Karten, an solche zu kommen. Aber selbst, wenn ich eine Karte ergattert hätte, dürfte ich nicht einfach ins Stadion spazieren. Ich werde über Einlasskontrollen und Einlassorte informiert, scrolle durch eine lange Liste verbotener Gegenstände, die ich nicht ins Stadion mitnehmen darf. Wer kommt, muss sich darauf einstellen, von Ordnern kontrolliert und abgetastet zu werden. Es gibt eine Kleiderordnung. Schon im Umkreis des Stadions sind Glasflaschen und Gläser verboten. Wer angetrunken ist, muss draußen bleiben.

In Jerusalem wird der Zugang vor der Tür des Tempels geklärt. Nach einer alten Choreografie. Alle wissen, was gespielt wird. Eine Stimme fragt von außen, eine Stimme antwortet von innen und gibt Weisung:

Wer darf auf des HERRN Berg gehen,

und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?

Wer unschuldige Hände hat

und reinen Herzens ist,

wer nicht bedacht ist auf Lüge

und nicht schwört zum Trug:

der wird den Segen vom HERRN empfangen

und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.

Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt,

das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs. SELA.

Das kann kein Ordner kontrollieren. Es geht nicht um Waffen oder Pyrotechnik, sondern um eine Bilanz. Nur du selbst kannst dich prüfen: Ob die eigenen Hände unschuldig sind, dein Herz rein ist, das eigene Leben nicht auf Lug und Trug basiert. Jesus wird diesen Gedanken aufnehmen und sagen: „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). Weil sich für sie eine Tür öffnet.

An dieser Schwelle ist der ganze Mensch gefordert. Umkehr ist nötig. Vorher, bevor du kommst und vor der Tempeltür stehst. Denn wo Gottes Herrlichkeit erstrahlt, hat böses Handeln, Denken und Wollen einfach keinen Platz. Lass es hinter dir. Hass hat keinen Platz. Weg damit.

Höre auf, Menschen zu verachten. Wenn du deinen Mitmenschen liebst wie dich selbst (Lev. 19,18) bist du auf dem richtigen Weg. Wenn du Gott mit ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft (Dtn 6,5) liebst, kommst du an die richtige Adresse.

  1. Umkehr üben

Solche Umkehr will geübt sein. Die Aktion „Brot für die Welt“ hilft dabei. Heute, am 1. Advent 2023, wird die 65. Aktion eröffnet. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, schreibt uns dazu:

Liebe Gemeinde, knapp 800 Millionen Menschen auf der Welt leiden Hunger. Jeder zehnte Mensch. Eine unfassbare Zahl. Denn eigentlich wären wir in der Lage, alle Menschen satt zu machen. Doch unser globales Ernährungssystem ist weder nachhaltig noch fair.

„Wandel säen“ lautet das Motto der 65. Aktion von Brot für die Welt. Denn Umkehr ist dringend nötig. Es braucht ein Ernährungssystem, das den Armen zugutekommt, natürliche Ressourcen schont und die Klimakrise nicht weiter verstärkt.

Die Partnerorganisationen von Brot für die Welt in aller Welt zeigen im Kleinen, wie das aussehen kann – zum Beispiel in Kenia, wo Kleinbauernfamilien trotz immer unregelmäßigerer Niederschläge mit kreativen Anbaumethoden gute Erträge erzielen. Oder in Bangladesch, wo ausgegrenzte indigene Gruppen traditionelle Reisspeicher wiederbeleben und so ihr Überleben sichern.

Jesus kam selbst arm zur Welt und hat Armut immer persönlich genommen, sich mit den Hungrigen solidarisiert: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben.“ Gerade jetzt im Advent ist Zeit, um umzukehren. Hinsehen, mitfühlen, teilen. Gott gebe uns die Kraft, Hoffnung zu stiften, Wandel zu säen. Denn: Eine Welt ohne Hunger ist möglich.

Setzen Sie mit uns ein Zeichen der Solidarität. Lassen Sie uns zusammen so leben, dass unsere Welt sich wandelt. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung. Gott segne Sie und Ihre Gaben!

Umkehr üben, Tempelsehnsucht wachhalten, weil Gott in der ganzen Welt zuhause ist.

  1. Mit Gott ins Stadion

Wieder sind Stimmen zuhören. Die Choreografie geht weiter. Türen auf, rufen Stimmen von außen. Für wen, fragen Stimmen von innen.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,

dass der König der Ehre einziehe!

Wer ist der König der Ehre?

Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,

dass der König der Ehre einziehe!

Wer ist der König der Ehre?

Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre. SELA.

Das Bild hat sich gewendet. Gott steht draußen vor der Tür. Gleich zieht Gott in den Tempel ein. Der König der Ehre kommt ins Haus. Nach Hause. Und wir sind dabei. Ein starker und mächtiger Gott steht vor der Tür. Der HERR der Heerscharen. Die Machtfrage ist gestellt und entschieden. Hier ist Gott selbst König. Im Buch des Propheten Sacharja schickt er einen armen König auf einem Esel, aber Gott selbst wird Waffen und Kriegsgerät zerstören, dann wird jener König Frieden stiftet.

Wer zum Fußball geht, will Tore sehen. Wer in den Tempel kommt, will Gottes Stärke spüren. Keinen entsetzlich harmlosen, lieben, weichgespülten Gott, der einem die Niederlage schönredet. Hier hat Gott ein Heimspiel. Und die Menschen stehen hinter Gott wie ein Mann und eine Frau. Mindestens Südtribüne. Gott gewinnt: Mächtig, König, herrlich. Das ist Gott. Die Ohnmacht muss draußen bleiben. Jubellieder werden angestimmt. Alle singen mit und jeder kennt den Text auswendig.

  1. Heimsieg

Ich reibe mir die Augen. Heute, am ersten 1. Advent, geht es zu wie in einem Stadion. Und Weihnachten geht es um ein Kind, das hilflos und herzerwärmend in einer Krippe liegt. Was für ein Kontrastprogramm. Wer an Weihnachten kommt, wird vom Zauber des Anfangs hören. Von Gott singen, der sich seiner Gewalt entäußert, sich erniedrigt und klein macht, damit die Liebe zur Welt groß herauskommt. Ein Gott der leisen Töne.

Liebe Gemeinde, ich gebe es zu: Mir gefällt Gott im Stadion. Mir gefällt der lautstarke Jubel. Und der Gesang der Fans. Nicht besonders schön, aber lautstark. Gott, stark und mächtig. Das Spiel verläuft in unvorstellbaren Bahnen. Kriegsgerät geht kaputt. Sobald du es anfasst, wird es unbrauchbar. Maschinenpistolen, Panzer, Kampfflugzeuge, Drohnen. Alles, was tötet, ist tot. Wie Gott das nur macht. Da bleibt einem nur der Frieden. Selbst in Israel und Gaza. Unvorstellbar. Niemand verliert. Nur der Tod. Und der Hass ist Geschichte. Weil Gott haushoch gewinnt. Zu schön, um wahr zu sein? Der Ort des Tempels, Jerusalem, trägt diesen Frieden im Namen. Allen Konflikten zum Trotz, die sich in und an dieser Stadt entzünden.

Am Anfang steht die Tempelsehnsucht. Nach einem Ort, an dem sich das Schicksal der ganzen Welt entscheidet. Weil Gott dorthin kommt, wo Gott schon längst zuhause ist. Und für Frieden sorgt, dort ebenso wie anderenorts. Weil Menschen dort willkommen sein werden, egal woher sie kommen. Das Böse haben sie hinter sich gelassen. Weil es zu Gott einfach nicht passt. Bei diesem Sieg will ich dabei sein.

Amen.

Lieder: EG 1, EG.RWL 671

Impuls für die Begrüßung

Herzlich willkommen zum Gottesdienst am 1. Advent.

Warten im Dezember.

Worauf?

Dass der Terror aufhört und der Krieg, der im folgt, in Israel und an seinen Grenzen, in Gaza und im Libanon.

Dass der Krieg in der Ukraine endlich aufhört.

Dass die Gründe abnehmen, die Menschen zur Flucht zwingen.

Die Liste ist lang.

Das Warten im Advent kommt dazu: Auf ein Fest mit so viel Sehnsucht.

Gott kommt in einem Kind zur Welt.

Engel geben Gott die Ehre und singen vom Frieden auf Erden.

Ein neues Kirchenjahr beginnt.

Stimmen wir uns darauf ein und singen „Macht hoch, die Tür.“

Sündenbekenntnis

Gott, wir haben das Warten verlernt.

Alles muss sofort geschehen.

Am besten auf Knopfdruck.

Wann immer ich will.

„Wer wartet, hat schon verloren.“

Wer so denkt, ist einsam.

Du lässt dich ankündigen.

Verlangst, dass wir dich erwarten.

Toren und Türen öffnen.

Uns auf deine Ankunft einstellen.

Gott, wir haben das Warten verlernt.

Hilf uns dabei.

Dich zu erwarten.

Öffne unsere Herzen für das, was du mitbringst und was uns verbindet.

Herr, erbarme dich.

Wochenspruch (Sach 9,9) als Gnadenzusage

Kollektengebet

Jetzt beginnt sie, Gott, die Wartezeit auf deine Ankunft.

Das ist schwer: Sich darauf einstellen, was du sagst.

Darauf warten, was du ankündigst.

Wenn doch etwas geschehen müsste, dass so unwahrscheinlich erscheint.

Gott, du kündigst dich an.

Mit dem im Gepäck, was Menschen verbindet, aller Enttäuschung zum Trotz.

Wir brauchen das.

Es wird Zeit, dass du ankommst.

Fürbitten mit EG 1,1

Macht hoch, die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit.

Ja, wir möchten gerne die Tore öffnen für dich, unseren Gott, dass du in unser Leben trittst, in unsere Welt kommst und sie verwandelst.

Wir brauchen deinen Glanz in der Finsternis, deinen Frieden in den Kriegen, deine Liebe in dem Hass, der immer stärker prägt, wie Menschen einander begegnen.

Gott, wir brauchen deine Nähe.

Aber wir bekommen die Tür nicht auf.

Hilf uns, dich einzulassen.

Was wir brauchen, hast du im Gepäck.

Heil und Leben für die Welt:

für die, denen verwehrt wird, was sie zum Leben brauchen,

für die, die außen vor sind;

für die, denen egal ist, wie es anderen geht.

Hilf uns, dir entgegenzugehen.

Was wir brauchen, hast du im Gepäck.

Heil und Leben für die Welt, auch jenseits der Grenzen, die uns gesetzt sind:

Wir bitten dich für unsere verstorbenen Gemeindemitglieder.

Berge sie in dem Leben, das Ostern begonnen hat.

Tröste diejenigen, die Abschied nehmen mussten.

Wir warten auf dich, Gott, und du kommst an in einem Kind.

Es hat einen weiten Weg vor sich und nimmt andere mit.

Rührt Menschen an, geht an Grenzen, öffnet, was sie verschlossen halten.

Bringt unsere Not zum Ende.

Mit seinen Worten beten wir: …

Pfarrer Dr. Christoph Kock

Wesel

E-Mail: christoph.kock@ekir.de

Dr. Christoph Kock, geb. 1967, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2007 Pfarrer an der Friedenskirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel.

[1]            https://service.bvb.de/docs/heimspiel-signal-iduna-park

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