Römer 6,3-8

Römer 6,3-8

6. So. n. Trinitatis | 24.07.22 | Röm 6, 3-8: „Ich bin getauft“ | Michael Plathow |

I

Als Gemeindepfarrer durfte ich mit vielen Menschen die Taufe – meist von Säuglingen – feiern und für viele Gemeindeglieder die Beerdigung gestalten. Taufe und Beerdigung sind da Gottesdienste.

In den Gottesdiensten werden als cantus firmus Worte laut, die die Gemeinde je neu ansprechen. Zu diesen Worten gehört bei der Taufe und bei der Beerdigung die Zusage: „Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit“ (Ps 121, 8). Im pastoralen Dienst war mir dieses Wort besonders wichtig. Gottes Verheißung spricht am Anfang des Weges eines Christen im „Vorletzten“ und an seinem Ausgang hin zum „Letzten“ bei Gott. Anfang und Ende, Leben und Sterben, Zeit und Ewigkeit umschließt die Verheißung Gottes, die wirkt, was sie sagt, und sagt, was sie wirkt.

Davon schreibt der weitgereiste Apostel Paulus auf seiner Missionsreise an die Gemeinde in Rom (Röm 6, 3 – 8):

„Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden“.

II

Die Taufe des Kindes erweist sich für viele Eltern als herausragendes Ereignis. Das habe ich immer wieder erfahren. Aber das Gespräch mit einer älteren Frau im japanischen Kobe bleibt mir besonders in Erinnerung: Sie lud mich nach einem Gottesdienst zum Tee ein. Im schlichten Kimono begrüßte sie mich und bat mich in ein fast leeres Zimmer. Darin nahm ich am niedrigen Tisch auf einem Kissen Platz. Sie wandte sich der Teezeremonie zu: in eine blau gemusterte, auffallend schöne Schale füllte sie Teepulver, gab heißes Wasser dazu und schäumte mit einem Besen den grünen Tee. Diesen goss sie in zwei blaue Schälchen, drehte die eine behutsam und reichte sie mir mit einer leichten Verbeugung. Die andere nahm sie für sich. Wir tranken schweigend, die Schälchen mit dem Tee drehend. Konzentrierte Ruhe, feierlicher Ernst, eine gewisse Andacht lag darüber.

Dann begann die Japanerin zu erzählen: In Berlin, wo ihr verstorbener Mann länger tätig war, lernte sie die deutsche Sprache. Jetzt besuche sie regelmäßig den Gottesdienst der kleinen evangelischen Gemeinde. Getauft sei sie nicht. Seit längerem denke sie darüber nach; so nehme sie seit 5 Jahren an der katechetischen Vorbereitung teil. Die Taufe sei ja das wichtigste Ereignis für uns Christen.

Davon sprach sie nun; das eben gehörte Zeugnis des Apostel Paulus auf seiner Missionsreise im Brief an die Gemeinde in Rom klang dabei mit: die Taufe nimmt uns in Gottes Liebesgeschichte, die sich in Jesus Christus zeigt. Gott handelt und macht die Taufe zur Quelle des Christseins und zum Tor des Lebens als Christen. Sie lässt teilhaben an dem, was Jesus Christus in seinem Sterben und Auferstehung für uns getan hat: Freiheit aus dem Riss und der Macht der Sünde und des Todes sowie Verheißung des neuen Lebens jetzt und in der Auferstehung zum ewigen Leben (Röm 6, 3 – 8). Ein wunderbares Geschenk, ein großer Schatz sei der christliche Glaube, die Begegnung und Gemeinschaft mit Jesus Christus. Und fast überschwänglich fährt sie fort: Ein indonesischer Christ war es, der ihr einmal die Taufe verdeutlicht habe: ein Durchqueren und Hindurch-getragen-werden durch einen Fluss vom zurück gelassenen Ufer zum neuen; ein Unter- und Auftauchen als Wiedergeboren-Werden (Tit 3, 5). Und sie erwähnt: Keine sich wiederholende Reinkarnation sei das; denn die  Gabe der Taufe ist einmalige Tat Gottes, wie Jesus Christus einmal und für immer für uns gestorben und auferstanden ist.

Ich hörte nur zu und stimmte dankbar bei.

III

Ich persönlich wurde am 31. 7. 1943 getauft und am 16. 3. 1958 konfirmiert. Es gab Zeiten – als junger Erwachsener – , da hatte ich mein Taufdatum fast vergessen, es trat zurück hinter dem mit Freunden gefeierten Geburtstag. Wichtig, eigentlich immer wichtiger wurde mir später, dass der Apostel Paulus die Taufe als „Zusammenwachsen“ (6, 5) und Hineinwachsen in die Gemeinschaft mit Jesus Christus bezeugt. Die Taufe erweist sich als Tür, als Anfang eines Weges. Der Täufling wird hineingenommen in ein Werden; auch der Glaube ist ja kein Zustand, sondern ein Werden mit Auf und Ab und Wachsen.

Die Zusage „Du bist getauft mit Wasser im Namen des dreieinen Gottes“ und die Antwort „Ich bin getauft auf den Namen Jesu Christi“ nimmt mich hinein in die Liebesgeschichte Gottes, die sich in Jesus Christus zeigt. So unser Gespräch im japanischen Kobe. Es ist ein Weg durch Anfechtung und Gewissheit, durch Schuld und Vergebung, ein Werden und Wachsen des Glaubens.

Die Gabe der Taufe wird da zur Aufgabe: „Werde, was du bist“. Und das Geschenk der Taufe wird erkennbar im Leben des Glaubenden. Immer wieder weist der Apostel Paulus in seinen Briefen darauf hin, so auch im Brief an die Gemeinde in Rom. M. Luther konnte in einer Taufpredigt rufen: „Man sihet´s am Leben, was wir von der Taufe halten“.  Das Geschenk der Taufe und das Leben aus der Taufe, das Geschenk des Glaubens und der Glaube als Lebensvollzug gehören zusammen auf den Auferstehungswegen des Christen. Die geschenkte Liebe Gottes wird weitergegeben durch Wort und Tat an den nahen und fernen Nächsten.

Als Tauf-, Glaubens- und Liebesgemeinschaft ist die Gemeinde in die Sendung Gottes hineingenommen. In den Monaten eingrenzender Pandemie erfuhren wir in Telefonaten und Skype- oder Zoom-Gesprächen die Bedeutung der Gemeinschaft der Gemeinde, das Mit- und Füreinander der Gemeinde. Und das geht noch weit über die Gemeinde hinaus.

Paulus wusste sich auf seinen Missionsreisen in die Liebesgeschichte Gottes berufen. Wenn gegenwärtig die Mission lediglich als Instrument des westlichen Kolonialismus gedeutet wird, so heißt es – bei aller Selbstkritik – auch „mutig und keck“ (M. Luther) zu widersprechen. Ja, es gab nicht  zu akzeptierende, scharf abzulehnende Verquickungen. Doch es gibt auch viel Dank gerade aus den Missionskirchen für das verkündigte Evangelium, für die Bibel in einheimischer Sprache, für wirkkräftige Methoden in der Landwirtschaft, für medizinische Versorgung und Schulbildung, besonders auch für Mädchen.

Die Taufe weitet – gerade angesichts all der gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen – den Blick über den Tellerrand der eigenen Gemeinde. Die Taufe öffnet den Blick für die Verbundenheit mit den Gemeinden der Partnerkirchen, etwa in Ghana und Südafrika,  für die weltweite Christenheit, für die verschiedenen Gaben und Aufgaben.

Das Leben aus dem Geschenk der Taufe wird so zum wechselseitigen Geben und Weitergeben.

IV

Wir alle in ökumenischer Verbundenheit leben aus dem, was Jesus Christus in seinem Sterben und Auferstehen für uns getan hat und in der Taufe uns schenkt; wir alle leben im „Zusammenwachsen“ und Hineinwachsen in die Gemeinschaft mit Jesus Christus und miteinander. Die Taufe ist keine Privatangelegenheit; sie gliedert ein in die örtliche und in die weltweite Gemeinde Jesu Christi. Sie ist Tür zum Lebens als Christ in der Gemeinde.

Für die Ortsgemeinde wird jede Taufe ein Fest. Bei uns in Deutschland ist der Getaufte Mitglied der Ortsgemeinde und der einzelnen Kirche. Die Gemeinschaft der Getauften geht aber noch über die der Mitglieder der einzelnen Kirchen hinaus. Die Taufe  öffnet grenzüberschreitend  die Verbundenheit der unterschiedlichen Kirchen in der universalen Kirche Jesu Christi. Weil die Taufe in allen Kirchen sich als Gnadengabe des dreieinen Gottes erweist, sind die christlichen Kirchen durch die Taufe miteinander verbunden. Als Geschenk der Liebe Gottes. In Jesus Christus ist die Taufe Quelle ökumenischer Gemeinschaft und Zeichen und Merkmal der Christen in und vor der Welt. Ja, viel weiter ist sie als institutionelle Grenzen und unterscheidende Lehren.

Die Taufe ermöglicht und ermächtigt Gemeinschaft im Gottesdienst und Gebet, in Bibelstudium und christlicher Unterweisung, in diakonischer und karitativer Fürsorge für Kranke und Marginalisierte, im Mitwirken in Bildung und Kultur, in der gesellschaftlichen Verantwortung für Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Die Taufe verbindet Gemeinden und Kirchen weltweit. Diese ökumenische Weite repräsentiert der Apostel Paulus in seinen Missionsreisen bis an die Ende der damals bekannten Welt.

Das persönliche Gespräch bei der Teezeremonie in Kobe über die Taufe als Quelle und Tür des Christseins und Christwerdens wurde mir persönlich zu einer Vergewisserung: Taufe als Zusammenwachsen mit Jesus Christus und Hineinwachsen in den Leib Christi, in die ökumenisch verbundenen Kirchen heute.

Übrigens, wie mir ein japanischer Freund einige Zeit später mitteilte, wurde diese Frau einige Monate später in Kobe getauft „im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“, „ auf den Namen Jesu Christi“.

Amen.


Eingangsgebet:

Dreieiner Gott, Du, der über uns ist, Du der einer von uns ist, Du, der ist – auch in uns`. Bei Dir ist die Quelle des Lebens und in Deinem Licht sehen wir das Licht. Zu Dir kommen wir; wir bringen mit Freude und Gelingen, Angst und Klage. Sei Du uns jetzt nah, sprich zu uns Dein Wort der Verheißung, zünd an Dein Licht uns im Verstand. Amen

Fürbitten:

Dreieiner Gott, der Du das Geheimnis Deiner Liebe offenbart hast in Jesus Christus, wir danken, uns neu erinnernd und hoffend, für die Gabe unserer Taufe.

Wir bitten für die getauften Kinder und Konfirmanden unserer Gemeinde; stärke Glaube, Hoffnung und Liebe.

Wir bitten für die ökumenische Gemeinschaft hier bei uns, für unsere Partnerkirchen, für die weltweite Christenheit bei der Weltkirchenkonferenz Anfang September in Karlsruhe und gerade da, wo Christen es schwer haben, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu leben.

Hilf uns, an unserer je eigenen Stelle zu erzählen und zu leben, was uns der Glaube und die Taufe bedeutet. Stärke durch Deinen Ruf und Berufung die missionarische Freude hier bei uns und in der weiten Welt

Dir zu Lob und Preis. Amen.

Psalmvorschlag: Ps 121

Evangelium: Mt 28, 16 – 20

Lesung: Eph 4, 3 – 6

Liedvorschläge:  EG 210, 1 – 5 (Du hast mich, Herr, zu dir gerufen), 200, 1, 2, 4, 5 (Ich bin getauft auf deinen Namen), 593, 1, 2 (Geht hin, geht hin in alle Welt), NL 140, 1 – 4 (Gemeinsam auf dem Weg)


michael@plathow.de

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