Römer 8, 1-2.11

Römer 8, 1-2.11

Wo Christi Geist Platz greift | Pfingstsonntag | 05.06.2022 | Röm 8.1-2.11| Rudolf Rengstorf |

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.  Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

(Römer 8,1-2.11)

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“? Entschuldigung, lieber Paulus: Da ist verdammt vieles an  Verdammnis an  Christen und ihrer Kirche. In hellen Scharen  haben Menschen in den letzten Monaten die beiden großen Kirchen verlassen. Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat- wie sich viel zu spät herausstellte – an vielen Orten stattgefunden, ist verschleiert und verharmlost worden. Und das geht ja immer noch weiter. Die Empörung darüber ist nur allzu berechtigt, Verdammung und Veruteilung ist dringend geboten.

Da habt ihr Recht, würde Paulus antworten. Aber wer solche Abscheulichkeiten begeht, ist ja auch nicht in Christus Jesus. Der vergeht sich an seinen Geboten, die uns  die Wehrllosen und Schutzbedürftigen ans Herz legen.

Gut, Paulus, dann bleiben wir bei uns, die wir nach bestem Wissen und Gewissen uns an Jesus Christus zu halten versuchen. Da ist vielleicht  keine Verdammnis geboten. Aber überall  verlieren wir in unseren Gottesdiensten und unserem Gemeindeleben an Attraktivität. Selbst unsere Kinder und Enkel können ganz gut ohne Kirche. Wir werden immer weniger und älter. Und das tut weh.

In euren Gottesdienstes sieht das weithin so aus, würde Paulus wohl antworten. Doch der Geist Christi ist nicht nur hier zu Haue. Wenn ich schaue, was in  Kinderkrippen und Kindergärten, im Konfirmandenunterricht und auf Jugendfreizeiten, auch in manchen Schulen geschieht, entdecke ich vieles von dem Geist Jesu Christi. Genauso wie überall, wo um bedrohtes Leben gekämpft wird in  Kranknenhäusern und Pflegeheimen.

Das ist ein Geist, in dem die Menschen sich für einander öffnen. Er hält dazu an,, jede und jeden mit ihren eigenen Gaben und Fähigkeiten – so verborgen sie auch sein mögen – zur Geltung zu bringen. Dieser Geist fragt nicht: Was zeichnet dich aus? Welche  Leistungen hast du vorzuweisen? Worin bist du besser als andere? Er motiviert dazu, gemeinsam  etwas zustande zu bringen. Behinderte Menschen tut er nicht ab als minderwertig. Er betrchtet sie als andersartig begabte Gruppenmitglieder.

Normalerweise lassen Menschen sich davon  leiten. wie gut jemand aussieht, was er sich leisten kann, in welcher Gegend  er wohnt, wie gut er oder sie sich ausdrücken kann.  Mit Kräftemessen und Abschätzen machen sie das Leben eng und bedrängen einander. Viele drückt das nieder, macht sie verzagt und ängstlich. Damit stehehen sie – wie Paulus es nennt – unter dem Gesetz der Sün de. Vielleicht für uns verständlicher: Sie stehen unter dem Gesetz des Stärkeren. Dagegen steht der Geist Jesu auf. Davon macht er frei. Er  weckt Hilfsbereitschaft und Solidartität. Er schafft freien Raum für die Bedrängten. Er  schafft Selbstvertrauen unter Verzagten und Lebensfreude unter denen die sich schon aufgegeben haben. Wo er mitten unter uns zu wirken beginnt. da ist Pfingsten.!

Doch Paulus geht noch weiter. Es ist nicht nur das Gesetz der Sünde, das Gesetz des stärkeren, von dem der Geist Christi freimacht. Er befreit ebenso –so heißt es  bei ihm in einem Atemzug -vom Gesetz des Todes. Ich stutze. Anders als die Sünde bleibt der Tod auch unter dem vom Geist Jesu Erfassten unausweichlich. Der Tod ist und bleibt jedem von uns auf den Leib geschrieben. Allerdings kommt er erst am Ende des Lebens. Und doch kann er genau wie die Sünde  schon jetzt das Leben verdunkeln  und verderben. Weil wir rnicht wissen , wann und wie er kommt, verbreitet er mitten im Leben immer von neuem Angst und Schrecken. Er ist so bedrohlich, dass kaum jemand vom eigenen Tod oder vom Tod seiner Lieben zu sprechen, geschweige denn sich gewissenhaft vorzubereiten vermag. Und wenn er dann kommt, der Tod, sind die Menschen ihm hilf- und sprachlos ausgeliefert.

Der Geist Christi aber  befreit dazu, Sterbende begleiten zu können, Trauernden beizustehen und die eigene Angst  vor Gott auszusprechen. Ich erlebe ihn in der Behutsamkeit von Palliativstationen und Hospizen, in der Zuwendung von Rettungsdiensten und Notfallseelsorgern. Ich erlebe ihn bei Ärzten, die sich Zeit nehmen, ihre Patienten auf bedrohliche Diagnosen einzustellen. Ich erlebe ihn bei Krankenschwestern und Pflegekräften, die  todgeweihte Patienten mit ihrer Fröhlichkeit anstecken und ihren Lebensmut anfachen. Überall, wo dem Tod das Feld streietig gemacht und dem Leben gedient wird, ist Pfingsten!

 

Doch das ist noch nicht alles. Wenn der Tod nun wirklich da ist, ist Gottes Geist noch langet nicht am Ende. Im Gegenteil: „Wenn nun der Geist dessen, derJesus von den Toten auferweckt hat“, schreibt Paulus, „in euch wohnt, so wird er auch eure sterblichen Leiber lebendig machen.“

Der Geist Gottes ist alles andere als etwas Flüchtiges, Luftiges, Verwehendes. Es ist die Macht, die Jesus aus dem Tode herausgeholt hat. Eine Macht die Felsen, aber auch alle Vorstellung sprengt. Er, den man ans Kreuz genagelt und in einem Grab verschlossen hat,  Er, Jesus Christus, ist so lebendig, dass Menschen ihn in allen Teilen der Welt vor Augen und im Herzen haben, sich von ihm ansprechen und in die Pflicht nehmen lassen. Diese Macht, der Geist unbändigen und unbesiegbaren Lebens, steckt mit drin in unseren zaghaften Glaubensversuchen und wird uns festhalten, bis er ein Ende gemacht hat mit dem Todesspuk in dieser Welt, bis er Sie und mich herausholt aus dem Aus  des Todes, damit wir Anteil haben an der Welt Gottes, in der es vorbei ist mit diesem elenden Gegensatz von Glauben und Sehen, von Gottes Güte und menschlichem Leiden, von Wollen des Guten und Tun des Bösen.

Das ist die Perspektive, unter der wir leben. Und das bleibt die Aufgabe der Kirche, mag sie auch noch so kümmerlich und überholt erscheinen, dem Kommenden das Wort zu reden und damit zu zeigen,

wes Geistes Kinder wir sind. Amen.

de_DEDeutsch