Sag uns, wo’s lang geht!

Sag uns, wo’s lang geht!

 

Predigt zu Deuteronomium 30,11–14| verfasst von Thomas Bautz|

 

Liebe Gemeinde!

Braucht der Mensch – benötigen wir – eine höhere Instanz, die uns sagt oder zeigt, „wo’s lang geht? Es scheint, dass ein Rechtssystem ursprünglich von den Göttern stammen muss. Für die Babylonier waren ihre Gesetze göttlichen Ursprungs (Codex Hammurapi). Obwohl das Rechtssystem auf Geheiß Hammurapis aufgezeichnet wurde, wird die Gesetzessammlung auf die Götter zurückgeführt, denn sie haben ihn berufen, um Gerechtigkeit sichtbar zu machen, Ruchlose und Böse zu vernichten, „vom Starken den Schwachen nicht entrechten zu lassen“[1] – „to stop the mighty exploiting the weak …, to improve the welfare of my people.“[2] Hammurapi, ein aufrichtiger, gottesfürchtiger Fürst, regierte als 6. König der ersten Dynastie von Babylonien (1792–1750 v.d.Z.) als König von Sumer und Akkad.

Auch für die alten Griechen ist der Nomos (das Gesetz) göttlich. Für die großen Epiker Homer (8./7. Jh. v.d.Z.) und Hesiod (vor 700 v.d.Z.) sind Dichtkunst, Philosophie und Gesetze göttlichen Ursprungs.  Die für das individuelle und das gesellschaftliche Leben grundlegenden Wegweisungen und Regeln sind ein Geschenk der Götter, auch wenn sie sich allmählich mit natürlichen Eigenschaften des Menschen decken. Es bedarf einer Ordnung schaffenden Autorität. Diese manifestiert sich in Homer und Hesiod. Es ist Homers Dichtung, die in Freiheit und Form, Spontanität und Gestalt die geistige Einheit der Griechen geschaffen und erhalten hat. Grieche sein hieß gebildet sein, Basis der Bildung war Homer. Die Meinung teilt noch Platon (Politeia 10, 606 e), der zwar am Wahrheitsgehalt der homerischen Epen, nicht aber an Homers umfassender Bildung und Autorität als Dichter zweifelt.

Sieht man die Bedeutung des ius divinum für das Rechtssystem insgesamt und als Gegenüber zum Naturrecht im Alten Orient wie im Alten Griechenland relativ gelassen und rational an, ergeben sich für die göttliche Entstehung der Tora mit der Gestalt des Mose als Empfänger und Tradent historisch enorme Probleme. Neuere Untersuchungen datieren jede ausgestaltete Moseerzählung eher ins 8. Jh. v. d.Z. Es ergibt sich eine erhebliche zeitliche Differenz zu den berichteten, erzählten „Ereignissen“, für deren Überbrückung man kaum noch eine mündliche und schriftliche Überlieferungsgeschichte zu rekonstruieren vermag.[3] Man kann aber über Jahrhunderte hinweg beobachten, dass der Mose, wie er in der hebräischen Bibel dargestellt wird, den historischen Mose bei weitem dominiert.

Vielleicht hat sich gerade wegen historischer Unsicherheiten ein Mose als Symbolgestalt entwickelt, woraus dann eben auch die Tora in ihrer nicht zu überbietenden Bedeutung hervorgegangen ist. Für das Judentum sind die göttlichen Weisungen, Gebote, Regeln, Gesetze mehr als ein Rechtssystem. Die Tora bedeutet elementare Weisung, ja, das Leben selbst. Es mag vielleicht kaum eine Religion und Kultur geben, die bis in unsere Zeit derart untrennbar mit ihrem  Recht verbunden ist, wie es in Israel der Fall ist. Die Tora dient als Gotteslehre der Aufrechterhaltung des Bundes mit JHWH und wird mit der Weisheit identifiziert, die dem Menschen als Geschöpf geschenkt ist.[4]

Die Tora ist „Identitätszentrum“ nicht nur des antiken Judentums, sondern auch des modernen. Das Judentum ist keine „Gesetzesreligion“ oder gar eine „Religion der Werkgerechtigkeit“.[5] Die Tora ist die ganze „Bandbreite“ der biblischen Gesetze, die „Summe aller Gebote“. Wenn man sie sein Leben lang studiert, festigen sie den Bund mit Gott.[6] Das Torastudium bereitet nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch Freude und regt den Geist an. Den Schülern stehen die rechtlichen Auslegungen der schriftlichen Tora außerdem zur Verfügung; darin spiegeln sich die unterschiedlichen Meinungen der Rabbiner, Weisen und Gelehrten wider. Historisch ist die Halacha ein Teil des Talmuds. Sie gehört zur so genannten mündlichen Überlieferung. „Halacha“ ist ableitbar vom hebräischen Verb „halach“ und bedeutet „gehen“; man kann also lernen, „wo’s lang geht“!

Im Laufe der Entwicklung meinte „Tora“ lediglich eine „Einzelweisung“, bis daraus die Bezeichnung für die „gesamte Willensoffenbarung Jahwes an Israel“ wurde, „trotz ihrer vielfältigen Inhalte als eine Einheit verstanden. (…) als etwas Unteilbares und Ganzes gesehen“, alle Teile einander zugeordnet.[7] Das Deuteronomium hat das israelitische Kultwesen theologisiert, weil sich einzelne Kultübungen von „den kompliziert gewordenen politischen und wirtschaftlichen Lebensbereichen isoliert“ haben. Folglich wird nicht nur der ganze Kultbereich, sondern das gesamte private und öffentliche Leben  Israels „theologisch einheitlich“ umfasst. Dabei ist die „Jahweoffenbarung“ „so allgenügsam, daß sie Israel jedes Suchens, Fragens oder Zweifelns enthebt (Dt 30,11–14).“[8]

Inwiefern lässt sich das Leben mit der Tora und nach ihren Verordnungen mit Leichtigkeit verbinden, wenn wir als Nichtjuden (gojím) ihr Befolgen doch recht schwer finden? Das betrifft häufig bereits die Gesetze unseres Landes, die uns in der Regel wesentlich vertrauter sind. Wir befolgen sie, weil es uns abverlangt wird; weil sie nützlich sind; weil sie das Miteinander in fast allen Lebensbereichen regeln; weil wir teilweise durch Gesetze geschützt sind; weil wir auf ihrer Grundlage versuchen können, ggf. unser Recht einzuklagen. Wir haben also ein recht pragmatisches Verhältnis zur Gesetzgebung.

Auch die Haltung gegenüber der Tora beinhaltet einen gewissen Pragmatismus; es kommt aber im Wesentlichen noch hinzu, was dem Nichtjuden fremd ist: die Motivation besteht in der Liebe und Dankbarkeit gegenüber JHWH, dem sich die Geschichte Israels überhaupt erst verdankt. Die vielen Forderungen sind „Appelle zu einer tätigen Dankbarkeit und werden vom Dt als leicht erfüllbar angesehen.“ Man befolgt das Gebot als „Erwiderung der Israel zugewandten göttlichen Liebe.“ Mit der Tora „ist das Verhältnis zwischen Israel und Jahwe ganz klar geworden.“ Es wäre unsinnig, „wenn sich Israel diese Offenbarung wieder zum Problem werden ließe.“[9]

„Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu schwer (ungewöhnlich) für dich und ist nicht fern.“ „Ganz nahe ist dir das Wort, in deinem Munde und in deinem Herzen, es zu tun.“[10]

Leichtigkeit des Umgangs mit der Tora und die innere Verbundenheit mit ihr zeigt sich auch bei dem erst seit dem Mittelalter bestehenden Feiertag der „Simchat Tora“, Freude an der Tora, in diesem Jahr am 10./11. Oktober. Zusätzlich zum Vorlesen der Tora entstand der Brauch, in einer Prozession die Torarollen durch die Synagoge zu tragen. Seit der frühen Neuzeit wird dazu getanzt und gesungen, und die Prozessionen können entsprechend lange dauern. „Simchat Tora“ ist sehr beliebt bei Kindern, wird aber auch bei weniger religiösen Juden gern wahrgenommen.

Was den Gebrauch der Tora im privaten und öffentlichen Leben im Gegenüber zur Gesetzgebung des Staates Israel betrifft, also die Verbindung von religiösem und profanem Recht, dürfte das Verhältnis sicher eng mit der Tatsache verknüpft sein, dass in Israel keine Trennung zwischen Staat und Religion besteht, wodurch häufig Kontroversen und Konflikte entstehen.

Der jüdische Staat ist im Grunde ein Staat des jüdischen Volkes, ein Nationalstaat, aber religiöse Aspekte sind zweifellos auch ein Teil dieser Definition. Religiöse Institutionen wie Oberrabinat, die Lokalrabbinate, die religiösen Räte, das religiös-staatliche Schulsystem sind Staatsorgane. Wichtige Lebensbereiche (Heirat, Scheidung, Friedhofspflege) werden von religiösen Institutionen verwaltet. Es gibt staatlich-religiöse Gesetze in gewissen Lebensbereichen, und das Staatsbudget finanziert die religiösen Institutionen und Dienste (z.B. Synagogen, Moscheen, staatliche und nicht-staatliche religiöse Schulen, Friedhöfe, religiöse Bäder). In Israel gibt es keine Staatskirche oder eine „offizielle“ Religion wie in England oder Norwegen, aber die jüdische Religion hat doch im rechtlichen und symbolischen Sinne eine Dominanz gegenüber anderen Religionen wie Islam und Christentum.[11]

Wahrscheinlich verweist das Neben- und Miteinander von religiösen und profanen Gesetzen (ius divinum und ius naturale) auf Möglichkeiten fruchtbarer Anwendung für die Bürgergemeinschaft.

Verschiedene Auffassungen von Naturrecht werden bei Platon heftig diskutiert. Im fiktiven Dialog und längstem Spätwerk: Nomoi (Gesetze) reflektiert man die bestmögliche Staatsform und welche Gesetzgebung nötig sei, um die Gemeinschaft der Bürger zu regeln und ihnen die günstigsten Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Dazu verleiht man der Tugend (areté) der Bürger als oberstes Staatsziel Priorität.[12] Bei allem Disputieren flackert aber mitunter die Einsicht auf, dass der Mensch doch von (einem) Gott abhängig bliebe.[13]

Gotthold Ephraim Lessing hat in der kurzen Abhandlung Von der Erziehung des Menschengeschlechts argumentiert, der Mensch hätte sich auch ohne Religion zum ethisch und moralisch verantwortlichen Wesen entwickelt. Aber die Religion sei eben historisch früher dagewesen:

„Also gibt auch die Offenbarung dem Menschengeschlecht nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und gibt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher.“[14]

Dieser Gedanke ist nicht ganz so spekulativ, wie er anmutet; das erkennt man am Umkehrschluss: Trotz Religion entwickeln sich Menschen nicht konsequent oder zufriedenstellend dahingehend, dass sie keiner Gesetze bedürfen, seien sie nun religiösen Ursprungs oder seien sie von vornherein profan. In Demokratien sind alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens durch Gesetze geregelt, man versucht es zumindest. Denn gesetzlichen Vorschriften kann man zuwider handeln.

Ob wir nun davon ausgehen, dass ein Rechtssystem göttlichen Ursprungs ist (ius divinum), oder ob wir vorauszusetzen, dass Gesetze für die Gemeinschaft und für das private Leben durch die Natur des Menschen begründet werden können und müssen (Naturrecht, ius naturale), wir sind genötigt, die Notwendigkeit des Rechtes anzuerkennen. Der Charakter des Naturrechts muss nicht zwangsläufig einen Bezug auf eine göttliche Dimension („Gott“) ausschließen. Davon zeugt die Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und Menschen … hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Überwiegend wird der Gottesbezug als Ausdruck der Demut interpretiert. Die Präambel und das Grundgesetz selbst wurden vom Parlamentarischen Rat 1948/49 unter dem Eindruck der Herrschaft der Nationalsozialisten ausgearbeitet. Dem Parlamentarischen Rat erschien es ratsam, die Abkehr von totalitären Staatsformen, die die staatliche Macht als „absolut“ betrachten und als Selbstzweck begreifen, hervorzuheben. Dies wird durch eine Bezugnahme auf etwas, das über dem Staat und den Menschen steht, erreicht; daher der Begriff „Gott“. Zugleich soll der Gottesbezug betonen, dass die staatliche Ordnung von Menschen gemacht ist und daher nicht perfekt, sondern für Fehler anfällig ist. Insgesamt soll die Begrenztheit menschlichen Tuns verdeutlicht werden.

Es herrscht Einigkeit, dass aus dem Gottesbezug kein christlicher Staat und kein staatliches Ziel zur Durchsetzung christlicher Lehren folgen. Wird dieses offene Verständnis des Gottesbezugs zugrunde gelegt, besteht daher kein Widerspruch zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG.

Gesetze machen keine besseren Menschen, aber sie bieten die Möglichkeit, das Recht einzuklagen; leider bleibt das häufig reine Theorie: Recht haben, ist eine Sache – Recht bekommen, eine andere! Diese Aussage wird als allgemeine Erfahrung, mitunter gar als dubiose Lebensweisheit gehandelt, ein Satz, der nicht nur dem Munde einfacher Bürger entfährt, sondern durchaus auch Polizisten, denn Organe der Exekutive sind ähnlich enttäuscht und fassungslos, wenn z.B. Teile der Verfassung immer wieder mit Füßen getreten werden. Dennoch dienen Gesetze der Orientierung und setzen Grenzen.

Gesetze werden ausgehebelt, unwirksam, fragwürdig, wenn ihre praktische Anwendbarkeit vom Kapital gewisser Beschuldigter de facto abhängig ist. Ungleichbehandlung führt zu Frustrationen, dem Gefühl und Wissen von Ungerechtigkeit. Gesetze werden auch missbraucht, indem sie einseitig durch Parteinahme ausgelegt und zugunsten einer Partei angewandt werden. Die Gesetzgebung deckt sich häufig nicht mit der Rechtspraxis und Rechtsprechung.[15]

Das Rechtssystem ist in sich schon überlastet, weil man für alles und jedes eine gesetzliche Regelung haben will; so hat sich ein Dschungel von Verordnungen, Vorschriften, Regeln entwickelt, die zudem noch auslegungsbedürftig sind. Kommt es zum Rechtsstreit, zeigt die unterschiedliche Argumentation der anwaltlichen Vertretung, wie kompliziert die Gesetzeslage in schwierigen Fällen sein kann. Das bestätigen faktisch Berufungsverfahren oder gar der Rechtsweg durch mehrere Instanzen. Es ist auch auffällig, dass das Bundesverfassungsgericht immer mehr beansprucht wird, dass den Richtern dieses obersten Gremiums bei ihrer Rechtsprechung enorme Entscheidungen abverlangt werden. Scheint diese Veränderung die Komplexität und Kompliziertheit unseres Rechtssystems widerzuspiegeln, oder hat das Vertrauen vieler Bürger in die Gesetzgebung nachgelassen – oder beides?

Betrachten wir die Bedeutung der Tora und fragen nach ihrer Erfüllbarkeit. Die Nähe des Wortes (der Tora) „in deinem Munde und Herzen“ (Dtn 30,14) verweist weniger auf die Komplexität des Rechts, sondern eher auf seine grundlegende Absicht, Israels ganze Identität zu umspannen. Deshalb kann Mose geradezu versichern: die Tora ist nicht unausführbar und nicht unerreichbar. Bei Fehlschlägen oder Verfehlungen werden diese fast ausnahmslos auf Israels Unfähigkeit zurückgeführt, denn die Tora und damit JHWH selbst sind präsent und haben Israel ermächtigt, das Recht umzusetzen in die Praxis, in die jeweilige Lebenssituation.[16]

Die Lebenswirklichkeit in politischer, wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht ist aber häufig derart übermächtig, dass sie das Handeln (Tun) im Sinne der Tora erschweren, manchmal gar verhindern. Dann werden Menschen aufgerieben zwischen Sollen, Wollen und Können. Da ist eine kasuistische Ethik verfehlt, die meint, für jeden Fall (Kasus) das richtige Handeln festlegen zu können. Es bedarf einer Konfliktethik und Verantwortungsethik, um in Krisensituationen und eskalierender Gewalt zu versuchen, einigermaßen angemessen zu agieren. Faktisch stoßen Menschen dann an ihre Grenzen, besonders wenn sie mit völlig sinnloser Gewalt und Zerstörung konfrontiert werden und erleben müssen, wie Menschenrechte zertreten werden: Soldaten und Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder – abgeschlachtet, gefoltert, beliebig erschossen.

Solch ein Wahnsinn tobt in vielen Ländern, und keine Gesetze werden dem Herr. Erschreckend ist, dass Länder der UN oder der EU erst dann Soldaten zur Hilfe entsenden, wenn bereits Tausende im Krisengebiet ermordet wurden. Das lässt sich mehrfach belegen. Die UN-Charta ist in dieser Hinsicht eine Farce, weil sie nicht erfüllt, was sie zu garantieren vorgibt, z.B. die Einhaltung oder das Einklagen der Menschenrechte. Außerdem hebelt sie die Handlungsfähigkeit des UNO-Sicherheitsrates aus, indem sie es durch Vetorecht und durch Berufung auf die Klausel der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates mächtigen Nationen ermöglicht, hilfreiche Resolutionen zu blockieren.

Die Ursachen für all das Unrecht, die Menschenverachtung und Unmenschlichkeit sind offenbar so komplex und ohne Kenntnis historischer Hintergründe sowie heutiger politischer, wirtschaftlicher Umstände nicht annähernd zu verstehen. Uns bleibt – nicht ohne Schaudern – die Dankbarkeit für Rechte, die uns das Grundgesetz garantiert, wofür man in gewissen Ländern bei Inanspruchnahme aber ins Gefängnis geht und einem Folter droht: z.B. Meinungs- und Pressefreiheit, Recht auf Leben, Freiheit der Person, Glaubensfreiheit, Demonstrationsrecht u.a.

Unser Grundgesetz in Deutschland stellt zwar ein Naturrecht dar, aber die Aufnahme „Gottes“ in die Präambel signalisiert doch, wie wir darlegten, die Anerkenntnis, dass es einen höheren Gesetzgeber gibt, von dem etwa die Torafrömmigkeit Israels zeugt. Das Grundgesetz hat nicht den Stellenwert der Tora, aber wir könnten lernen, unserem Gesetzeskorpus auch mit mehr Wertschätzung zu begegnen. Und möge uns offenbar werden, „wo’s jeweils lang geht“!

Amen.

Pfarrer Thomas Bautz

Bonn

E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

 

[1] Horst Klengel: König Hammurapi und der Alltag Babylons (1991): Die Gesetze Hammurapis (184–264): Prolog und Epilog, 189–192: 190; cf. (op.cit.): Einleitung (9–32): Hammurapi, der „Landesvater“, 11–13.

[2] M.E.J. Richardson: Hammurabi’s Laws. Text, Translation and Glossary (2000): Prologue, S. 28–41: 29–31.

[3] Jan Gertz: Mose (2008, 2017, 2020), bibelwissenschaft.de.

[4] Cf. Roland Gradwohl:  Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 3 (1988): Gottes Weisung ist nicht im Himmel (Dtn 30,11–14), S. 110–120: 115; Stefan Krauter: Gesetz / Tora (NT) (2013, 2017, 2018), bibelwissenschaft.de.

[5] Krauter: Gesetz / Tora (NT) (2013, 2017, 2018), bibelwissenschaft.de.

[6] Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 3 (1988): Gottes Weisung ist nicht im Himmel, 112–113.

[7] Gerhard von Rad: Theologie des Alten Testaments. Band 1: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels (8. Aufl. 1982): (IV.) Die Gottesoffenbarung am Sinai (5.) Das Deuteronomium, 232–244: 235; cf. Das Deuteronomium eingel., übers. u. erkl. v. Eduard König, Kommentar zum Alten Testament. Bd. III (1917): Denn diese Summe von Geboten („kollektiv“), die ich dir heute gebe, ist weder zu schwer für dich noch ist sie fern. A.D.H. Mayes: Deuteronomy. Based on the Revised Standard Version, New Century Bible Commentary (1979, 1981), 370.

[8] von Rad: Theologie des Alten Testaments. Bd. 1 (1982), 241.

[9] von Rad: Theologie des Alten Testaments. Bd. 1 (1982), 243–244.

[10] Cf. Gradwohl: Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen 3 (1988), 110; „zu schwer“ mag sich darauf beziehen, was menschliches Begreifen übersteigt, besonders das mächtige Handeln Gottes: Ryan O’Dowd: The Wisdom of Torah: Epistemology in Deuteronomy and the Wisdom Literature, FRLANT 225 (2009): (Ch. 5) Re-Actualization in Future Covenants (Dtn 27–34): (3.1.1) Human Responsibility and Divine Intervention in Dtn 30, S. 94–102: 98; Mayes: Deuteronomy. (1981), 370: In Dt 30,11 wird bestätigt, was schon gezeigt wurde: die Tora, wonach Israel leben soll und kann, weil JHWH sie ihr offenbart hat und sie dadurch leicht zugänglich ist. Cf. Peter C. Craige: The Book of Deuteronomy, The New International Commentary on the Old Testament (1976, 1989), 364 – 365: Dieses Gebot ist weder zu schwierig für dich, noch übersteigt es dein Begreifen (Verständnis; „grasp“).

[11] Cf. https://www.bpb.de/internationales/asien/israel/45108/staat-und-religion.

[12] Cf. https://de.wikipedia.org/wiki/Nomoi.

[13] Cf. Ottomar Wichmann: Platon. Ideelle Gesamtdarstellung und Studienwerk (1966): Die Gesetze (1.) Sinn und Bedeutung der Gesetzgebung, 536–546: 539 –540 u. passim.

[14] Gotthold Ephraim Lessing: Die Erziehung des Menschengeschlechts und andere Schriften, Reclam-Ausgabe (1980): Die Erziehung (…): § 4, S. 8; Textgrundlage: Lessings Werke. Vollständige Ausgabe (1925): Sechster Teil.

[15] Es gibt eine recht verbreitete Straftat, die einflussreiche und sogar angesehene Personen begehen, indem sie mit Beträgen bis in Millionenhöhe Steuern hinterziehen. Durch korruptionsanfällige Politiker wird der Steuerbetrug mitunter noch gedeckt. Einkommensteuererklärungen von Leuten, die ein geringes oder ein mittleres Einkommen haben und nicht alles korrekt deklariert haben, werden vom Finanzamt mit Akribie geprüft und erforderliche Nachzahlungen beim Steuerzahler gnadenlos eingetrieben. Wenn man eine hohe Rückzahlung nicht sofort leisten kann, muss man z.B. sein Auto verkaufen; eine Ratenzahlung ist einfach nicht vorgesehen. Andere Ungerechtigkeiten, Unstimmigkeiten und Widersprüche in der Rechtspraxis findet man z.B. im Immobilienrecht, Mietrecht, Arbeitsrecht, Verbraucherrecht usw. Der Leser wird selbst genügend Bespiele aus Erfahrung kennen.

 

[16] Cf. O’Dowd: The Wisdom of Torah: Epistemology in Deuteronomy and the Wisdom Literature (2009), 98–99.

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