Schluss mit Warten: …

Schluss mit Warten: …

Schluss mit Warten: Er ist da! | Predigt über den Pfingstbericht und die Pfingstpredigt des Petrus / Apostelgeschichte 2, 1-41 | verfasst von Benedict Schubert

 

Lektorin: 1 Als nun die Zeit erfüllt und der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren sie alle beisammen an einem Ort. 2 Da entstand auf einmal vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sassen; 3 und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jeden von ihnen liess eine sich nieder. 4 Und sie wurden alle erfüllt von heiligem Geist und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab.

5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun jenes Tosen entstand, strömte die Menge zusammen, und sie waren verstört, denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie waren fassungslos und sagten völlig verwundert: Sind das nicht alles Galiläer, die da reden? 8 Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache hört? 9 Parther und Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, von Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asia, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem kyrenischen Libyen, und in der Stadt weilende Römer, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir alle hören sie in unseren Sprachen von den grossen Taten Gottes reden.

12 Sie waren fassungslos, und ratlos fragte einer den andern: Was soll das bedeuten? 13 Andere aber spotteten und sagten: Die sind voll süssen Weins.

14 Petrus aber trat vor, zusammen mit den elfen, erhob seine Stimme und sprach:

Prediger: Halt, liebe Gemeinde, bevor wir Petrus zu Wort kommen lassen, halten wir einen Moment inne: Was ist nun eben passiert?

Als letztes Versprechen von Jesus an die Seinen bei seinem Abschied überliefert Lukas dies: Ihr werdet aber Kraft empfangen, wenn der heilige Geist über euch kommt, und ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samaria und bis an die Enden der Erde (Apg 1,8).

Und nun haben wir gehört, wie das geschehen ist. Offenbar ist etwas passiert, was auch die Möglichkeiten der Sprache sprengt: Ein Sturm und Feuerzungen auf jedem Kopf – wie sollen wir uns das vorstellen? Es klingt jedenfalls nicht nach klassisch reformiertem Gottesdienst, eher nach einer Art von kollektiver Ekstase.

Dazu will aber nicht recht passen, dass das Pfingstwunder parallel als Wunder von überraschend gelingender Verständigung beschrieben wird. Die vielen, die aus fremden Regionen mit fremden Sprachen kamen, verstehen alle, dass und wie die hingerissenen Jesusleute von den grossen Taten Gottes reden. Im Tosen des Geistbrauses hört die verstörte Menge die meist einfachen Frauen und Männer aus Galiläa nicht aramäisch, sondern in je ihren, teilweise exotischen Sprachen reden. Jede und jeder der Zuhörenden wird so und in der Sprache erreicht, die sie je am besten verstehen: In ihrer eigenen.

Und so geht das seit Pfingsten weiter: Die Jesusbewegung des Anfangs wurde zu einer Übersetzungsbewegung bis an die Enden der Erde. Überall haben Menschen von den grossen Taten des barmherzigen Gottes gehört.

Wände werden durchlässig. Mauern fallen in sich zusammen. Grenzen erweisen sich als lächerlich und unnötig. Gott kommt. Gott kommt an. Gott wirkt. Gott berührt, verändert, bewegt Menschen. Es wird, es ist Pfingsten!

Das deutet Petrus in seiner Predigt. Hören wir ihm zu – und ich nehme seine Fäden auf:

Lektor: Ihr Juden und all ihr Bewohner Jerusalems, dies sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! 15 Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist doch erst die dritte Stunde des Tages.

Prediger: Erst neun Uhr am Morgen? Das muss nicht heissen, dass nicht einige trotzdem schon Trost im Wein gesucht hätten. Viele leben schliesslich in prekären Verhältnissen, und die Jesusbewegung ist sehr verunsichert durch die Ereignisse der letzten Tage und Wochen. Sie müssen mit einer Situation umgehen, die es so noch nie gegeben hat. Ihr Meister wurde umgebracht, aber lebt doch. Er verschwand in den weiten Himmel und ist doch ganz nah. Da kann einer schon versucht sein sich zu betrinken; dann weiss er wenigstens, weshalb ihm schwindlig ist. Doch Du hast offenbar eine andere Erklärung, Petrus?

Lektor: 16 [Nein,] Ja, in der Tat: Hier geschieht, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist:

17 Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da werde ich von meinem Geist ausgiessen über alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Alten werden Träume träumen. 18 Und auch über meine Knechte und über meine Mägde werde ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgiessen, und sie werden weissagen.

19 Wunder oben am Himmel werde ich wirken und Zeichen unten auf Erden: Blut und Feuer und qualmenden Rauch. 20 Die Sonne wird Finsternis werden und der Mond Blut, ehe der grosse und herrliche Tag des Herrn kommt. 21 Und so wird es sein: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.

Prediger: Du zitierst einen alten Prophetentext und behauptest, der gehe jetzt in Erfüllung? Habe ich das so richtig verstanden? Wegen Pfingsten, an Pfingsten werden unsere Alten Träume haben. Sie sind nicht abgebrüht und lebensmüde. Sie haben nicht längst schon alles gesehen und wissen, was alles nichts mehr bringt, und dass früher alles besser war. Sie träumen wieder. Sie glauben, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist.

Die jungen Leute dagegen träumen nicht, sondern entwickeln eine Gesamtschau. Sie handeln nicht impulsiv, sie lassen sich nicht von ihren Gefühlen hinreissen, sondern sehen und respektieren Zusammenhänge. Söhne und Töchter sind Propheten und Prophetinnen: Gottes Geist schenkt ihnen die Klarheit, von der wir eigentlich meinten, nur durch reiche Lebenserfahrung könne sie gewonnen werden.

Und die Mägde und Knechte, die sonst immer schweigen und gehorchen müssen, kommen zu Wort. Man mag ihnen zwar andauernd sagen, sie hätten nichts zu sagen – doch jetzt haben sie das Entscheidende auszurichten. Wenn wir auf die hören, die ganz unten sind, werden wir verstehen, was Gott vorhat, was bei Gott geschieht, von dem wir denken, er sei irgendwo weit oben.

Das macht grossen Mut, Petrus, auch über die Jahrhunderte hinweg. Wir müssen derzeit Kirche, überhaupt das gesunde Leben wie neu erfinden – doch Pfingsten erschliesst uns ganz neue Ressourcen.

Dass Du allerdings dieses Fest des Lebens und der Verständigung als den Tag des Herrn deutest – das ist kühn. Der Prophet hat diesen Tag als grossen schrecklichen Tag angekündigt. Gott würde an diesem Tag mit eiserner Hand durchgreifen und alles vernichten, was ihm nicht passt. Doch Du ersetzt sein «schrecklich» durch Dein «herrlich, lichtvoll», weil Du erkennst: Gottes Klarheit ist nicht vernichtend, sie zerstört nicht. Gottes Gericht bringt zurecht. Sein Licht ist das Licht des Friedens. Wie kommst Du darauf?

Lektor: 22 Israeliten, hört diese Worte: Jesus von Nazaret, einen Mann, der sich vor euch als Gesandter Gottes ausgewiesen hat durch machtvolle Taten und Wunder und Zeichen, die Gott – wie ihr selbst wisst – mitten unter euch durch ihn getan hat, 23 ihn, der nach Gottes unumstösslichem Ratschluss und nach seiner Voraussicht preisgegeben werden sollte, habt ihr durch die Hand gesetzloser Menschen ans Kreuz geschlagen und getötet.

Prediger: Stopp! Hier muss ich diejenigen, die Dir heute zuhören, dringend vor etwas warnen. Du hast die Gemeinde als «Israeliten» angesprochen und ihnen vorgeworfen, sie hätten «…den Gesandten Gottes durch die Hand gesetzloser Menschen ans Kreuz geschlagen und getötet.» Aus diesem und anderen ähnlichen Sätzen im Neuen Testament haben verbrecherische Menschen später die Berechtigung abgeleitet, «die Juden» als Christusmörder zu bezeichnen, und wiederholt jüdische Frauen und Männer, Kinder und Alte zu misshandeln, zu verfolgen, zu ermorden.

Dabei sollten auch wir viel später Geborenen uns von Dir den Vorwurf zumindest als Frage gefallen lassen: Jesus von Nazaret hat die Wunder und Zeichen getan, an denen sich ablesen lässt, dass Gott in die Welt gekommen ist, um sie in Ordnung zu bringen. Doch sind wir nicht auch verstrickt, wenn nicht aktiv beteiligt an der Weltunordnung, in der Schwache ausgegrenzt, ihr Recht missachtet, und Ihnen erst noch Hilfe verweigert wird? Stehen wir mit Jesus auf für mehr Gerechtigkeit, stehen wir ein für mehr Frieden, geben wir uns hin für die Liebe? Bis heute wird Jesus tausendfach gekreuzigt; lassen wir nicht denen, die Du gesetzlose Menschen genannt hast, freie Hand?

Lektor: 24 Ihn hat Gott auferweckt und aus den Wehen des Todes befreit, denn dass er in dessen Gewalt bleiben könnte, war ja unmöglich. 25 David sagt nämlich von ihm:

Ich habe den Herrn allezeit vor Augen,
denn er ist zu meiner Rechten, dass ich nicht wanke.
26 Darum freut sich mein Herz, und meine Zunge jubelt,
mein ganzer Leib wird ruhen am Ort der Hoffnung.
27 Denn du wirst meine Seele nicht der Unterwelt überlassen
noch deinen Heiligen Verwesung schauen lassen.
28 Du hast mir kundgetan Wege des Lebens,
du wirst mich erfüllen mit Freude vor deinem Angesicht.

29 Brüder,

Prediger: Schwestern?… ok, predige weiter!

Lektor: zu euch kann ich ja offen reden über den Patriarchen David: Er starb, und er wurde begraben, und sein Grab ist da bei uns bis auf den heutigen Tag. 30 Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid zugesagt hatte, einer von seinen Nachkommen werde auf seinem Thron sitzen, 31 redete er vorausschauend von der Auferstehung des Christus, als er sagte, er sei nicht der Unterwelt überlassen worden und sein Fleisch habe die Verwesung nicht geschaut. 32 Diesen Jesus hat Gott zum Leben erweckt; dessen sind wir alle Zeugen. 33 Er ist nun zur Rechten Gottes erhöht und hat vom Vater die verheissene Gabe, den heiligen Geist, empfangen, den er jetzt ausgegossen hat, wie ihr seht und hört.

34 Denn nicht David ist in den Himmel hinaufgestiegen, vielmehr sagt er ja selber:
Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, 35 bis ich deine Feinde hingelegt habe als Schemel für deine Füsse.

Prediger: Es tut mir leid, Petrus, aber fast wäre bei mir der eigentliche Punkt, den Du gerade gemacht hast, untergegangen in einer Argumentation, die – entschuldige bitte! – für mich und vermutlich auch für unsere Gemeinde, nicht mehr überzeugend, ja überhaupt kaum mehr nachvollziehbar ist. Dass und wie Du den alten Psalm – wir haben ihn als Psalm 16 in unseren Bibeln – so direkt auf Jesus beziehst, kommt mir zumindest abenteuerlich vor. Dieser Gottesdienst ist nicht der richtige Moment dafür und Du bist hier ja auch bloss eine literarische Figur, und doch hätte ich Lust, mich mit dir darüber zu unterhalten, wie wir in verantwortlicher Weise Bibeltexte auf das beziehen, was wir im Moment erleben.

Aber das kann warten. Denn für unsere Gemeinde verstärken will ich, was ich als den Kern dessen gehört habe, was Du eben gesagt hast: Du hast uns zugesagt, dass Jesus nicht in der Gewalt des Todes geblieben, sondern von seinen Wehen befreit ist. Du hast uns zugesagt, dass der Windbraus und die Feuerzungen Zeichen dafür sind, dass die Weltunordnung in sich zusammengebrochen ist. Du hast uns zugerufen, dass Jesus eben nicht gescheitert ist, sondern gewonnen hat. Auch wir müssen also nicht damit leben oder daran zugrunde gehen, dass wir den gesetzlosen Menschen gewehrt zu wenig Widerstand entgegengesetzt haben, dass wir ihre Machenschaften zu wenig klar durchschaut haben. Wir mögen zu wenig geliebt haben – aber er hat so viel geliebt, dass es für die ganze Welt reicht. Davon kann einem allerdings schwindlig werden, und wir geraten ins Stammeln, weil dieses Wunder unsere Sprache tatsächlich sprengt…

Lektor: 36 Klar und deutlich erkenne also das ganze Haus Israel, dass Gott ihn zum Herrn und zum Gesalbten gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.

Und nicht nur das Haus Israel soll das erkennen – und hat es seither erkannt. Es mag einem unglaublich vorkommen, Zweifel schleichen sich immer wieder ein, die Argumentationen erweisen sich immer wieder als wenig tragfähig. Doch das kann es nicht verhindern: Bald als heftiges Begeisterung bald als ganz stille Gewissheit wirkt es der Pfingstgeist, diese versprochene und geschenkte Kraft aus der Höhe: Menschen erkennen Jesus als den, durch den Gott in die Welt kommt und in der Welt ist. Und wir gehen heiter und zuversichtlich auch durch diese seltsamen Zeiten, nehmen in allem und in allen wahr: Gott ist mit uns!

Amen.

***

Lektorin: 37 Als sie dies hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie fragten Petrus und die übrigen Apostel: Was sollen wir tun, Brüder? 38 Petrus sagte zu ihnen:

Lektor: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des heiligen Geistes empfangen. 39 Denn euch gilt die Verheissung und euren Kindern und allen in der Ferne, allen, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird.

Lektorin: 40 Und auf vielerlei Weise beschwor und ermahnte er sie:

Lektor: Lasst euch retten aus diesem verkehrten Geschlecht!

Lektorin: 41 Die nun sein Wort annahmen, liessen sich taufen. Und an jenem Tag wurden ungefähr dreitausend Menschen der Gemeinde zugeführt.

 

 

 

 

Pfr. Dr. Benedict Schubert, geb. 1957, reformierter Pfarrer an der Peterskirche in Basel nach mehreren Jahren im Dienst der evangelisch-reformierten Kirche in Angola und bei mission 21 – evangelisches missionswerk basel, sowie Lehrauftrag im Fach aussereuropäisches Christentum an der Universität Basel; mit seiner Frau zusammen leitet er das «Theologische Alumneum», ein Wohnheim für Studierende aller Fakultäten.

Basel

benedict.schubert@erk-bs.ch

 

 

 

Eigentlich hätten die Behörden es erlaubt, den Pfingstgottesdienst wieder live zu feiern. Doch die Vorgaben waren so streng, dass wir uns als Pfarrteam der grossen Kirchgemeinde Basel West Zeit nehmen wollten, um uns zu überlegen, wie wir unter diesen Bedingungen etwas feiern könnten, was wir theologisch als Gottesdienst bezeichnen können. Es ist beispielsweise verboten, Gemeindelieder zu singen…

Wir haben deshalb entschieden, den Gottesdienst noch einmal digital zu feiern: Er wird in der Woche vorher einmal aufgezeichnet, am Pfingstsonntag um 10h mit Youtube Première gesendet, um dann eine Zeit lang abrufbar zu bleiben.

 

Die Perikopenordnung legt uns den Pfingstbericht und den Anfang der Pfingstpredigt als Predigttext vor. Mir ist bewusst geworden, dass ich die Pfingstpredigt des Petrus regelmässig überlesen habe, und ich wusste auch nicht, was ich mit diesem Torso der Petruspredigt anfangen sollte. Deshalb entschied ich mich, der Gemeinde die ganze Predigt des Petrus vorzulegen und auch zuzumuten. Dazu musste ich aber eine besondere Form wählen, die ich der Gemeinde nach der Eröffnung des Gottesdienstes so vorgestellt und begründet habe:

 

Damit Ihr versteht, was wir heute vorhaben, muss ich wieder einmal etwas erzählen, was mir vor Jahren in Angola passiert ist. Ich predigte dort immer auf Portugiesisch, wurde aber in der Regel Satz für Satz ins Kikongo übersetzt. Viele der aus dem Norden Geflüchteten konnten kaum Portugiesisch, und ich war meinerseits beim Kikongo Lernen gestrandet. An eine Predigt erinnere ich mich besonders gut, weil mein Übersetzer aus meinen kurzen Sätzen jeweils ziemlich lange Abschnitte machte. Soviel Kikongo verstand ich schon, dass ich hörte: Er liess sich von meinen Worten zu etlichen eigenen Gedanken anregen. Ich unterbrach deshalb an einem Punkt und fragte, ob er eigentlich lieber selbst predigen wolle – worauf er sich dann darauf beschränkte, wirklich nur zu übersetzen.

Hinterher bin ich nicht sicher, ob ich ihn nicht doch lieber hätte so weitermachen lassen, wie er angefangen hatte. Vielleicht hatte er mir ja einen guten Dienst tun wollen. Auch nach Jahren in Angola war ich schliesslich ein Fremder geblieben, lebte und dachte in anderen Mustern als meine angolanischen Geschwister. Vielleicht versuchte mein Übersetzer ja bloss, das, was ich sagte, der Gemeinde verständlicher zu machen?

Die Geschichte aus Angola ist mir bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes in den Sinn gekommen. Ich will nämlich heute das tun, was mein angolanischer Übersetzer tat: Petrus hielt zu Pfingsten eine Predigt, die bei den damals Zuhörenden mächtig einfuhr. Doch es ist eine Predigt aus einer fremden Welt und Zeit. Damit wir sie verstehen, braucht es mehr als bloss die Übersetzung, die in unserem Fall die Neue Zürcher Bibel ja auf sehr sorgfältige Weise gemacht hat.

Ich wollte deshalb zunächst eine Dialogpredigt mit dem Apostel halten, wie ich das ja wiederholt mit Kolleginnen und Kollegen tue. Das Problem ist allerdings, dass Petrus in der Apostelgeschichte zwar spricht. Doch er kann mir nicht zuhören und nicht eingehen auf das, was ich sage. Der Dialog wird also etwas schief; ich kann nicht wirklich mit ihm reden, sondern werde ihn eher kommentieren wie mich vor Jahren mein angolanischer Kollege. Dabei werde ich ganz sicher etwas anderes hören als die Pfingstbegeisterten damals in Jerusalem. Und möglicherweise würde Petrus beim einen oder anderen protestieren. Aber so ist die Übungsanlage bei biblischen Texten ja ohnehin: Sie können uns zwar nicht zuhören, aber sich auch nicht gegen das wehren, was wir mit ihnen machen.

Ich kann mir das an Pfingsten erlauben – weil wir heute schliesslich feiern, dass Gott die Kraft aus der Höhe schickt, die es uns möglich macht, einander zu verstehen.

 

Diese Erläuterung gebe ich, nachdem wir die ersten vier Strophen des Hymnus Veni Creator Spiritus in der Fassung von Markus Jenny gesungen haben (RG 500 – EG 126 bietet die Übertragung Luthers des Hymnus).

Zwischen Strophen drei und vier betet der Lektor den Hymnus in der Übertragung von Huub Osterhuis, die ich einmal irgendwo abgeschrieben habe. (Diese Version findet sich mehrmals im Netz, aber immer ohne Quellenangabe…):

Hierher, Atem, zünd mich an,
schick aus deiner fernsten Ferne
Wellen Lichts.

Komm Armeleutevater,
komm oberster Mundschenk
komm Herzensjäger.

Bester Tränentrockner
liebster Seelengast
mein Freund mein Schatten

Einmal ausruhen
für Grübler und Geschundene,
du, Atempause den Verkrampften.

Unerträglich schönes Licht
überschütte den Abgrund
meines Herzens, du Vertrauter.

Gott bist du und ohne dich
ist alles Nacht und Nebel,
Qual und Schuld,

du aber machst rein.
Meine Blüte welkt – gib Wasser,
salbe meine Wunden.

Steif steh ich da, Eintritt verboten,
gefroren. Tau mich sorgsam auf.
such mich Verirrten.

Ja sag ich dir, nein tu ich dir.
Vergilt den Zweifel mit Freundschaft
siebenmal tausendmal.

Nichts bin ich ohne dich.
Tot will ich zu dir hin.
Und ich werde lachen.

 

Im Anschluss an das Amen der Predigt folgt ein musikalisches Intermezzo, erst dann werden von Lektorin und Lektor kommentarlos die abschliessenden Verse 37-41 gelesen, auf die die Gemeinde antwortet mit den beiden Strophen der alternativen Fassung von «O Heiliger Geist, o Heiliger Gott» (RG 507, Text von Abraham Emanuel Fröhlich, 1844; im EG findet sich bei 131 nur der Text von Johannes Niedling[?] von 1651):

  1. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,/ du Leben, das die Welt durchwallt,/ du Feuer, das die Welt durchstrahlt,/ du Wort, das alle Welt durchhallt:/ O Heiliger Geist, o heiliger Gott.
  2. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,/ wo du nicht bist, wohnt Leben nicht./ Erfüll uns du mit deinem Licht,/ mit Liebesglut und Zuversicht:/ O Heiliger Geist, o heiliger Gott.

 

Die Abendmahlsliturgie folgt ausgewählten Strophen von Paul Gerhardts Pfingstlied «Zieh ein zu meinen Toren» (RG 508 / EG 133). Es folgen dann die Mitteilungen, die letzte Strophe des Lieds, Sendung und Segen.

 

1. Zieh ein zu meinen Toren,/ sei meines Herzens Gast,/ der du, da ich geboren,/ mich neu geboren hast,/ o hoch geliebter Geist/ des Vaters und des Sohnes,/ mit beiden gleichen Thrones,/ mit beiden gleich gepreist.

Einleitung

Jede und jeder wird so angenommen und ernst genommen, wie sie sind. Die Feuerzungen des Geistes lassen sich nicht bloss auf denen nieder, die sich durch irgendetwas auszeichnen: Allen, die darauf warten, ist diese Kraft aus der Höhe versprochen, allen wird sie geschenkt. Und es entsteht eine lebendige, farbige Gemeinschaft.

Das feiern wir, wenn wir uns – und sei es auch bloss virtuell – um Jesus sammeln, der seine Gaben austeilt: Das tägliche Brot, damit wir uns all dem stellen können, was auf uns zukommt. Und vom Wein, der unser Leben in eine Fest verwandelt, unser Herz tanzen lässt.

Wir haben vorbereitet, was die brauchen, die hier sind. Ihr vor dem Bildschirm, geht und holt Euch dann während der Austeilung ein Stück Brot und einen Becher mit Wein oder Saft. Vertraut darauf: Der Pfingstgeist lässt Wirklichkeit werden, was wir glauben und bekennen.

Gebet

Zieh ein bei uns, Du Atem Gottes,
erfülle uns mit so viel Vertrauen,
dass wir wissen:
Wir sind nicht voneinander getrennt
und erst recht nicht von Dir,
der Quelle des Lebens.
Was Jesus angefangen hat,
geht in uns und mit uns weiter.

2. Zieh ein, lass mich empfinden/ und schmecken deine Kraft,/ die Kraft, die uns von Sünden/ Hilf und Errettung schafft./ Entsünd’ge meinen Sinn,/ dass ich mit reinem Geiste/ dir Ehr und Dienste leiste,/ die ich dir schuldig bin.

Einsetzungsworte

3. Du bist ein Geist, der lehret,/ wie man recht beten soll;/ dein Beten wird erhöret,/ dein Singen klinget wohl./ Es steigt zum Himmel an;/ es lässt nicht ab und steiget,/ bis der zu uns sich neiget,/ der allen helfen kann.

Unser Vater

4. Du bist ein Geist der Freuden,/ vom Trauern hältst du nichts,/ erleuchtest uns im Leiden/ mit deines Trostes Licht./ Ach ja, wie manches Mal/ hast du mit süssen Worten/ mir aufgetan die Pforten/ zum güldnen Freudensaal.

Brot- und Kelchwort

Seht, was Ihr seid,
werdet, was Ihr empfangt:
Leib Christi.

Trinkt aus dem Becher,
wisst Ihr seid frei.
Lebt in der Liebe.

5. Du bist ein Geist der Liebe,/ ein Freund der Freundlichkeit,/ willst nicht, dass uns betrübe/ Zorn, Zank, Hass, Neid und Streit./ Der Feindschaft Feind du bist,/ willst, dass durch Liebesflammen/ sich wieder tu zusammen,/ was voller Zwietracht ist.

Austeilung (dazu Musik)

Dankgebet

Danket dem Herrn,
denn er ist sehr freundlich
und seine Güte währet ewiglich
und seine Wahrheit für und für.

6. Du, Herr, hast selbst in Händen/ die ganze weite Welt,/ kannst Menschenherzen wenden,/ wie dir es wohlgefällt;/ so gib doch deine Gnad/ zu Fried und Liebesbanden,/ verknüpf in allen Landen,/ was sich getrennet hat.

de_DEDeutsch