Vergebung: …

Vergebung:  …

Vergebung: Gott will, dass wir leben (können) | Predigt für den Aschermittwoch, 17. 2. 2021 | Psalm 51, 1-14 | von Winfried Klotz |

Psalm 51 (Zürcher Bibel)

Für den Chormeister. Ein Psalm Davids, 2 als der Prophet Natan zu ihm kam, nachdem er zu Batseba gegangen war. 2Sam 11,1-12,25

3 Sei mir gnädig, Gott, nach deiner Güte, nach dem Maß deines Erbarmens tilge meine Freveltaten. Lk 18,13

4 Wasche mich rein von meiner Schuld, und reinige mich von meiner Sünde.

5 Denn meine Freveltaten kenne ich wohl, und immer steht meine Sünde mir vor Augen. Jes 59,12

6 An dir allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was dir missfällt; so bist du gerecht in deinem Spruch, rein stehst du da, wenn du richtest. 33,4 · Röm 3,4

7 Sieh, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.

8 Sieh, an Wahrheit hast du Gefallen, tief im Verborgenen, und im Geheimen tust du mir Weisheit kund.

9 Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein, wasche mich, und ich werde weißer als Schnee. Num 19,18 · Jes 1,18

10 Lass mich Freude und Wonne hören, frohlocken werden die Gebeine, die du zerschlagen hast.

11 Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle meine Vergehen.

12 Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Ez 11,19; 36,26; Mt 5,8

13 Verstoße mich nicht von deinem Angesicht, und deinen heiligen Geist nimm nicht von mir.

14 Bringe mir wieder die Freude deiner Hilfe, und stärke mich mit einem willigen Geist.

Liebe Gemeinde!

„Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, eine Zeit, in der wir zur Buße gerufen werden. Wir sollen umkehren, und dies geschieht nicht nur äußerlich; auch unser Herz bewegt und verändert sich. Die Hinwendung zu Gott macht uns zu einer echten Liebe zu unseren Mitmenschen fähig.“ (s. https://www.daskirchenjahr.de/tag.php?name=aschermittwoch&zeit=Fasten) So die Einführung zum Aschermittwoch in einem liturgischen Wegweiser.

Aschermittwoch, das Wort erinnert an das Aschekreuz, das im Aschermittwoch-Gottesdienst katholischer Gemeinden als Bußzeichen auf die Stirn gezeichnet wird. Asche steht für Vergänglichkeit, Niedrigkeit; wer büßend in der Asche sitzt, wie es im Buch Jona vom König von Ninive erzählt wird, hat den Thron verlassen und bekennt: ‚Ich bin am Ende! Gegen das von Jona abgekündigte Gottesgericht habe ich kein Mittel; aber vielleicht erbarmt sich Gott, wenn wir alle umkehren und uns vor ihm demütigen.‘

Radikale Umkehr aus Furcht vor Gottes Gericht? Ich vermute, dass heutige Menschen fragen würden: ‚Wie bitte, sind wir im Mittelalter? Unser Gott, wenn es ihn denn gibt, ist freundlich, liebevoll. Er macht uns keine Angst! Gottesgerichte gibt es nicht!‘ Das entspricht den kirchlichen Verlautbarungen z. B. zur Corona-Pandemie; vom Gericht Gottes reden höchsten Freikirchler oder Sektierer.

Was nun? Was fangen wir an mit all den schrecklichen Dingen, die in unserer Welt passieren? Sind das Gottesgerichte- oder schlichtweg Naturkatastrophen, Ergebnisse menschlicher Gier und Überheblichkeit, Geschehnisse in einer Welt, die vergänglich, endlich, totgebunden ist und wo jeder versucht, sein Leben zu sichern und zu steigern? Befinden wir uns nicht in einem nicht aufzulösenden Konflikt, sobald wir einen guten Gott zum Lenker einer heillosen Welt machen? Und ist es nicht zwangsläufig, dass wir die Welt weltlich, d. h. ohne Gott denken, weil wir nur so den nicht zu lösenden Knoten vermeiden können: Wie gehören ein guter Gott und eine böse Welt zusammen? Oder ist Gott gar nicht gut?!

In der Tat: wir lösen diesen Knoten nicht! Nur eines bleibt uns: dem geschichtlichen Zeugnis von Gott nachzuspüren, wie die Heilige Schrift es uns gibt. Dieses Zeugnis enthebt uns nicht der Fragen, es macht uns Gott nicht greifbar und klar, es nimmt uns nicht Schrecken und Furcht vor ihm, aber es verspricht im Evangelium von Jesus jedem, der zu Gott kommt, eine offene Tür. Und gegen alle Erfahrung macht der Geist Gottes dessen gewiss. Das ist keine Spaltung des Bewusstseins, sondern die Erfahrung: ich bin gehalten, mit Güte umfangen trotz der Dunkelheit des Lebens. Das geschichtliche Zeugnis der Schrift, mir in Jesus Christus gegeben, wird meine Geschichte!

Aber noch einmal: Müssen wir uns vor Gott verantworten? Geschieht in unserem Leben und der Welt um uns eine Art Gerichtsverfahren, dem wir uns stellen müssen? Sind persönliche Katstrophen Gerichte Gottes? Und müssen wir zur Abmilderung und Vermeidung solcher Niederschläge Buße tun, Schuld bekennen? Ist das der Hintergrund von Psalm 51, in dem ein Beter um Gottes Gnade fleht?

Psalm 51 ist verknüpft mit der Geschichte Davids, der als König sich die Frau eines anderen nahm, und, damit der Ehebruch nicht offensichtlich wurde, dafür sorgte, dass der Ehemann im Krieg umkam. (2. Sam. 11-12) Soweit so gut – oder auch schlecht, aber wer wollte ihn, den König, schon zur Rechenschaft ziehen? Problem gelöst! Vielleicht mit schlechtem Gewissen, aber so ist das Leben halt. Doch Gott redet David hinein in die falsche Beruhigung seines Gewissens: Gott schickt einen Boten zu David. Der erzählt David eine Geschichte vom schlimmen Handeln eines Reichen gegen einen Armen. Als David, empört über das Unrecht, in den Ruf ausbricht: ‚Dieser Mann ist ein Kind des Todes!‘ bringt der Bote Gottes es auf den Punkt: ‚Du bist der Mann!‘ Und liefert den konkreten Bezug.

Was jetzt? Aufbegehren, den Boten Gottes ins Gefängnis werfen, leugnen? Nein, David hat eine lange Geschichte mit Gott, wie oft hat er Gottes Hilfe erfahren, leugnen geht nicht! Deshalb bekennt er seine Schuld.

An dieser Stelle setzt das Bußgebet des Psalms ein: „Sei mir gnädig, Gott, nach deiner Güte, nach dem Maß deines Erbarmens tilge meine Freveltaten. 4 Wasche mich rein von meiner Schuld, und reinige mich von meiner Sünde. 5 Denn meine Freveltaten kenne ich wohl, und immer steht meine Sünde mir vor Augen. 6 An dir allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was dir missfällt; so bist du gerecht in deinem Spruch, rein stehst du da, wenn du richtest.“

Noch einmal: Warum bekennt David seine Schuld? Nicht aus Furcht vor Strafe, auch wenn der Zusammenhang von Tun und Ergehen vom Boten Gottes deutlich benannt wird, sondern weil David Gott kennt. Gott ist gut und gerecht, Gott ist verlässlich und: Gott ist ernst zu nehmen. David bekennt seine Schuld, weil sie sein Vertrauensverhältnis zu Gott in Frage stellt. Die Übertretung von Gottes Gebot ist kein Ausdruck der Freiheit, sondern führt in die Beziehungslosigkeit gegenüber Gott. Es ist Zeichen der Gnade Gottes, dass er einen Boten zu David schickt, der ihn seiner Verfehlung überführt.

Zwischen Menschen geschieht es immer wieder, dass die Vertrauensbeziehung zerbricht, weil einer tut, was den anderen verletzt, ihm/ihr schadet. Das ist nicht durch Schweigen oder Ignorieren zu reparieren, sondern es braucht Umkehr und Vergebung. Schuld muss bekannt und durch Vergeben weggenommen werden. Verfehlung des Guten mindert und zerstört Leben. Davids Handeln ist dafür ein krasses Beispiel. Gott will, dass wir leben können und nicht andere und uns selbst zerstören.

Gott vergibt Schuld und will, dass wir auch einander vergeben. Nötig ist, dass wir die Verfehlung erkennen und bekennen; nötig ist Umkehr vom bösen Weg. Umkehr ist möglich, weil Gott uns unsere Schuld vergibt. Er überwindet, was uns von ihm trennt. Er gleicht das Minus aus. Markus 10 (45) sagt: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ Das Neue Testament betont, dass Jesu Sterben am Kreuz Hingabe „für uns“ ist. In den Abendmahlsworten heißt es: „Der Herr Jesus nahm in der Nacht, da er ausgeliefert wurde, Brot, dankte, brach es und sprach: Dies ist mein Leib für euch. Das tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso nahm er nach dem Essen den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“ (1. Kor. 11,24f) Gott ist für uns, das ist für alle Menschen offenbar gemacht in Jesus; durch ihn versöhnt er uns mit sich durch die Vergebung der Sünden.

Im Hinschauen auf Jesus können wir mit großer Zuversicht mit den Worten des Psalms beten: „Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verstoße mich nicht von deinem Angesicht, und deinen heiligen Geist nimm nicht von mir. Bringe mir wieder die Freude deiner Hilfe, und stärke mich mit einem willigen Geist.“

An dieser Stelle will ich zurückschauen auf den Anfang der Predigt; die Fragen nach dem richtenden Gott malen ihn dunkel. Die Bibel erzählt von Gott als dem Retter; Retter seines Volkes Israel, Retter der Menschheit in Jesus Christus. Gott greift ein in Dunkel und Not der Welt; Gott tritt zwischen den Menschen und die zerstörerischen Mächte des Bösen. Indem Jesus predigt: „Erfüllt ist die Zeit, und nahe gekommen ist das Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk. 1, 15) ruft er alle Hörenden auf, sich mit dem rettenden Gott zu verbinden. Wer sich von Jesus rufen lässt, erfährt Vergebung, Rettung, Leben in Hoffnung. Wer Jesu Ruf verwirft bleibt im Dunkel der Welt. Die erschreckenden Geschehnisse in dieser Welt, die uns Gott verdunkeln wollen, sind manchmal Folge unserer Abwendung vom Guten; manchmal können wir keine Antwort darauf finden. Immer aber sind sie ein Ruf, den rettenden Gott zu suchen. Seine Absicht mit uns fassen zwei Verse aus dem Johannesevangeliums so zusammen: „Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Denn Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ Amen.

Winfried Klotz, Pfr. i. R. Jg. 1952, verh. 3 erwachsene Kinder, Bad König, Odenwald

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