Quarantänehinweise

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Quarantänehinweise

Aschermittwoch, 17. Februar 2021 | Predigt zu Psalm 51 | von Katharina Wiefel-Jenner |

Psalm 51

Ein Psalm Davids, vorzusingen,

2 als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zu Batseba eingegangen war.

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.

4 Wasche mich rein von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde;

5 denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir.

6 An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf dass du recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du richtest.

7 Siehe, in Schuld bin ich geboren, und meine Mutter hat mich in Sünde empfangen. 8 Siehe, du liebst Wahrheit, die im Verborgenen liegt, und im Geheimen tust du mir Weisheit kund.

9 Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich weißer werde als Schnee.

10 Lass mich hören Freude und Wonne, dass die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast.

11 Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge alle meine Missetat.

12 Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist. 13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.

14 Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus. 15 Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren. 16 Errette mich von Blutschuld, / Gott, der du mein Gott und Heiland bist, dass meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme.

17 Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.

18 Denn Schlachtopfer willst du nicht, / ich wollte sie dir sonst geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.

19 Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

20 Tue wohl an Zion nach deiner Gnade, baue die Mauern zu Jerusalem.

21 Dann werden dir gefallen rechte Opfer, / Brandopfer und Ganzopfer; dann wird man Stiere auf deinem Altar opfern.

Die Bestimmungen für die kommende Zeit liegen fest. 40 Tage Quarantäne. Wir sind infiziert. Wir haben 40 Tage. 40 Tage, um die Infektionskette zu unterbrechen. 40 Tage zum Fasten. 40 Tage zum Schweigen und Beten. 40 Tage nur mit denen, die mit uns zusammen auf dem Weg sind. Die kommenden 40 Tage sollten uns helfen, die Infektionsquelle in uns zu isolieren. Heute ist der erste Tag.

Die Quarantäne beginnt mit einer besonderen Desinfektionsmaßnahme. Ein Kreuz aus Asche auf unserer Stirn. Das Aschenkreuz und ein Satz zum Bedenken. Eine Berührung und eine Diagnose – das ist die Medizin, die uns in die Zeit der Quarantäne hineinführt.

Die Diagnose lautet:

Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst.

Bedenke es, Mensch. Nimm die Diagnose ernst und lass dir ein Kreuz aus Asche auf die Stirn legen.

Ertrage dieses Kreuz auf deiner Stirn. Trage es an diesem ersten der 40 Tage und schau auf den, der das Kreuz auf seine Schulter nahm und so alles veränderte. Das Aschenkreuz wirst du kaum spüren. Nur der Blick in den Spiegel wird dir zeigen, dass es die Schönheit befleckt.

Die Diagnose bringt es an den Tag: das Kreuz aus Asche ist der Fleck auf der Stirn, der schon immer da war. Dieses schmutzige Zeichen gehört seit jeher zu uns. Masken und Makeup verbergen es heute nicht. Wohl könnten wir das Zeichen aus Ruß von der Stirn wischen. Doch die Gedanken hinter der Stirn können wir nicht abwaschen. Sie bleiben und lassen sich nicht entfernen. Es ist so erschreckend, was sich hinter der Stirn abspielt. Staub und Ruß haben von unseren Gedanken Besitz ergriffen. Unser Wünschen und Wollen kennen sich zu gut mit dem Bösen aus. Die täglichen Tode in dieser Welt erschrecken uns nicht mehr. Wir haben uns bemüht, dem Bösen den Rücken zuzukehren, doch es hat nichts geholfen. Wir denken darüber nach, dass Gewalt dem Bösen ein Ende setzen könnte und spielen die Planspiele der Gewalttäter in unseren Gedanken bis zum Ende durch. Wir sind wie Kriegsherren, nur ohne Macht.

Die Quarantäne zwingt dazu, wahrzunehmen, was sonst im Gewohnten untergeht. Wir sind nicht so, wie wir sein wollen. Wir wollen das Beste und erreichen Schlimmeres. Wir versuchen ernstlich, auf der richtigen Seite zu stehen. Wir plagen uns damit ab. Wir wollen Frieden und schaffen Trümmer. Wir weinen und sehen nicht, dass sich unser Nachbar vor Schmerzen krümmt. Wir versagen selbst da, wo wir mit ganzem Herzen lieben.

Das Kreuz aus Asche – so mahnt uns die Diagnose – hat seinen Ursprung im Herzen. Vom Herzen ist es der schmutzige Fleck auf die Stirn gewandert.

Die Quarantäne beginnt mit einer schonungslosen Diagnose. Welcher Arzt wird sich da noch zu uns wagen?  Maske und Schutzanzüge genügen nicht. Der Infektionsgefahr werden sich nur die aussetzen, die barmherzig und freundlich sind, die gnädig und gütig sind. Das Risiko unserer Existenz werden nur die auf sich nehmen, die den Tod nicht scheuen und das Kreuz nach Golgatha tragen.

Wir sehen uns selbst im Spiegel und erschrecken – das gehört zur Quarantäne dazu. Mit Wasser und Seife waschen wir die Asche von der Stirn ab.  Aber unsere Herzen müssten desinfiziert werden. Der Schrei der in ihre Verzweiflung Eingeschlossenen liegt neben den Quarantänehinweisen von König David. „O, Erbarmen! Gott“, lesen wir. „Wasche mich rein von meiner Missetat und reinige mich von meiner Sünde.“ Darum geht es. Halten wir es Gott hin. Klopfen wir an Gottes Tür. Beten wir mit der Kraft derer, die eingeschlossen sind und aus ihrem Quarantänequartier herauswollen. „Komm zu uns hinein, Gott. Hol du den Staub aus den Ritzen meiner Seele. Gott. Scheure und schrubbe die Flecken unserer Verachtung für andere und unserer großen Selbstliebe weg. Desinfiziere die Ecken, in denen sich die Gedanken über Tod und Krieg eingenistet haben. Verhindere, dass sie sich ausbreiten. Unterbrich die Ansteckungsketten, die von Neid und Gier ausgehen. Fege den Gedanken aus unseren Köpfen, dass Gewalt Gewalt verhindern könnte. Spül du die Angst und ihre Begleiter aus unseren Herzen. Reinige die Herzen. O Gnade, o Erbarmen!“

Die Quarantäne verhindert die ansteckenden Begegnungen mit denen, die die Botschaften des Todes in die Welt hinauspusten. Wasser und Seife für die Stirn haben wir selbst zur Hand. Aber die Mittel, das Herz rein zu waschen? Wer gibt sie uns? „Wasche mich, dass ich weißer werde als Schnee.“ Gott, nur Gott selbst, hat das Mittel in der Hand. Gottes Erbarmen und Gottes Güte gehen unter die Haut. In Gottes Gegenwart wird aus dem verkrümmten und harten Herzen ein weiches Herz. Gottes Wort wirkt gegen diese infektiösen Gedanken. Es reinigt die Luft in unserem Quarantänequartier. Es hält diejenigen auf Distanz, die nur mal eben vorbeikommen wollen und ihr Gift des Unfriedens in unser Herz tragen wollen. In unserem Mund wird Gottes Wort zur Kur, die die Abwehrkräfte gegen den Hass und die Lüge mobilisieren.

Der Fleck aus Asche wird noch heute verschwunden sein. Aber werden 40 Tage genügen, damit sich die Herzen bekehren? Werden wir die Infektion unter Kontrolle bekommen? Werden wir endlich die Kette unterbrochen haben und nicht ewig weiter tun, was nicht tun sollen, denken, was wir nicht denken sollen und lieben, wo wir in Gefahr geraten? Werden wir gelernt haben mit den tödlichen Spielen aufzuhören? Werden wir die 40 Tage überhaupt durchhalten?

Wie freundliche Verwandte und Nachbarn in der Quarantäne die Versorgung übernehmen, so bringt uns auch Gott das, was wir nötig haben. Zum Durchhalten brauchen wir Ausdauer und Liebe. Bitten wir Gott „Gib mir ein reines Herz und einen beständigen Geist.“. Dem wird sich Gott nicht verweigern. Mose und die Propheten haben es uns schon gesagt, dass Gott barmherzig und geduldig ist. Der, dem wir in diesen 40 Tagen folgen, hat es gesagt. Aus jedem seiner Worte spricht die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes, die das Herz rein macht und den Geist beständig.  Der, für den das Kreuz auf Golgatha aufgerichtet wurde, hat die Quarantäne ausgehalten. Am Ende hat es über die schlimmste Infektion in dieser Welt gesiegt.

Die Quarantäne beginnt. 40 Tage. Gott wird uns versorgen. Gott wird auf uns achthaben. Gott wird hören, wenn wir rufen: „Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.“

Jeden Morgen, jeden Tag, jeden Abend wird Gott uns hören. Heute ist erst der erste Tag.

Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin

wiefel_jenner@hotmail.com

Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.

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