Warten auf die Herztransplantation

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Warten auf die Herztransplantation

Predigt zu Jeremia 31,31-34 | verfasst von Rudolf Rengstorf |

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,

nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr;

 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. (Jeremia 31,31-34)

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ein neuer Bund wird da durch den Propheten Jeremia in Aussicht gestellt. Und wo immer vom neuen Bund die Rede ist, haben Christen bis in unsere Zeit fast reflexartig gedacht: Das sind wir doch. Da ist von uns die Rede. Diese Verheißung ist bei uns in Erfüllung gegangen. Und das wird noch bestärkt, wenn ich daran erinnere, dass das lateinische Wort für Bund Testament heißt.

Das Alte Testament – so das christliche Denkschema – ist der Bund Gottes mit Israel. Da geht es vor allem um Gebote und eine Fülle von Gesetzen und um einen Gott, der streng und drohend darüber wacht, dass die Menschen sich an seine Gesetze halten und der sie hart bestraft, wenn sie es nicht tun.

Doch dann ist Jesus gekommen, hat gezeigt, wer Gott wirklich ist: ein Gott der Liebe und Barmherzigkeit, der nicht für nur ein Volk da ist, der alle Menschen als Töchter und Sühne betrachtet und keinen verloren geben will. Und damit, dass Gott alle Menschen mit seiner Liebe und Wertschätzung im Neuen Testament zusammenschließt, ist der Bund mit Israel überholt und veraltet. Vom alten Testament ist nur noch das brauchbar, was an Verheißungen auf Jesus hindeutet: Natürlich die Schöpfungsgeschichten, auch die Vätergeschichten von Abraham bis Josef, weil sie so viel Typisches für den Menschen aufweisen, die zehn Gebote natürlich, weil sie sich im Zusammenleben der Menschen bewährt haben und noch einige Psalmen, die zu unserem Glauben passen. Das ist es aber auch.

Erst in unserer Zeit lernen wir, wie abwegig es ist, die an Israel gerichtete Bibel und die an Christen in aller Welt gerichtete Bibel im Kontrast von alt und neu zu sehen und stattdessen auf das zu achten, was beiden gemeinsam ist. Die größte Gemeinsamkeit besteht ja darin, dass der Gott, mit dem Jesus sich verbunden wusste wie ein Sohn mit seinem Vater, dass dieser Gott der Gott der Juden ist und die Bibel der Juden auch die Bibel Jesu war. An keiner Stelle hat Jesus gesagt: Die Bibel der Juden ist veraltet, überholt, für meine Gefolgsleute, für Christen, nicht mehr gültig.

Gewiss, Jesus hat bei der Einsetzung des Abendmahls vom neuen Bund gesprochen. Denn im Kreise der Jünger, die alle an ihm schuldig wurden, war ihm wichtig festzuhalten: Der Zugang zu Gott ist und bleibt offen für euch, Gottes Bund mit euch wird neu. Dafür stehe ich ein bis aufs Blut mit Leib und Leben. Aber das gehört zu Gottes Bund mit Israel dazu, dass er Sünden vergibt und Neuanfänge macht mit seinem Volk. Das durchzieht sein ganzes Bundesverhalten von Anfang an. Sein Bund kann gar nicht veralten, weil Gottes Treue nachhaltiger ist als der Ungehorsam seines Volkes. Seine Vergebung der Sünden setzt seinen Bund immer von neuem in Kraft. Und der Tod Jesu, sein Kreuz, ist das Siegel darauf. Das Siegel darauf, dass Gottes Bund mit seinem Volk und denen, die dank Jesus mit dazu gehören, ungekündigt ist, weil durch Vergebung erneuert.

Und doch lässt Gott seinen Bund vom Propheten Jeremia in Frage stellen, weil dieser Bund einen elementaren Mangel aufweist. Wie gesagt: Der Mangel besteht nicht darin, dass zu wenig von Gottes Liebe zu erkennen ist. Ach was, der Bund Gottes mit Israel ist von Anfang an in rührender Liebe begründet, und so ist im sogenannten Alten Testament hier bei Jeremia auch von ihm die Rede, wenn es heißt: „Der Bund, den ich mit euren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen“. An göttlicher Liebe kein Mangel. Aber das Volk, das Gott an die Hand genommen hat und an die Hand nimmt, dieses Volk geht immer von neuem auf Abstand zu ihm und hält sich nicht an seinen Willen.

Und dieser Wille Gottes – das ist der Grundton aller Gebote und Gesetze – weist die Menschen auf den, dem sie ihr Leben und die Welt im Ganzen zu verdanken haben, wie auf ihre Mitmenschen und besonders auf jene, die auf Hilfe, auf Entgegenkommen und Nachgehen angewiesen sind. Deshalb ist der Wille Gottes unbequem und oft auch nur schwer oder gar nicht mit dem Eigenwillen der Menschen in Einklang zu bringen. Da erscheinen Lehrer und Prediger des Willens Gottes dann schnell als rigoristische Spielverderber und man hört lieber auf diejenigen, die uns einen Gott verkünden, der sich großherzig mit unseren Lebensgesetzen und unserem Eigenwillen arrangiert. Das mag auch alles sehr spirituell und fromm klingen – für den Gott Israels und den Vater Jesu Christi aber ist das unerträglicher Götzendienst. Diesen Mangel, dass sich die Menschen seinem Willen entziehen – mag er noch so viele liebevolle Neuanfänge mit ihnen machen – diesen Mangel will er damit beheben, dass er ihnen seinen Willen direkt ins Herz schreibt und sie sich ganz von selbst danach richten.

Zu diesem bundes- bzw. gottesgerechten Umbau des Menschen ist es bisher nicht gekommen – im Judentum nicht und auch nicht im Christentum. Nach wie vor sind wir darauf angewiesen, von anderen zu lernen, was Gott von uns will. Nach wie vor benötigen wir Kenner der Gebote Gottes und der Gebote Jesu, die uns davor bewahren, uns Gott nach unseren eigenen Bildern zu formen. Das ist gerade in unserer Zeit mit ihrem Hang zu Individualismus und einer alles nivellierenden Toleranz ja sehr populär, es mit dem Motto des alten Fritz zu halten: Jeder soll nach seiner eigenen Fasson selig werden. Nein, wir wollen keinem reinreden und niemanden bevormunden. Aber wir müssen dabeibleiben: Der Gott der Juden und der Christen ist keiner, der sich mit allem und jedem abfindet. Sein Wille steht quer zu dem, was die Menschen im Blut haben. Er bindet sie an den unbequemen Nächsten und lässt nicht zu, dass wir bei ihm am Nächsten vorbei religiös zur Ruhe und zur Erbauung kommen. Wir müssen dabeibleiben, dass der Gott der Juden und der Vater Jesu Christi bei den Opfern zu finden ist, bei den Verlierern und Versagern, bei denen, die keiner haben will und die in ihrem Jammer jede Andacht stören.

Und wenn ich sage: Wir müssen dabeibleiben, meine ich zunächst die dafür Beauftragten und Freigestellten, also Pastorinnen und Pastoren. Aber sind überhaupt nicht gefeit davor, uns um des lieben Friedens willen mit den Gegebenheiten dieser Welt und unserer Umgebung zu arrangieren. Deshalb sind wir ständig darauf angewiesen, von Gemeindegliedern kritisch gemessen zu werden an dem, was man vom Willen Gottes wissen kann.

Noch warten wir auf den Neuen Bund, in dem die Menschen von Natur aus, von ihrem Herzen her im Einklang leben mit dem Willen Gottes. Noch warten wir auf die Zeit in der Kirchen und Pastoren  überflüssig werden, weil die Menschheit zum einträchtigen Volk Gottes geworden ist. Der Anfang aber ist bereits gemacht, weil einer schon da war, der genauso gelebt hat – in völliger Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. In ihm, in Jesus Christus ist der wirklich neue Bund zum Vorschein gekommen. Und wir bitten um den Geist, der unser Herz, solange er es nicht von Grund auf wandelt, ansprechbar macht dafür und die Lust daran weckt, es Gott recht zu machen. Amen

de_DEDeutsch