Warum musste Jesus sterben?

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Warum musste Jesus sterben?

Predigt und Gottesdienstentwurf zu Joh 12, 20-24 | am Sonntag Lätare, 14. März 2021 | von Bert Hitzegrad |

Begrüßung

Passionszeit – Leidenszeit. Wir gehen mit Jesus „hinauf nach Jerusalem“.

Die Bilder von Leiden und Sterben begleiten uns, nicht nur die biblischen Bilder, auch die Bilder in den Nachrichten, die Sorge um Menschen, die von dem Virus Covid 19 betroffen sind.

Leidenszeit – so fremd und fern sie uns ist, sie kommt doch immer wieder nahe, betrifft unseren Alltag.

Am kommenden Sonntag nun ein Stück Innehalten: „Lätare“ – „Freuet euch!“   Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt.“ (Je 66, 10)

Mitten in der Passionszeit, in der wir auf jedes laute „Halleluja“, das strahlende „Gloria in excelsis, vielleicht auch auf den abendlichen Rotwein oder die Tafel Schokolade verzichten, ein Aufruf zur Freude, ein kurzes Innehalten: Der Blick geht nach vorn, erahnt schon die Osterfreude, die Auferstehung, die Verherrlichung Christi. Die vorsichtige Freude wird sichtbar, in dem Bild vom Weizenkorn, das in die Erde fällt, und auch in der liturgischen Farbe des Tages. Wo vorhanden, kann das Altartuch von Violett auf Rosa aufgehellt werden.

Gibt es auch im Kampf gegen die Pandemie Lichtblicke, ein Licht am Ende des Tunnels?

Wir sehnen uns danach! Wenn wir jetzt Gottesdienst feiern, vertrauen wir auf Gottes Nähe. In seinem Namen sind wir versammelt – im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

EG 398: In dir ist Freude

Kollektengebet = Text von EG 91

Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,

mich in das Meer der Liebe zu versenken,

die dich bewog, von aller Schuld des Bösen

uns zu erlösen.

Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden

ein Ärgernis und eine Torheit werden:

so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes,

die Weisheit Gottes.

Da du dich selbst für mich dahingegeben,

wie könnt ich noch nach meinem Willen leben?

Und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,

zu deiner Ehre.

Unendlich Glück! Du littest uns zugute.

Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute.

Du hast mein Heil, da du für mich gestorben,

am Kreuz erworben. Amen.

Evangelium + Predigttext für den Sonntag Lätare

Johannes 20, 20-26

20 Die Ankündigung der Verherrlichung

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.

21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.

22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus weiter.

23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, das der Menschensohn verherrlicht werde.

24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

25 Wer sein Leben liebhat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.

26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

EG 98 Korn das in die Erde

Predigt

Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

Was bin ich froh, dass wir diesen Text haben mit seinen frühlingshaften Bildern. Was bin ich froh, dass ich mit meinen Fragen, warum dieser Tod sein musste, eine kleine zarte Antwort wie das grünende Keimblatt des Weizenkorns bekomme. Was bin ich froh, dass wir auf dem Leidensweg heute an diesem Sonntag eine kleine Pause einlegen. Schon einmal Frühlingsluft, Auferstehungshoffnung atmen. Auch die Pflegekräfte auf den Intensivstationen wünschen sich diese Atempause und die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie. Die Impfungen wecken Hoffnungen, die Mutationen lassen das Leiden immer wieder präsent werden und nehmen sogar noch an Fahrt auf. Warum müssen Menschen leiden, warum müssen Menschen sterben?

„Warum musste Jesus sterben?“ Auch die leinen im Kindergarten kennen schon diese Frage: „Warum musste Jesus sterben, wenn er die Menschen nur geliebt hat?“

„Warum ist Jesus geboren?“ Da hat sicherlich gleich jeder gute Gründe, viel Freude und schöne Erinnerungen an Weihnachten.

Aber „Warum musste Jesus sterben?“ Das gefällt nicht so! Karfreitag? Bitte nicht. Trauer, das brauchen wir nicht. Wir freuen uns lieber gleich am Leben, deshalb die bunten Ostereier gleich aufgehängt, deshalb gleich hinein in die Osterfreude. „Sieben Wochen ohne?“ „Ohne mich!“

Das ist das moderne „Ostern light”, die leichte Variante des Osterfestes. Die Zigaretten „light“ mit wenig oder ohne Nikotin. Und Ostern „light“?  „Bitte mit wenig, am besten ohne Tod und Kreuz und so …“ Die Zeiten sind vorbei, zumindest in der gefühlten Volksfrömmigkeit, dass Karfreitag der höchste evangelische Feiertag ist.

Und doch: Wir halten durch mit unseren Lesungen zur Passionszeit und den Leidens-Predigten, mit den Bildern vom Sterben und dem Bekenntnis: „gelitten unter Potius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben …“

Noch gelten die Zeilen im Glaubensbekenntnis, die harten Fakten, die Seite des Leben, die wir gern ausblenden würden – und erst dann kommt Ostern, dann erst heißt es „am dritten Tag auferstanden von den Toten“, dann erst der Glaube an den, der für uns und mit uns gestorben und auferstanden ist.

Die Griechen, so berichtet Johannes, waren heraufgekommen, um ihn anzubeten. Wen wollten sie sehen? Wen anbeten? Den leidenden Menschsohn oder den verherrlichten, strahlenden Christus, der dieser Welt enthoben ist.

Warum musste Jesus sterben?

Wir kennen die Antworten der Bibel: „Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen … Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden hätten!“, so heißt es bei Jesaja (Jes 55, 4f) Jahrhunderte vor dem Kreuzestod. „Wir haben einen Hohenpriester der mit uns gelitten hat, aber ohne Sünde …“ (vgl. Hebr 4,15), so deutet der Schreiber des Hebräerbriefes das Unfassbare. Antworten, die sperrig sind für unser modernes Denken. „Warum musste Jesus leiden, wenn er die Menschen doch lieb hatte?“

Ich denke, wie wir heute fragen, haben Jesu Jünger damals auch gefragt: „Warum, Jesus, warum?“ Vielleicht hat er dann zu ihnen gesagt: „Denkt an die schönen Felder, die wir im Norden von Israel, in Galiläa gesehen haben. Was wäre, wenn dort kein Weizenkorn gesät worden wäre? Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Aber zum Glück haben die Bauern es ausgesät, und das ist ja wie Sterben für das kleine Korn, in kalter, dunkler Erde. Denn: nur wenn das Weizenkorn erstirbt, bringt es viel Frucht. Nur dann werden die Felder so schön grün im Frühjahr, nur dann können die Halme wachsen und Ähren tragen, nur dann entstehen neue Körner, für Mehl und Brot damit ihr leben könnt …“

Wir brauchen solche Bilder, um das Unbegreifbare ein Stück zu verstehen, zu erahnen.

Machen wir uns deutlich, was passiert, wenn ein Weizenkorn ausgesät wird: Es wird in die tote kalte Erde gelegt. Und selbst das Korn ist tot und kalt, leblos. Wenn wir nicht wüssten, dass dort ein unendliches Potential drinnensteckt, dann würden wir wahrscheinlich meinen, dass so wenig Leben wie in einem Stein oder Felsen darin steckt.

Das Korn in der Finsternis der Erde. Diese Finsternis erinnert an die letzten Tage Jesus auf der Erde als Mensch, Gottes Sohn, der wegen Gotteslästerung, wegen Gottesanmaßung verurteilt wird.

Im Bericht über den Karfreitag heißt es: „Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.“ (Mt 27, 45) „Und die Erde erbebte und die Felsen zerrrissen …“ (Mt 27, 51b).

Nicht nur die kleine Schar der Anhänger Jesu, die abseits vom Kreuz steht, lässt die Köpfe hängen, sondern der ganze Himmel trägt Trauer und hüllt sich in tiefe Finsternis. Und vielleicht kann der Himmel diese Szene auch nur in Dunkelheit ertragen. Und einen Moment hat es ja den Anschien, als trüge die Finsternis den Sieg davon, weil das Licht der Welt am Kreuz verlischt. Alles zurück auf Anfang, zurück zum Anfang der Schöpfung, wüst und leer, die Dunkelheit über dem Chaos.

Die Erde trägt Trauer, sie erbebt und Felsen zerspringen, so wie Menschen am offenen am Grabe, voller Trauer erbeben, um Fassung ringend, am ganzen Körper zitternd.  Ein hartgesottener römischer Hauptmann, der in seinem Leben sicherlich die eine oder andere grausame Tat begangen hat, hat solch ein Sterben noch nicht gesehen und bekennt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ (Mt 27, 54b)

Nur dieser Tod macht Sinn.

So manche Todesnachricht auf dieser Welt lässt uns für kurze Zeit den Atem anhalten. Die Ermordungen von John F. Kennedy und Martin Luther King, der Unfalltod von Lady Di, die Apollo-Astronauten, die im All verglühten, die Opfer eines Amoklaufes, die gewaltige Summe von mehr als 70.000 CORONA-Toten allein in Deutschland.

Wir sind geschockt, erschüttert, für einen Augenblick.

Doch hier sind am Kreuz sind die Grundfesten des Lebens berührt. Gott stirbt – muss mit ihm nicht alles zu Ende sein?

Das Weizenkorn in die Erde gelegt – ist damit nicht alles aus?

Nein! Gott sei Dank nicht. Denn wir wissen: Das Weizenkorn muss durch diese Dunkelheit gehen, damit es Kraft sammelt, um ans Licht zu kommen.

Wir, die wir schon oftmals den Wechsel von Herbst und Winter und Frühling und Sommer erlebt haben, wir wissen das. Manchmal wird das Lebensalter ja auch nach Lenzen gezählt. Wie viele Lenze haben Sie schon erlebt, wie oft haben Sie schon darüber gestaunt, dass das Leben neu und wunderbar aufgebrochen ist? Wir wissen das – und wenn wir so ein Weizenkorn in die Hand nehmen, dann erahnen wir, welches Potential, welche Möglichkeiten in ihm stecken.

Und als der Himmel sich verdunkelte, als Jesus am Kreuz starb ahnten die Menschen, welche Möglichkeiten sich durch ihn noch eröffnen würden?

Nein, Jesus hatte man abgeschrieben. „Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!“ (Lk 23, 39)

Aus Ende Tod,

Himmel und Erde vergehen. Nein, sie vergehen nicht, aber sie sind nicht mehr wie vorher. „Es ist voll- bracht!“ (Joh 19,30)  sagt Jesus am Kreuz und damit vollendet Gott durch Jesus Christus, durch seinen Tod das Erlösungswerk.

Und doch, bei dem der glaubt und vertraut, kündigt sich das Neue schon an. „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“! (Lk 23, 43). So sagt Jesus zu einem Mitgekreuzigten. Und immer wieder deutet er an, dass er diesen Weg gehen muss, damit wir Leben haben, damit wir frei werden, damit durch das Kreuz Himmel und Erde verbunden werden.

Auch im Weizenkorn, das in die Erde gelegt wird, ist schon das Leben zu erahnen, das es in sich trägt und das es mit dem Sonnenlicht und der Wärme im Frühjahr entfaltet.

„Warum musste Jesus sterben?“ Damit Neues entsteht, damit das Alte vergangen ist. Und damit wir im Alten schon die Farben und das Licht des Neuen sehen.

„Warum musste er sterben?“ Damit wir nicht resignieren müssen in den Sterbezimmern und Intensivstationen, weil  Finsternis und Tod und Leiden wieder gewonnen haben. Damit wir Menschen einen Schutzraum anbieten können, Freude in allem Leide, Hoffnung auch am Ende, Ruhe und Geborgenheit und den Stürmen des Lebens. Das Kreuz.

Das Weizenkorn in der Finsternis und Kälte der Erde bringt neues Leben hervor. Wir kennen das. Wir staunen darüber. Wir erleben die Freude. Und wenn die Zeit der Pandemie einmal überstanden ist? Wird dann auch ein Keim der Hoffnung gereift sein, der in dieser trübe Zeit herangewachsen ist?

„Die Welt nach Corona wird eine andere sein“, sagte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Corona hat uns schon verändert und wir werden uns noch weiter verändern müssen.

Für viele war und ist dies eine Zeit der großen Spannungen: Viele Wochen in einer kleinen Wohnung mit mehreren Kindern, homeoffice, homeschooling … sind nicht einfach auszuhalten. Immer wieder explodiert Ärger. Zukunftsängste sind erdrückend, nicht nur wegen der täglichen Statistik der Verstoben, sondern auch wegen der wirtschaftlichen Situation.

Und doch gibt es die andere Seite, die Hoffnung macht: ein hohes Maß an Mitmenschlichkeit. Jüngere sind für Ältere da und umgekehrt. Pflegekräfte und medizinisches Personal erhalten eine hohe Wertschätzung. Das Leben ist entschleunigt … die Umwelt erholt sich …

Die Welt nach Corona muss eine bessere sein. Es besteht die Chance, wenn wir an der Solidarität und Mitmenschlichkeit festhalten, wenn nicht „Geiz geil“ ist, sondern der Schutz des Lebens in jedem Alter im Mittelpunkt steht, und wenn die kleinen, die unscheinbaren Dinge, im täglichen Miteinander wieder in den Fokus kommen. So wie das Weizenkorn, dem eine große Hoffnung innewohnt.

Mit Jesu Tod ist ein neuer Anfang gesetzt. Ein Anfang mitten in unserem Lebenschaos. Deshalb brauchen wir den Karfreitag, und wir brauchen den Glauben und die Taufe, die uns mit Jesu Tod und Auferstehen verbindet: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden.“ Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.

 

EG 396: Jesu, meine Freude

 

Fürbitten

Herr Jesus Christus, unser Bruder, du hast dich erniedrigt bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz.

Du hast Verachtung, Unrecht und Schmerzen auf dich genommen. So bist du uns nahe gekommen. In deinem Leiden sehen wir unser Leiden, in deiner Not unsere Not.

Du hilfst uns zu tragen, was du ertragen hast:

dein Leiden für unser Leiden, dein Sterben für unser Leben, damit wir leben, damit wir zum Leben verhelfen.

So bitten wir dich:

Für alle, die schweres Leid zu tragen haben an Leib und Seele.

Für alle, die keinen Sinn im Leben finden.

Für alle, deren Lebenspläne und -ziele sich nicht erfüllt haben.

Für alle, die in Armut leben müssen.

Für alle, die trotz ihres Reichtums arm sind.

Für alle, die in Hass gefangen sind.

Für alle, die heimat- und obdachlos sind.

Christus, unser Bruder, dir ist kein Elend fremd.

Mit allen, die deine Hilfe ersehnen, rufen wir unseren Vater an:

Vaterunser ….

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Pastor Bert Hitzegrad, Kontakt: BHitzegrad@aol.com

Der Verfasser ist Pastor in einer ländlichen Region im Norden der Hannoverschen Landeskirche. Er betreut eine kleine Dorfgemeinde (140 Mitglieder) und gemeinsam mit einem Kollegen die Kirchengemeinde Cadenberge-Wingst mit knapp 5000 Gemeindegliedern.

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