Was macht die Kirche…

Was macht die Kirche…

Was macht die Kirche zur Kirche? Der Heilige Geist. | Pfingstmontag | Predigt am 24.5.2021 | Predigt zu 1. Kor. 12,4-11 | verfasst von Hansjörg Biener |

„Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und [um es mit einem biblischen Anklang zu sagen] ,die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören.‘“ So hat es Martin Luther 1537 in den Schmalkaldischen Artikeln formuliert. Nicht ohne etwas über die „Heiligkeit“ hinzuzusetzen. Sie bestehe „im Wort Gottes und rechtem Glauben“. Und beides, das setze ich hinzu, macht der Heilige Geist. Wo Menschen Gottes Wort für sich hören, wo Menschen Lebensmut und Gottvertrauen fassen und bewähren, da findet Pfingsten im alltäglichen Leben statt. Und dafür zu danken, dafür ist Pfingsten da.

Vom Kinder- und Konfirmandenwissen

„Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei…“ Ein solches Wissen Sieben-Jährigen zuzutrauen, klingt mutig. Aber vielleicht geht es auch nur um das Gespür, was „richtiger“ Glaube ist. Selbst wenn Kinder das Wort Gottes noch nicht studieren, geschweige denn richtig ausdrücken können. Aber fragen wir doch einmal 14-jährige, was ihnen zum Stichwort „Kirche“ einfällt. Im klassischen Konfirmandenunterricht würde ich einige Blätter auslegen und in Kleingruppen Stichworte aufschreiben lassen. Daraus ergibt sich dann eine Vielzahl von Anlässen zum klärenden Gespräch: Natürlich die Kirche als Gebäude und der Gottesdienst. Und stehen diese Wörter erst einmal auf dem Blatt, geht es schnell um Vollständigkeit. „Altar“. „Kerzen“. „Kirchenbänke“. Oder auch: „Lieder“. „Orgel“. Und so weiter. Ziemlich schnell werden auch die „Pfarrer“ genannt. „Halt“, sagen manche, „es gibt auch Pfarrerinnen.“ „Aber es gibt doch auch andere Berufe in der Kirche! Wer macht denn z. B. Kinder- und Jugendgruppen?“ „Ach ja, der Diakon Müller“, oder es fällt der Vorname einer Religionspädagogin. Manchmal fällt auch der Name eines Kirchenvorstehers oder einer Kirchenvorsteherin. Und so weiter. Die für mich in meinen Berufsjahren bewegendste Aussage lautete: „Licht und Wärme.“ Ich weiß noch, wie ich damals dachte: „Da haben die Eltern aber viel richtig gemacht.“ Vielleicht habe ich damals auch mehr hineingelegt, als die Heranwachsende sagen konnte. Aber es gibt einen Termin, wo ich dieses „Licht und Wärme“ immer gesucht habe: In der Osternacht, wenn ich Konfirmand:innen oder auch Erwachsene getauft habe. Die Täuflinge sollten um sich herum ein Meer aus Osterkerzen sehen und viele gute Gedanken der Gemeinde spüren.

Gehen wir zurück in den nüchterneren Konfirmandenunterricht. Da würden wir versuchen, das Gesammelte zu ordnen. Hilfreich ist da der Duden. Er listet die Alltagsbegriffe von „Kirche“ auf: 1. Gebäude, 2. Gottesdienst, 3. Institution/Organisation, 4. Gemeinde/Gemeinschaft. Der Begriff Institution ist immer erklärungsbedürftig. Und dann kann man weiterfragen: „Was meint ihr: Was ist da wohl das Wichtigste?“ Oder umgekehrt: „Worauf kann man am ehesten verzichten?“ Und bei mir immer: „Begründe Deine Meinung.“ In der Regel entwickelt sich daraus ein Gespräch mit vielen Aspekten. „Gebäude!“ – „Aber man muss sich doch wo treffen können.“ „Gottesdienst!“ – „Aber man muss doch sehen können, dass man im Glauben nicht alleine ist.“ „Die Organisation.“ Sie können es sich denken. Am Ende des Gesprächs steht nie nur ein großes Meinungsspektrum, geschweige denn Ratlosigkeit. Es läuft auf ein Gefühl heraus, dass Gemeinschaft wohl das Wichtigste ist. Aber die braucht auch einen Ort, eine Zeit, Leute, die das organisieren, und natürlich auch Leute, die zusammen gehören wollen. Und manchmal ist es erhellend, wenn ich die griechische Herkunft des Wortes „Kirche“ erläutere. „Kirche von kyriakon“ – „zum Herrn gehörig.“ Das kennen die Konfirmanden und Konfirmandinnen vom „Kyrie eleison – Herr erbarme dich.“ Und sie erkennen, dass die Mitte von Gebäude, Gottesdienst, Institution und Gemeinde der Glaube an Jesus Christus ist – oder sein sollte.

Was „in Denk“ immer wieder nicht zusammenzubringen ist, bringen Sie als Gottesdienstgemeinde „in echt“ zusammen: Sie sind heute hier zum Gottesdienst versammelt, in einem Kirchengebäude oder Gemeindehaus. Sie gehen davon aus, dass alle organisatorischen Fragen geklärt sind. Es war jemand da, der aufgeschlossen hat, die Kerzen angezündet hat, Blumen auf den Altar gestellt hat, die Lieder angesteckt hat und und und. Sie erwarten jemanden an Klavier oder Orgel. Und natürlich ist jemand da, der den Gottesdienst leitet. Vielleicht sogar ein Kirchenvorsteher oder eine Kirchenvorsteherin, im Vertrauen, dass Pfarrerin X bestimmt kommen wird, die aber noch in Y einen Gottesdienst hatte. Und zu Recht erwarten Sie, dass Sie in ihrem Glauben herausgefordert und bestärkt werden.

Der Predigttext

Der Predigttext führt uns in Zeiten zurück, wo es noch keine Kirchengebäude gab. Keine Gottesdienste nach unserer Art. Keine Pfarrer. Nur die Gemeinschaft derer, die zum Glauben an Jesus Christus gefunden hatten. Die ersten Christen hatten keine Baulast für Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser und Kindergärten. Ihre Gottesdienste waren noch nicht auf eine Stunde am Sonntagvormittag terminiert, wo man dann über Verschiebungen diskutiert, um mehr Leute zu erreichen. Sie hatten keine Pfarrer, mit denen man dann über Dienstbeschreibungen und Arbeitsstil diskutiert. Nein, so das Bild mancher: Die ersten Gemeinden lebten allein von der Gemeinschaft der Gläubigen. Manche wollen in diese Zeiten zurück. Gehen wir in diese Zeiten zurück und lernen wir für unsere:

  1. Korinther 12,4-11 (Umbrüche als Vorlesehilfe)

 

4 Es sind verschiedene Gaben;

aber es ist ein Geist.

5 Und es sind verschiedene Ämter;

aber es ist ein Herr.

6 Und es sind verschiedene Kräfte;

aber es ist ein Gott,

der da wirkt alles in allen.

 

7 Durch einen jeden offenbart sich der Geist

zum Nutzen aller.

8 Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben;

dem andern ein Wort der Erkenntnis

durch denselben Geist;

9 einem andern Glaube,

in demselben Geist;

einem andern die Gabe, gesund zu machen,

in dem einen Geist;

10 einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. 11 Dies alles aber

wirkt derselbe eine Geist,

der einem jeden das Seine zuteilt,

wie er will.

Ganz offensichtlich tauchen wir mit diesem Predigttext in eine andere Zeit ein. Wir hören von Gaben des Geistes, der Worte von Weisheit gibt, Gläubige zu Heilern und Propheten macht und vieles mehr. Manche wünschen sich diese im wahrsten Sinne „wunderbare“ Zeit zurück. Und natürlich habe auch an Krankenbetten gestanden und hätte mir gewünscht, eine Berührung und ein machtvolles Gebet machen alles wieder gut. Manche wünschen sich mehr Spontaneität und Enthusiasmus im Gottesdienst, außergewöhnliche spirituelle Erlebnisse. Auch da könnte ich mitreden.

Allerdings weiß ich auch das andere: Schon im Neuen Testament hatten Wunder und wunderbare Erlebnisse nicht für jeden Beweiskraft. „Durch dämonische Kräfte heilt er“ – sagten Jesu Kritiker. „Sie sind besoffen“ – sagten Beobachter über die enthusiastischen Christen beim ersten Pfingstfest. Außerdem kenne ich die Erklärung unserer Altvorderen, warum es eben „heute“ keine Heilungswunder und keine ekstatische Rede mehr gibt. Sie sagten: In der Zeit Jesu und in der Urgemeinde gab es das Neue Testament noch nicht. Heute aber finden wir alles, was zum Glauben nötig ist, eben da. Früher benutzte der Heilige Geist das Außergewöhnliche; heute aber benutzt er die Heilige Schrift, um Glauben zu wecken und zu stärken.

Ich nehme also probehalber das Außergewöhnliche aus dem Text heraus, weil der Streit darüber die Botschaft des Paulus zu überdecken droht.

4 Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.

7 Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.

11 Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist,

der einem jeden das Seine zuteilt,

wie er will.

Oder noch kürzer: „verschiedene Gaben, aber ein Geist“, „zum Nutzen aller“, „wie er will“. Darin hören wir einerseits ein Lob der Vielfalt und andererseits eine Mahnung zur Einheit und in allem die Hoffnung, dass der Heilige Geist alles zum Guten richtet.

Ein Besuch in Korinth

Machen wir zunächst eine Zeitreise. Wir finden im Neuen Testament zwei ausführliche Briefe des Paulus an die Korinther. In denen geht es auch um sehr konkrete Dinge aus dem Gemeindeleben. Deshalb können wir ein bisschen erahnen, in welche Situation Paulus schreibt. Damit das nicht bloß erklärend wird, gehe ich wieder in den Erzählmodus. Nicht wie vorhin aus der eigenen Gemeindeerfahrung, sondern in dichter Beschreibung aus der Gemeindeerfahrung in Korinth. Der Fachbegriff „dichte Beschreibung“ bedeutet die Zusammenfassung von verstreuten Einzelinformationen in einen Erzählung. Lassen wir drei Menschen aus einer Korinther Hausgemeinde zu Wort kommen, einen Hausherrn, einen Sklaven und eine Frau.

 

(Ideen für eine Inszenierung: (1) jeweils eine Person im Gegenlicht hinter einem aufgespannten weißen Tuch. (2) analog Gestalten in Overhead/Beamer-Projektion mit Stimmen aus dem off)

a) ein Hausherr

Ich bin gebeten worden, etwas über meine Hausgemeinde zu berichten. Das tue ich gerne. „Hausgemeinde?“ werden Sie fragen. Ja, Hausgemeinde. Wir Christen haben keinen Versammlungsort wie die Ungläubigen mit ihren Tempeln. Als wir selber noch an die falschen Götter glaubten, haben wir es nicht besser gewusst. Aber heute gehen wir da nicht mehr hin. Also muss man sich in den Häusern treffen. Und – nun ja – ich habe ein Haus und ausreichend Platz. Manchmal ist es schon ein bisschen eng. Zum Beispiel, wenn Paulus uns einen seiner Mitarbeiter schickt oder ein anderer christlicher Lehrer uns besucht. Ich habe sogar schon daran gedacht, eine Wand herauszureißen und auf diese Weise zwei Zimmer zu einem großen Raum zu verbinden. Aber wir haben auch noch den Innenhof.

Die Leitung dieser Hausgemeinde ist für mich eine Gabe und Aufgabe. Als Paulus mich zum Glauben an Jesus berufen hat, da waren es nicht viele meiner Art. Ich habe einen kleinen Handel, der mich und meine Leute ernährt. Viele andere in der Gemeinde haben so gut wie nichts. Ich habe, schon von Berufswegen, eine gewisse Führungskraft. Und manchmal habe ich auch Möglichkeiten und Beziehungen, um einem armen Bruder im Herrn zu helfen. Wie gesagt, das alles ist eine große Verantwortung. Aber: Ich weiß, dass ich etwas für den Herrn tue, wenn ich etwas für seine Gemeinde tue. Ich weiß, dass ich das nicht alleine kann, und kann nur hoffen und beten, dass der Geist mir dabei hilft.

Was ich tun kann, tue ich. Ich lege Wert darauf, dass mein ganzes Haus zur Gemeindeversammlung da ist. Schließlich habe ich als Hausvater auch eine religiöse Verantwortung. Dazu kommen dann ein, zwei Freunde aus meinen Kreisen, Christen aus den Mietskasernen und – ja auch – Sklaven, deren Herren dulden, dass sie sich zu Jesus halten. Und wir haben auch ein paar Schwestern im Herrn, wo die Männer zulassen, dass sie gläubig sind. Manchmal gibt es da aber auch böse Worte von den Männern und viele Tränen bei den Frauen. In diesen Fällen ist meine Frau mehr gefragt.

Sie wollten noch wissen, ob es auch Probleme gibt. Ja, die gibt es. Ich will hier aber keine Einzelfälle ausbreiten. In der Regel kommen wir im Leiterkreis der Hausgemeinden damit klar. Manchmal wenden wir uns an Paulus. Der wird dann schon mal deutlich; deutlicher auch, als wir das können. Schließlich wollen und müssen wir ja miteinander weiter leben. Ich glaube, das größte Problem bei uns ist die Lehre. Wir alle sind ja erst zum Glauben dazu gekommen. Wir haben ein paar Rollen mit jüdischen heiligen Schriften, wir haben ein paar Briefe von Paulus Nicht immer können wir wissen, was nun für uns als Christen richtig ist. Nicht immer können wir auch beurteilen, wie richtig ein christlicher Lehrer ist, der uns besucht.

b) Ein Sklave

Ich danke Ihnen, dass Sie auch etwas von mir wissen wollen. Im Alltag habe ich nicht so viel zu sagen. Ich will nicht ungerecht sein: Als mein Herr zum Glauben an Jesus gekommen ist, wurde es auch für uns besser. Aber wir werden nie vergessen, wer er ist und wer wir sind. Paulus hat mal in einem Brief geschrieben: „Da ist nicht Herr, nicht Sklave – ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Das ist richtig und doch falsch. Richtig, weil das der Maßstab ist, den Jesus an seine Gläubigen anlegt. Falsch, weil der Alltag immer noch anders ist. Ich habe von einem Fall gehört, wo ein Sklave seinem Herrn entlaufen ist. Beide Christen! Und selbst Paulus hat den entlaufenen Sklaven zurückgeschickt. Wissen Sie, mein Herr weiß seinen Handel zu führen und das Haus und von mir aus auch die Hausgemeinde. Wir Sklaven bleiben in der zweiten Reihe. Nur ein Beispiel Wir kommen immer erst dann zur Gemeindeversammlung, wenn wirklich alle Arbeit getan ist.

Wir Sklaven hören zu, wenn die Leiter oder ein Gast der Gemeinde über den Glauben sprechen. Es gibt aber doch ein paar Dinge, wo ich etwas besser weiß. Ich weiß zum Beispiel, was Sklaverei ist. Darum weiß ich ganz genau, was Paulus meint, wenn er sagt, dass Jesus uns von der Herrschaft der Sünde befreit. Ich weiß zwar nicht, was alles Sünde ist. Da sind sich auch die Gemeindeleiter nicht einig. Ich weiß aber ganz genau, was es heißt, wenn jemand anderes über dich kommt und über dich herrscht. Ich weiß ganz genau, was Strafe für Ungehorsam ist. Die Striemen auf meinem Rücken zeigen das. Ich weiß noch genau, wie man uns nach der Versklavung „zugeritten“ hat. Ich habe bisher nur von einem Volk gehört, wo man keine Sklaverei haben will, Israel. Ein Volk, das von Gott aus der Sklaverei gerettet wurde. Ein Volk, wo Gott ein Beschützer der „Witwen, Waisen und Fremdlinge“ ist und wo die Sklaven frei gelassen werden sollen. Ich weiß nicht, ob das zu schön ist, um wahr zu sein. Aber es sollte wahr sein. Deshalb bin ich Christ geworden, weil ich frei sein will von der Sünde und frei von einer Welt, in der neun von zehn Männern Sklaven sind. Deshalb habe ich mich in die Gemeinschaft Jesu aufnehmen lassen. Ich habe das Taufwasser den Schmutz des Sklavendaseins abwaschen lassen. Und ich will die Striemen auf meinem Körper nicht mehr als Erinnerung an die Sklaverei nehmen. Sie sollen mich an die Striemen und den Sklaventod erinnern, mit dem Jesus meine ewige Freiheit erworben hat.

Diesen Trost möchte ich gerne an andere Sklaven weitergeben. Aber es ist eine gefährliche Sache. Lassen wir mal beiseite, dass mir ohnehin viele Sklaven nicht glauben. Es ist auch eine Frage, ob die Herren mich und meine Botschaft als Gefahr ansehen. Ich tue trotzdem, was mir zum Auftrag geworden ist, und hoffe, dass mir der Geist die richtigen Augenblicke und die richtigen Worte gibt.

c) Frau

Manchmal denke ich mir. Es wird nichts anders. Als letzte „darf“ ich mich äußern. Ich bin eine Freie und komme doch erst nach dem Sklaven zu Wort. „Das Weib schweige in der Gemeinde“ – so hätten es manche Gemeindeleiter gerne. Sie wollen, dass ich bei irgendwelchen Fragen meinen Mann „zuhause“ frage. Witzig ist nur, dass man sich in meinem Hause trifft…  Ich kenne nur einen Moment, wo wir Frauen nicht schweigen müssen und wenigstens ein bisschen gleich sind: Beim Singen. Das ist zwar manchmal ein Durcheinander, wenn verschiedene Geschwister verschiedene Lieder anstimmen oder ihre ganz eigenen Lieder singen. Aber dennoch.

 

Wie immer sind wir Frauen im Hintergrund wichtig. Ich stehe zwar vor den Versammlungen nicht am Herd, organisiere aber den Haushalt. Ich sehe die Frau, die verweint in die Versammlung kommt, weil ihr Mann das nicht will. Ich sehe die Frau, die etwas auf dem Herzen hat. Und manchmal bin ich auch die Beraterin meines Mannes in Gemeindefragen, weil ich einfach mehr sehe als und weniger rede. Im Übrigen habe ich doch auch einen Glauben, und glauben Sie nicht, dass bei meinem Mann der Glauben immer so fest ist, wie er ihn als Gemeindeleiter leben muss. Ich glaube, ich sage nicht zu viel, dass sein Berufsleben durch den Glauben nicht unbedingt einfacher geworden ist. Er kann ja nun nicht mehr zu den Geschäftsessen gehen, wo Dinge passieren, die man als Ehefrau nicht wissen will. Das heißt auch: Die Kontakte in der Korinther Geschäftswelt sind nicht gerade unmöglich, aber doch schwieriger. Manchmal haben wir das Glück und wir hören von christlichen Geschäftsleuten in anderen Städten. Da versuchen wir natürlich, neue Kontakte zu knüpfen. Es bleibt uns aber auch da nichts anderes als die Hoffnung, dass der Geist uns zu den richtigen Leuten führt.

 

Rückkehr in unsere Zeit

 

Ohne im Blick auf das Neue Testament zu lügen, sind die Zeugnisse auch transparent auf unsere Zeit.

Ich würdige den kleinen oder mittelständischen Unternehmer, der auch heute eine Aufgabe in der Gemeinde übernimmt. Die Kirchengeschichte hat uns dazu geführt, dass man Pfarrer, Pfarrerinnen, Pastoren und Priester als Repräsentanten der Gemeinde sieht. Aber: Jeder Kirchenvorstand braucht Menschen mit finanzieller Expertise und Menschen mit wirtschaftlicher Erfahrung.

Ich würdige den einfachen Mann, der einfach nur sein Zeugnis sagt, so wie es ihm das Leben und das Herz eingeben. Die Kirchengeschichte hat uns dazu geführt, dass man die Werbung für den Glauben und die Unterweisung bei den kirchlichen Angestellten sieht. Aber: Es gibt viele Menschen, zu denen Kirchenleute keinen Zugang finden.

Ich würdige die Frau, die ihren Mann im Glauben und Beruf unterstützt. Die Kirchengeschichte hat uns dazu geführt, dass Glauben als höchst private Sache verstanden wird. Aber: Wenn einem Partner und Familie dabei nicht folgen, ist es schwierig.

Ich möchte nicht versäumen, dass das alles natürlich auch für eine Unternehmerin gilt, für die Jesus-Frau fernab unserer doch eher mittelständischen volkskirchlichen Gemeinden und für den Ehepartner, der den Berufs- und Glaubensweg seiner Frau mitträgt. Wo all das Genannte gelingt, würde ich den Geist am Wirken sehen, auch wenn es nicht unter Wundern und Zeichen ist wie in der Frühzeit der christlichen Gemeinde.

 

Wer das Neue Testament mit Verstand liest, wird merken, das damals nicht alles so ideal oder auch spektakulär war. Es war manches besser, vielleicht, aber auch „wir“ haben unsere Stärken und Vorzüge. Wir haben Gebäude, Kirchen, Gemeindehäuser, Kindergärten, Krankenhäuser, Seniorenheime, Resozialisierungshäuser für entlassene Strafgefangene, Diakonische Einrichtungen und und und. Wenn die Arbeit dort ihre Mitte im Glauben findet, wird der Heilige Geist auch heute Gaben finden und entwickeln. Wir haben Gottesdienste in vielfältigster Art. Wenn sie ihre Mitte im Glauben finden, wird der Heilige Geist auch heute Gaben zur Mitarbeit finden und entwickeln. Wir haben die Kirche als Institution, die viele Aufgaben im Hintergrund des Lebens abnimmt. Wenn auch „die“ Kirche „dem Herrn gehört“, wird der Heilige Geist auch heute Menschen zur Sendung finden und gaben- und aufgabenorientiert entwickeln. Wir haben vielfältige Formen von Gemeinschaft in Gemeinden: Kinder-, Jugend-, Frauen-, Mütter- und Seniorenkreise. Wenn sie ihre Mitte auch im Glauben finden, wird der Heilige Geist auch Wege finden, wie sie nicht nur um Zeiten, Platz oder auch um den einen oder anderen Hunderter rangeln.

 

Man soll ruhig tun, was man kann und will, manchmal auch, was einem zufällt. Eine Entlastung im Gemeindealltag ist die Überzeugung, die wir an Pfingsten feiern, wenn wir das Wirken des Heiligen Geistes feiern. Oder kürzer eben: „verschiedene Gaben, aber ein Geist“, „zum Nutzen aller“ und Gott sei Dank, nicht wie Menschen es für richtig halten, sondern, „wie er will“.

 

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Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und derzeit als Religionslehrer am Melanchthon-Gymnasium Nürnberg tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

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