Weinberglied

Weinberglied

Jesaja 5,1-7 | Reminiszere 2021 | von Ulrich Nembach |

Liebe Gemeinde,

unser heutiger Predigttext ist ein Lied. Es ist ein altes Lied. Es wurde vor rund 2.700 Jahren gesungen. Jesaja, von ihm stammt das Lied. Er sang es und später wurde es aufgeschrieben. Jesaja stellte sich vermutlich auf eine der Gassen im alten Jerusalem hin und sang. So jedenfalls stellt sich ein Ausleger des Liedes das Ganze vor.

Das Lied erzählt die Geschichte von einem Startup. Wir tun so, als ob wir Startups erfunden hätten. Dabei gab es das schon vor 2.700 Jahren. Im Grund genommen ist das selbstverständlich. Auch damals wurden neue Unternehmen gegründet. Wie sollen die Menschen damals anders gelebt haben?

Bei dem Startup handelt es sich um ein besonderes Unternehmen.  Ein Mann legt einen neuen Weinberg an. Er geht dabei sehr sorgfältig um. Hören sie selbst. Wir können dabei eine Menge über die Winzerei lernen. Wir leben in einer Gegend, wo es keinen Weinbau gibt. Es gibt zwar zahlreiche Gegenden in Deutschland, wo Wein, guter Wein angebaut wird. Ich denke – und Ihnen geht es wohl ähnlich – an den Rhein, die Mosel, die Saar, Franken, den Kaiserstuhl und auch an kleinere Gebiete wie die Unstrut.

Also, wird gesagt, wir Nicht-Winzer können von dem Lied gleich Einiges über den Weinbau lernen. Die Winzer werden staunen, wie gut der Sänger über den Weinbau informiert ist.

Ehe wir das Lied uns anhören, möchte ich noch eine Vorbemerkung machen. Das Lied ist sehr komprimiert und enthält neben den Aussagen zum Weinberg gleich mehrere weitere Gedanken. Diese – und das erschwert etwas das Ganze – sind kompliziert und werden in einer sehr komprimierten Weise vorgetragen. Ich habe mir deshalb überlegt, das Lied in seinen einzelnen Versen vorzutragen. Also ich lese nicht den ganzen Predigttext auf einmal, sondern werde Schritt für Schritt vorgehen.

So beginnt das Lied.

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Jesaja 5, Vers 1 und ein Teil von Vers 2:

„Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.

2 Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte;..“

Jesaja singt von seinem Freund. Er kennt ihn offenbar gut. Er schätzt, ja liebt ihn. Dieser Freund startet ein Startup. Ja, das gab es schon damals. Es wäre auch seltsam, wenn die Menschen vor 2.700 Jahren nicht auch Neues begonnen hätten. Also der Freund des Liedsängers legt einen Weinberg an. Dafür sucht er sich einen gut geeigneten Ort aus und macht sich umsichtig ans Werk. Er gräbt den Boden um. Steine werden entfernt, Die Reben werden gepflanzt. Der Freund tut noch mehr. Er baut einen Turm und gräbt eine Kelter, um später den Saft der Reben auf zu fangen. Damit ist alles getan. Nun beginnt wie auch für die Bauern nach der Saat das Warten. Der Freund ist erwartungsvoll. Er kann es auch sein, denn er hat alles, wirklich alles getan.

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Aber. Ja, Aber. Es kommt ganz anders als der Freund es erwartet hat. Hören Sie selbst

Jesaja, 5 Vers 2b:

„aber er; der Weinberg, brachte schlechte“ Früchte.“

Das kann doch nicht wahr sein., denken wir. Das ist unsere erste Reaktion. Doch es stimmt sagt der Prophet Jesaja.  Er geht noch einen Schritt weiter. Er ruf seine Zuhörer, Bürger Jerusalems, zu Zeugen auf. Sie verstehen offenbar Einiges vom Weinbau.  Und er macht noch etwas. Er wechselt die Person. Er spricht nicht mehr von „seinem Freund“, sondern von sich selbst. Er geht noch weiter. Er macht die Zuhörer zu Richtern. Er sagt nicht beispielsweise: „Was meinen Sie dazu? Habe ich etwas falsch gemacht?“ Nein, er macht sie zu Richtern zwischen sich und dem Weinberg. Hören Sie selbst:

Jesaja 5, die Verse 3 und 4:

„3 Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!

4 Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?“

„Was sollte man noch mehr tun?“  Die Zuhörer, die Bürger Jerusalem – damals arbeiten sie offenbar in den Weinbergen der Umgebung und nicht auch die Frauen. Sie, die Zuhörer sind Fachleute. Sie kennen den Weinbau, Die Bedeutung der Lage eines Weinberges ist wichtig für die Güte des Weins. Sie wissen, wie ein Weinberg zu bearbeiten ist.

Ihre Antwort kann darum nur sein: Nichts. Nichts ist vergessen oder falsch gemacht worden.- Diese Antwort, aber wartet Jesaja gar nicht ab. Sie ist selbst verständlich. Er  kommt darum gleich zur Konsequenz.  Er sagt den Männern, was er tun wird. Die Rede vom Freund, der einen Weinberg anlegt, ist, ist nur eine Metapher, ein Bild. Hören Sie auch hier selbst:

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Jesaja 5, die Verse 5 und 6:

„5 Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde.

6 Ich will ihn wüst liegen lassen, da er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.“

Kurz zusammengefasst: Die Reaktion ist das Ende des Weinberges. Er wird zerstört. Und wieder geht Jesaja ins Detail. Der Zaun wird weggenommen, damit alle, Mensch und Tier Zuritt haben. Die Mauer wird eingerissen. Schritt für Schritt wird getan, damit der Weinberg zerstört wird. Zum Schluss wird gar der Regen ausgesperrt. Trockenheit ist angesagt.

Regen soll ausbleiben. Das kann ein Winzer nicht tun. Er ist nicht in der Lage, dem Wetter zu verbieten zu regnen. Mit dieser Aussage wird unterstrichen, dass das ganze Lied ein Gleichnis, eine Beispielerzählung ist. Es geht hier um Gott und das Volk Israel. Jesaja spricht als Prophet.

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Was da los ist, lesen wir am Schluss des Liedes vom Weinberg. Dort heißt es in Vers 7.

Jesaja 5, Vers 7:

„7 Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.“

Rechtsbruch anstatt Gerechtigkeit. Was das heißt, wissen wir alle, erleben wir alle Tage. Ich kehre vor unserer Türe. Wir leben in der Passionszeit, eine Bußzeit. De Schere zwischen Reich und Arm geht immer weiter auseinander. Das wissen wir alle, aber was geschieht? Nichts. Während manche angesichts des Lockdown um ihre Existenz bangen, werden andere reicher. Die reichen Länder der Erde haben sich einen großen Anteil an den Impfstoffen gegen Corona reserviert, aber die reichen Länder, also auch wir, machen insgesamt nur 1/3 der Weltbevölkerung aus. Homeoffice und Homeschooling lassen nicht Familien enger zusammenrücken, ermöglichen Menschen nicht, sich zu umarmen, sondern Streit bricht aus.

Dabei kennen wir alle dieses Wort: LIEBE DEINEN NÄCHSTEN WIE DICH SELBST.

Amen

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach

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