Wider die selbstgerechte Religiosität…

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Wider die selbstgerechte Religiosität…

Wider die selbstgerechte Religiosität, die Rituale ernster nimmt als das Leben | Markus 2,14-22 (dänische Perikopenordnung) |verfasst von Eva Tøjner Götke| 

 

 

 

 

Ein Mann fragte mich einmal nach einem Gottesdienst – und sich selbst, was wohl aus so einem wie Levi geworden ist.

Was aus all den Menschen geworden ist, denen Jesus auf seinem Weg begegnet ist, die alles, was sie in der Hand hatten, liegen ließen und ihm folgten.

So wie Levi.

Diese Frage betrifft ja unausweichlich uns selbst und die Art und Weise, in der wir unserem Glauben Form verleihen – oder besser unsere Taufe ein neues Leben sein lassen.

Neu in welcher Hinsicht?

Das müssen wir uns selbst fragen: Was ist es, was wir gerne in Bezug auf unser Leben als Freiheit erfahren möchten? Freiheit von etwas, was vielleicht unser Leben bestimmt, von dem wir uns aber nicht leiten lassen wollen.

Was könnte es für das Leben von Levi bedeutet haben, dass er sein Haus für diese Mahlzeiten mit halb- und vollkriminellen Menschen zur Verfügung gestellt hatte? Menschen am Rande der Gesellschaft, um nicht zu sagen außerhalb der guten Gesellschaft von bürgerlichen Normen und dem religiös vorgeschriebenen Lebensstil – das, was wir heute ein ‚ordentliches‘ Leben nennen würden.d

Ist er vielleicht zu seinem Zollamt zurückgekehrt und hat wieder Geld gezählt – die eingeforderten Steuern für die römischen Machthaber?

Zählte das Geld nach seinem eigenen Ritual mit Säulen von Münzen je nach Größe und Wert?

Welch ein Anblick! Und er passte auf, dass sie nicht umfielen.

Es trug bei zu einer Zufriedenheit, auch Tricks anzuwenden, ohne dass es jemand merkt – Geldwäsche, damit er auch etwas für sich behält. Dafür waren die Zöllner ja berüchtigt.

Oder – vielleicht hat die vielen Bonmots Jesu wörtlich genommen – neuer Wein in neuen Ledersäcken – diese radikale Botschaft. Hat er sich die zu Herzen genommen?

Vielleicht hat ihn dies zu einem Fanatiker gemacht? Da ist eine gewisse starke Radikalität in den Worten Jesu, so wie er hier redet: „Die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken“.

„Flickt man einen neuen Lappen auf ein altes Kleid? Nein, neue Lappen auf neue Ledersäcke“.

Vorwärts! En marche!

Oder – bedeutete die Begegnung dort am Zoll mit diesem leuchtenden Mensch Jesus, der plötzlich von einem Augenblick zum anderen dastand und ihn rief mit einer Stimme, die direkt ins Herz ging, dass er aus dem herausgerufen wurde, was das ‚Grab des Unterganges‘ war für ihn, für Levi, heraus aus Sumpf und Schlamm – ihn herauszog aus der Leere – und einen neuen Weg wies?

Einen ganz neuen Weg. Eine ganz neue Bewegung.

Eine ganz neue Weise zu leben mit seinem Gott: Gott mit anderen teilen. Einfach so. Ohne andere zu verurteilen, sondern Gott mit anderen zu teilen. So wie Gott durch Jesus Christus das Seine ganz mit dem Menschen teilt.

Und vielleicht hat ihn die Freue bei all diesen Mahlzeiten – mit dieser bunt gemischten Versammlung – gelehrt, dass es für uns alle darum geht, das Haus zu öffnen, nicht nur für de besonders Erwählten, sondern für alle. Offen zu sein.

Dass es darum geht, seinen Reichtum mit anderen zu teilen.

Nicht als ein moralisch erhobener Zeigefinger, so wie wenn nach einem Gottesdienst gesammelt wird – sondern etwas, was sich von selbst ergibt, die Freude am Geben und Teilen mit anderen. Nicht um etwas wiederzubekommen, sondern weil …

Ja,  nicht ein weil – sondern nur: weil man nicht anders kann?

Und das können wir ja doch sehr wohl – es nicht tun.

Und deshalb habe wir einige Gesetze und Regeln, die uns selbst und einander beschützen vor Gier und Egoismus.

Deshalb haben wir Gesetze und Regeln. Das war die Botschaft Jesu in eine Zeit hinein, wo die Gesetze und Regeln religiös begründet waren – als wären sie für Gott da.

Sie sind ja für uns da. Um uns selbst vor Gier und Egoismus zu schützen, vor selbstgerechter Religiosität.

 

Die Jünger des Johannes fasten, deine Jünger nicht? Worauf soll das hinaus?

Und Jesus antwortet: Lasst sie fasten so viel sie wollen.

Das muss niemand – und schon gar nicht jetzt, wo wir zusammen sind, um zu feiern und fröhlich zu sein.

Aber eines Tages kann es vielleicht gut für euch sein zu fasten – um eurer selbst willen, nicht für Gott.

 

Oder:

Das Gesetz sagt, dass wir den Feiertag achten sollen, denn er ist heilig – und du läufst umher und heilst Kranke zur Kirchzeit?

Die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken. Haltet den Feiertag, wie ihr wollt. Das ist gut für Euch. Aber richtet nicht, damit ihr nicht selbst gerichtet werdet.

Und die Liste ist lang.

Denn Jesus entzog der selbstgerechten Religiosität den Boden, die ihre Rituale und Traditionen mehr ernst nimmt als das Wohl und Wehe des Nächsten und das Leben selbst.

Und es endete mit einem Bruch.

Vielleicht war Levi mit in der Bewegung, die mit dem Judentum brach und ihre eigenen Gemeinden gründete – mit Ihm im Zentrum, der mit dem Licht und dem Leben kommt als eine Stimme, die direkt zu Herzen geht – und uns herauszieht aus dem Grab des Unterganges und unseren Fuß auf den Felsen setzt, so dass wie fest stehen – einen Grund erhalten – etwas, was hält und trägt in unserem Dasein – was auch geschieht.

Und vielleicht wurde Levi auch das neue Lied in den Mund gelegt, ein Lobgesang an unseren Gott – der uns hilft, unser Herz zu stimmen und offen zu sein für die Liebe, die uns in unerklärlicher Weise uns selbst und was wir haben und unsere halbneurotischen Routinen und Rituale vergessen lässt und uns frei macht.

Und vielleicht – hoffentlich – bedeutet all dies hier, dass wir, jeder für sich, dazu befreit werden, unserem Glauben eine Form zu geben, die unserem Leben einen Sinn verleiht, jedem für sich, so wie es jetzt aussieht – ohne einander zu verurteilen – durch Gebet, durch Gesang, durch Anzünden von Licht, vielleicht einen Spaziergang im Wald – all das, was wir auch tun, nicht für Gott, sondern für uns selbst. Damit uns Anlass gegeben wird, die Augen für all das zu öffnen, worüber man sich freuen kann, all das, was uns geschenkt wird, die Gnade! Ein schöner Morgen mit Tau auf den Äpfeln im Gras. Ein Gottesdienst hier in einem ruhigen Villenviertel, der Raum gibt für eine Mahlzeit, eine Gemeinschaft, eine Taufe – für Glaube und Hoffnung. Amen.

 

 

Pastorin Eva Tøjner Götke

DK-5230 Odense M

Email: etg(at)km.dk

 

 

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