Liedpredigt über EG 70

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Liedpredigt über EG 70

Wie schön leuchtet der Morgenstern | Liedpredigt über EG 70 (Tageslied)* | Epiphanias | 6. Januar 2022 | verfasst von Wibke Klomp |

  1. Wie schön leuchtet der Morgenstern

voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,

die süße Wurzel Jesse.

Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,

mein König und mein Bräutigam,

hast mir mein Herz besessen;

lieblich, freundlich,

schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben,

hoch und sehr prächtig erhaben.

 

  1. Ei meine Perl, du werte Kron,

wahr’ Gottes und Marien Sohn,

ein hochgeborner König!

Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum;

dein süßes Evangelium

ist lauter Milch und Honig.

Ei mein Blümlein,

Hosianna! Himmlisch Manna, das wir essen,

deiner kann ich nicht vergessen.

 

  1. Gieß sehr tief in das Herz hinein,

du leuchtend Kleinod, edler Stein,

mir deiner Liebe Flamme,

dass ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib

an deinem auserwählten Leib,

ein Zweig an deinem Stamme.

Nach dir wallt mir

mein Gemüte, ewge Güte, bis es findet

dich, des Liebe mich entzündet.

Herrnhuter Stern in der Stiftskirche zu Wertheim 2021 Foto: Wibke Klomp. Das Deckengewölbe des Chorraumes ist mit Paradiesblumen ausgemalt.

Meditation I

„Wie schön leuchtet der Morgenstern“ haben wir uns zugesungen. Ein gegenseitiger Hinweis auf das Licht Gottes, das uns in diesen Tagen auf eigene Weise bescheint. Es ist da. Es leuchtet über uns, ganz unabhängig von dem, was uns schon an den ersten Tagen des neuen Jahres in Beschlag genommen hat. Ganz unabhängig von all dem, was die vergangenen Monate für uns hat schwer sein lassen.

Der Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ singt sich für mich in diesem Jahr anders als in den Jahren zuvor. Sein Text berührt mich, weil er mich einlädt, meinen Kopf zum Himmel zu erheben und darauf zu setzen, dass es mehr als das Irdische Hier und Jetzt gibt. Und das ist auch kein Wunder, denn Philipp Nicolai hat das Lied wohl um 1597/98 in Unna gedichtet, nachdem dort die Pest ausgebrochen war. Täglich sollen in dieser Zeit vor seinem Haus auf dem Kirchhof bis zu dreizig Bestattungen durchgeführt worden sein. Darunter auch seine beiden Schwestern, die mit ihm gelebt haben. Der Schmerz muss groß gewesen sein und er klingt mit diesem Wissen bis in unsere Zeit durch. Kein Wunder darum, dass Philipp Nicolai für sein Lied Worte aus dem Schlusskapitel der Offenbarung aufgreift, in denen Jesus sich als heller Morgenstern beschreibt. Der ganze Schluss der Offenbarung ist erfüllt davon, dass Gott unsere Tränen abwischen wird und wir bei ihm im himmlischen Jerusalem eine neue Heimat finden werden. Dort gibt es keine Nacht und Finsternis mehr, denn Gottes Licht füllt alles Sein aus.

Indirekt greift der Lieddichter dazu Psalm 45 auf: Sein Herz dichtet ein feines Lied, dass er – und wir heute mit ihm – dem König singen auch das „Ei meine Perl, du werte Kron“ spielt auf diesen Psalm an. Wie überhaupt die Eingangsverse Zitate aus dem ganzen Alten wie aus dem Neuen Testament sind. Der Lieddichter geht einmal quer durch die Bibel: Gott ist uns Menschen durch die Zeit hindurch treu. Die Worte des Propheten Jesajas haben sich erfüllt. Es finden sich Anklänge aus dem Hohen Lied der Liebe. Jesus ist das „himmlische Manna“ durch das uns Gott auf unserem Weg jetzt gegen alles Böse stärkt, wie er einst sein Volk auf dem Weg aus Ägypten gestärkt hat. Jesus ist das Haupt, wir seine Glieder in Anspielung auf die Worte des Apostels Paulus in seinem Brief an die Korinther. Ganz gleich was kommt, ist hier zu spüren: Jesus ist für die Seinen da.

„Wie schön leuchtet der Morgenstern“ ist ein Bekenntnislied durch und durch. Seine Melodie ruhig und getragen und zwischendurch doch aufbrechend. Ein Lied, das uns einlädt, uns vom Morgenstern bescheinen zu lassen und in sein Licht all das hineinzulegen, was unser Herz schwer sein lässt. Doch Vorsicht! Die Gefahr ist groß, dass wir zu sehr bei uns und unserem eigenen Leid verharren. Wir sind ein Gliedmaß am auserwählten Leib, nur ein Zweig am Stamm. Vielleicht tut es uns gut, wenigstens einen kleinen Augenblick einen Schritt zurückzutreten und auf die anderen Glieder und Zweige zu schauen. Denn der Morgenschein bescheint nicht mich allein, er steht hoch am Firmament über Gottes gesamter Schöpfung. Er gilt den Menschen, die auf dem Mittelmeer um ihr Leben bangen. Er gilt denen, die am Rande der Erschöpfung an vielen Orten ihren treuen Dienst in der nicht aufhören wollenden Pandemie leisten. Er gilt den Menschen in den Slums und Krisengebieten dieser Welt […eigene Anliegen und Beispiele] – wie mir. Das Licht leuchtet uns allen in unserer Verschiedenheit. In unserer Traurigkeit. Es schenkt uns Hoffnung und Freude, wo es doch so schien, dass es gar keine mehr gibt.

  1. Von Gott kommt mir ein Freudenschein,

wenn du mich mit den Augen dein

gar freundlich tust anblicken.

Herr Jesu, du mein trautes Gut,

dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut

mich innerlich erquicken.

Nimm mich freundlich

in dein Arme und erbarme dich in Gnaden;

auf dein Wort komm ich geladen.

 

  1. Herr Gott Vater, mein starker Held,

du hast mich ewig vor der Welt

in deinem Sohn geliebet.

Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut,

er ist mein Schatz, ich seine Braut,

drum mich auch nichts betrübet.

Eia, eia,

himmlisch Leben wird er geben mir dort oben;

ewig soll mein Herz ihn loben.

 

Meditation II

Ein Freudenschein fällt in unser Leben hinein. Christus als Licht der Welt. Inniglich, beinah zärtlich dichtet Nicolai. Große Sehnsucht nach Nähe entfaltet der Theologe, wenn er darum bittet, dass Jesus ihn – und damit auch uns – freundlich umarmen möge. Nähe, die guttut. Das Gefühl, sich aufgehoben und geborgen zu fühlen, eingehüllt in Licht und Liebe – und dieser Wunsch stammt von einem Mann, der in seinem Alltag ganz und gar nicht zimperlich mit seinen Kollegen umgegangen sein soll.

Die vierte Strophe ist die zentrale Strophe des Liedes. „Auf dein Wort komm ich geladen“ – nun wird deutlich, was sich zuvor schon zeigte: Jesus gibt sich im Abendmahl in Brot und Wein. Ganz nahe kommt er uns und schenkt uns seine Kraft. Der Gottessohn befreit uns von dem, was unser Leben schwer sein lässt, so wie sein Vater ihn als „starker Held“ von den Fesseln des Todes befreit hat. Seine Liebe ist unendlich und reißt uns aus dem irdischen Leben zu sich in den Himmel. Es ist ein Tanz, der sich da zwischen Braut und Bräutigam entwickelt, den Johann Sebastian Bach in seinem vierstimmigen Satz auf besondere Weise vertont hat – und wir gleich miteinander singen werden. (Strophe 6 ist im Gesangbuch vierstimmig abgedruckt). Ein Tanz, bei dem wir eingeladen sind, mitzutanzen, ja, sogar, dazu zu klatschen. Ein Tanz, der wenige Momente vorher noch undenkbar schien. Dies macht für mich den Reiz des Liedes aus. Das Göttliche umfängt unser menschliches Leid und löst die Emotionen. Ich kann und darf loslassen. Loslassen von meinem Schmerz über die Situation, loslassen von meiner Trauer, loslassen von  […eigene Anliegen und Beispiele ….]

Und bei diesem Loslassen verliere ich mich nicht in ein Nichts ohne Grund, sondern werde aufgefangen und in die Arme genommen – von Gott, von der Musik, diesen ruhigen und eingehenden Klängen. Vielleicht ist das der Grund, warum das Lied von Generation zu Generation weitergegeben wird und einen festen Platz in den Gesangbüchern durch die Jahrhunderte gefunden und Komponisten zu eigenen Interpretationen inspiriert hat. Dieses Lied schenkt echten Trost, es ver-tröstet nicht. Es stellt das Licht nicht nur auf einen Scheffel, es hebt es hoch, damit es aller Welt leuchtet. Und wir? Wir lassen uns mitnehmen von der Schönheit des Klanges und gehen vorher vielleicht noch einmal kurz einen kleinen Schritt zurück und überlegen für uns, wen wir gerne mit in dieses Licht nehmen würden. Wen wir wo zum Tanz abholen – um miteinander Gottes Licht auszukosten und weiterzugeben. Amen

  1. Zwingt die Saiten in Cythara

und lasst die süße Musika

ganz freudenreich erschallen,

dass ich möge mit Jesulein,

dem wunderschönen Bräut’gam mein,

in steter Liebe wallen.

Singet, springet,

jubilieret, triumphieret, dankt dem Herren;

groß ist der König der Ehren.

 

  1. Wie bin ich doch so herzlich froh,

dass mein Schatz ist das A und O,

der Anfang und das Ende.

Er wird mich doch zu seinem Preis

aufnehmen in das Paradeis;

des klopf ich in die Hände.

Amen, Amen,

komm du schöne Freudenkrone, bleib nicht lange;

deiner wart ich mit Verlangen.


* Es ist eine Kurzpredigt, um den geltenden Gottesdienstregeln zu entsprechen. In manchen Landeskirchen wird zur Zeit leider nicht gesungen, da könnte der Kantor*in stellvertretend für die Gemeinde singen.

Literatur:

Die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs, Kassel, Basel 2012

Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch, Göttingen 1970

Fürbitten

Möglicher Liedruf: „Christus höre uns!“ Aus „Wo wir dich loben“, Nr. 13

Gott des Himmels und der Erde,

wir danken dir für deinen Sohn Jesus Christus.

Er ist der Morgenstern, dessen Licht unser Leben ausleuchtet.

Wir bitten dich für die Kinder dieser Welt,

dass sie zu fröhlichen und mutigen Menschen heranwachsen,

die mit offenen Augen durch die Welt gehen,

und ein offenes Herz für ihre Mitmenschen haben:

Liedruf

Wir bitten dich um dein Licht für alle,

die für ihr eigenes Leben oder das Leben anderer nur noch schwarz sehen:

Weil sie eine Krankheit plagt.

Weil sie keine Kraft mehr in sich finden.

Weil der Tod eines lieben Menschen ihnen den Boden unter den Füßen fort gerissen hat.

Weil die Pandemie ihnen zusetzt.

Schenke ihnen Hoffnung und Zuversicht, lass sie spüren, dass sie nicht allein sind.

Liedruf

Wir bitten dich um dein Licht für alle,

deren Leben nach Liebe dürstet:

Weil sie Gleichgültigkeit erfahren.

Weil sich niemand für sie zu interessieren scheint.

Weil ihre Eltern ihrer Aufgabe nicht gerecht werden.

Hilf, dass sie Orte der Geborgenheit finden und ihr eignes Herz spüren.

Liedruf

Wir bitten dich um dein Licht für alle kleinen und großen Sternsänger,

die in den kommenden Tagen unterwegs sind,

um dein Licht auszubreiten und zu bezeugen.

Mache sie und uns alle zu Boten des Glaubens,

dass wir über uns selbst hinausschauen

und wo immer es möglich ist, den Frieden suchen und deine Liebe leben.

Liedruf

In der Stille…

Wibke Klomp, Wertheim

Wibke.klomp@kbz.ekiba.de

Wibke Klomp, geb. 1975, Pfarrerin der evangelischen Landeskirche in Baden. Seit 2020 Dekanin des Evangelischen Kirchenbezirks Wertheim und Pfarrerin an der Stiftskirche Wertheim. Seit 1996 zusammen mit ihrem Ehemann Carsten Klomp Autorin der „Liedvorschläge“ der Evangelischen Landeskirche in Baden.

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