Zwischen Zweifel und Glauben

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Zwischen Zweifel und Glauben

Zwischen Zweifel und Glauben – Ein Dialog zwischen Petrus und Thomas | 11.4.21 | Johannes 20,19-31 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Anders Kjærsig |

 

Die beiden sitzen auf einer Bank und diskutieren die Existenz Gottes. Es könnten die beiden Jünger sein, aber es könnten auch andere sein.

 

Petrus: Glaubst du an Gott?

Thomas: Hm, ich weiß nicht richtig, aber an irgendetwas glaube ich wohl. Ich glaube nicht an einen alten Mann mit Bart, der oben im Himmel auf seinem Thron sitzt und Sonne und Mond hoch und runter bewegt. Ich glaube auch nicht daran, dass er die Erde in sechs Tagen geschaffen hat und dann am siebten Tag freigehabt hat.  Ich glaube auch nicht an den Garten des Paradieses, aus dem er die beiden ersten Menschen verjagte. Ich glaube überhaupt nicht an Geschichten, die uns von Gott erzählt worden sind.

Aber ich glaube an irgendetwas. Ich glaube an irgendetwas hinter allem, das uns leitet. Ich glaube an ein Bewusstsein, das etwas anderes und mehr ist als die Gesetzmäßigkeit von DNA-Molekülen. Ich glaube an irgendetwas jenseits von Zeit und Raum, jenseits der Unendlichkeit. Ich glaube an Zusammenhänge, deren Existenz wir vielleicht kaum kennen. Und ich glaube, dass viele Mystik, viel Religion ein Stück von Wahrheiten enthält.

Ich glaube an ein Schicksal. Ich glaube an die Ewigkeit der Energien. An den Geist des Lebens. An Schwingungen, an den Grundton der Wellenbewegungen, den Gesang des Universums. Ich glaube, dass alles im Grunde dasselbe ist – nur in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Ich glaube, vielleicht ist Gott das Universum, und wir sind seine Gedanken. Ich glaube, dass er vielleicht die dynamische Bewegung selbst ist – BING BANG vom Ursprung der Zeiten bis zum Ende der Zeiten.

Petrus: Aber du glaubst also nicht richtig an Gott?

Thomas: Ja, ich würde jedenfalls nicht sagen, dass ich nicht an ihn glaube. Früher schien es mir das meist Unwahrscheinliche, daran zu glauben, die aller sinnloseste Wahrheit, der man vertrauen könnte. Aber mit der Zeit, wo die eine Wahrheit die andere abgelöst hat, erscheint er mir nun die am wenigsten sinnlose Wahrheit zu sein. Und er hat sich im Gegensatz zu den anderen Wahrheiten nicht verändert. Er ist noch immer derselbe, etwas veraltet und ein einfältiges Haus. Seine Mängel und Fehler sind deutlich. Aber das macht ihn dennoch mehr vertrauenswürdig, wenn man all die funkelnden neuen Wahrheiten satthat, die einem jedes Mal mit demselben funkelnden Ernst präsentiert werden. Das wirkt fast rührend und komisch, wenn man bedenkt, wie lange sie sich halten.

Petrus: Du glaubst also an Gott?

Thomas: Ja, ich glaube irgendwie an Gott, aber es gefällt mir wahrlich gar nicht, dass man ihn mit diesem Jesus von Nazareth identifiziert hat. Das passte nicht zu ihm und hat den guten Ruf Gottes beschädigt. Diese Geschichte hat bloß den Glauben an Gott schwergemacht, an das Göttliche oder wie auch immer man es nennt.

Selbstverständlich hat er gute und richtige Dinge gesagt, dieser kleine Mann aus Nazareth – na klar. Aber wenn das Gott sein soll, nein. Dazu war es zu menschlich, manchmal zu grob und hin und wieder zu fromm. Aber viel zu wenig, um das Rätsel des Lebens zu ergründen. Nein, an ihn glaube ich nicht! Ich habe keinen Glauben an ihn! Eine ordentliche Wahrheit muss über Zeit und Raum erhaben sein. Eine ordentliche Wahrheit ist nicht von einem Menschen abhängig. Sie ist unbestreitbar und klar.

Nein, Jesus ist und bleibt eine problematische Bekanntschaft. Eine Irritation in unserem irdischen Bewusstsein. Ein ewig juckender und irritierender Dorn im Auge, der uns ständig daran erinnert, wo wir sind. Nie wird uns erlaubt, fromm und selbstvergessen das himmlische Licht zu schauen, immer wird uns diese Irritation zu dem Ort zurückrufen, wo wir sind. Erde von Erde, Staub von Staub.

Hier endet zunächst der Dialog. Thomas und Petrus kehren nach ihrer Himmelflucht zurück zur Wirklichkeit.

Thomas denkt laut:

Da sitzen wir wieder in der schlimmen Welt und meckern. Ach was für eine schlimme Sache, ein Leben ohne Sinn. Und der Mensch, dieses bizarre und lächerliche Wesen. Weinerlich und bauernschlau, immer mit Versuchen, einen Kuhhandel einzugehen, auch wenn er immer etwas schuldig bleibt. Ein Kopf, der eine Abnormität am verlängerten Rückenmark entwickelt hat, das Gehirn – eine Büchse der Pandora voll mit allen Qualen der Hölle.

Hier sitzen Petrus und ich mit Blei im Körper und fluchen still über das Leben, während wir mit der Hacke versuchen, den Kopf eines verdammten Löwenzahns zu zertreten. Da kommt ein ganz kleiner Mann und stellt sich neben uns. Er ist nicht sehr groß, aber ist ja da.

Wir bemerken ihn, und wir verhöhnen ihn, weil er so klein ist. Aber es ist so, je mehr Aufmerksamkeit wir ihm widmen, desto mehr wächst er. Wir verfluchen ihn für alles Elend der Welt, für unser Elend, für alle Dummköpfe. Aber er sagt nichts. Er hört zu mit einem idiotisch offenen und ernsten Ausdruck im Gesicht, so als wäre er kurzsichtig.

Thomas sagt zu ihm: Ja, schon gut mit dir. Du bildest dir wohl ein, dass du eine menschenfreundliche Seele bist, nur weil du dastehst und zuhörst mit diesem blöden Blick und Ausdruck im Gesicht. Aber du bist nur ein Narr, fährt Thomas fort. Ein Riesennarr. Und all was, was du da überall gesagt und getan hast, als du lebtest, das ist nichts anderes als Betrug. Es stimmt nicht.

Du sprachst davon, die Welt zu lieben – Blödsinn! Nein, wenn du die Menschen ein wenig besser gekannt hättest, so gekannt hättest wie ich, dann wärst du zuhause in Nazareth geblieben und hättest eine solide Schreinerei gegründet, sagt Thomas höhnisch.

Aber bei Gott, das reichte dir nicht. Du meintest die Welt erlösen zu müssen. Du musstest absolut den Leuten fromme Grillen in den Kopf setzen. Se waren besser als ihr Ruf, meintest du. Trottel, ich werde dir erklären, wie gründlich du dich geirrt hast. Die Menschen sind 100% Egoisten. Nur darauf aus, einander zu betrügen. Kannst du nun verstehen, warum mich nichts für dich übrighabe, ruft Thomas nun. Kannst du nun verstehen, warum ich dir nicht über den Weg traue?

Der kleine Mann wollte gehen, aber Thomas greift schnell ein und sagt streng: Du gehst nicht! Nun musst du es nehmen wie ein Mann. Übrigens geht es einem besser, wenn man abgeladen hat, und die Wahrheit hört niemand gern. Aber das erfordert natürlich, dass jemand zuhört. Das erfordert, dass jemand einen ernst nimmt, sagt Thomas und fährt fort: Hör nun, Mann zu Mann, du kannst ja wohl sehen, dass man nicht an so einen wie dich glauben kann. Du bist ja auch nur ein Mensch.

Der kleine Mann versucht, zu Worte zu kommen, aber Thomas weist ihn resolut zurück: Nein, lass mich erst zu Ende reden …

Du sprichst vom Menschen, ruft Thomas anklagend und fährt fort: Ach, das sind alles Rindviecher, alle zusammen. Wanzen, schlimmer als Ratten! All dieser Quatsch von den Seligen, von Frieden und Freude, das kannst du für dich behalten. Wir sind trotz allem keine totalen Idioten. Und was diese Welt an geht, so habe ich meine Überzeugungen, sagt Thomas stolz. Es reicht, wir müssen weiter.

Petrus und Thomas erheben sich und gehen aus der Stadt. Auf dem Wege sagt Thomas zu Petrus: Netter Kerl, dieser Mann. Etwas naiv, aber nett. Hält sich übrigens gut, wenn man die Verhältnisse in Betracht zieht. Aber er muss ja verrückt sein, wenn er glaubt, dass moderne Menschen so etwas glauben können sollen …

Auf dem Wege aus der Stadt sehen sie ein Schild, auf dem steht:

Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. So schrieb Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums. Und das ist wahr. Es ist nicht einmal gelungen, es wegzureden – nicht völlig. Aber sollte es eines Tages geschehen, sollte es eines Tages geschehen, dass unser kleiner Mann nicht da war, dann würden wir uns suchend umschauen. Wo ist er nur abgeblieben? Wer soll uns nun zuhören? Wer soll uns widersprechen?

Thomas sagt zu Petrus: Übrigens, was war das nun, was er immer sagen wollte?

Selig sind die, die Frieden stiften ..? Oder was?

 

Amen.

 

Pastor Anders Kjærsig

5881 Skårup Fyn

Emal: ankj(at)km.dk

 

 

 

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