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Theologisches Seminar | Theologische und Religionswissenschaftliche Fakultät Zentrum für Kirchenentwicklung

Die Zürcher Reformierten ringen um Reformen

Schliessen sich kleine Kirchgemeinden im Kanton Zürich nicht zusammen, verlieren sie ihre Pfarrstellen. So sieht es die neue Kirchenordnung vor, um die in der Synode heftig gestritten wird.

Bericht von Dorothee Vögeli in der NZZ.

Einst gehörten der Kirche Zwinglis rund drei Viertel der Zürcher Bevölkerung an. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sie über 150 000 Mitglieder verloren, ein Ende des Mitgliederschwundes ist nicht in Sicht. Kaum jemand zweifelt deshalb daran, dass ein Aderlass bei den zu gross und zu teuer gewordenen Strukturen nötig ist. Erreicht werden soll dies mit Fusionen. Nach Ansicht des Kirchenrats werden im Kanton Zürich bis 2023 rund drei Viertel der Kirchgemeinden verschwinden und die grösseren Einheiten dafür flexibler und professioneller werden.

Stellen verschwinden

Den Anfang macht die Stadt Zürich. Anfang nächsten Jahres schliessen sich 32 Kirchgemeinden zur grössten Kirchgemeinde der Schweiz zusammen. Diese wird 80 000 Mitglieder zählen. Damit sie die heutigen Kirchgemeindeversammlungen durch ein Parlament ersetzen kann, braucht es eine Anpassung der Kirchenordnung. Über deren Teilrevision, in der es auch um Pfarrstellen, Wohnsitzpflichten oder Anpassungen bei der Gestaltung von Taufe, Trauung und Abdankung geht, debattiert momentan die reformierte Kirchensynode.

Den grössten Streitpunkt bildet der vom Kirchenrat vorgeschlagene Schlüssel zur Zuteilung von Pfarrstellen. Neu soll die Zahl der Mitglieder für eine Pfarrstelle von 1000 auf 2000 angehoben werden. Damit drohen kleinen Gemeinden Stellenkürzungen, die der Verein «reformiertbewegt» nicht hinnehmen will. Wie er in einem Communiqué schreibt, müssten zwei Drittel der heutigen Kirchgemeinden mit einer Stellenreduktion rechnen – sofern sie sich nicht mit anderen zusammenschliessen.

Der Aufstand der Kleinen

Der Verein, in dem sich auch der Theologieprofessor Ralph Kunz engagiert, möchte schweizweit eine Debattenkultur innerhalb des reformierten Kirchenvolkes anstossen. Laut Kunz formiert sich der Verein offiziell erst am 20. April. Da nun aber am kommenden Dienstag in der Zürcher Synode die heisse Debatte über die Zukunft kleiner Kirchgemeinden anstehe, bringe man sich bereits jetzt in Position. Schon länger opponieren insbesondere ländliche Regionen wie das Furttal oder das Weinland gegen den Fusionsdruck – bei einem Ja am Dienstag zur neuen Zuteilung von Pfarrstellen würde das Weinland einen Drittel aller Stellen verlieren.

Man wolle diese «Bestrafung» all jener Kirchgemeinden nicht hinnehmen, die eigenständig bleiben wollen, schreibt der Verein «reformiertbewegt». Fusionen würden einer Zentralisierung und Bürokratisierung der Kirche Vorschub leisten, das Gemeindeleben auf dem Land ausdünnen und Aktivitäten in grössere Zentren verschieben. Bereits während der Eintretensdebatte zur neuen Kirchenordnung hatten Synodenmitglieder kritisiert, die Teilrevision favorisiere die Anliegen der grossen Gemeinden zu sehr und setze die die kleinen unter Druck. Einen Rückweisungsantrag verwarfen die Synodalen jedoch deutlich.

Volksabstimmung im September

In der Detailberatung vom Dienstag wird es voraussichtlich einen Rückweisungsantrag geben. Sollte er keine Mehrheit finden, kommt es vermutlich zu einem Gegenvorschlag, der allerdings auch aus Sicht des Vereins die Gefahr nicht bannt, dass in ländlichen Gebieten das kirchliche Leben komplett zu verschwinden droht. Bis spätestens Mitte Mai soll die Teilrevision der Kirchenordnung durchberaten sein. Die Volksabstimmung ist am 23. September vorgesehen.

Dass es bis dahin nicht ohne Nebengeräusche geht, zeigte eine Vernehmlassung zum Reformprojekt «Kirchgemeinde Plus», wie der Kirchenrat den Fusionsprozess nennt. Zwar bestätigten letztes Jahr 98 Prozent der 170 Kirchgemeinden im Kanton, dass sie künftig intensiver mit anderen Gemeinden zusammenarbeiten wollten. Aber nur für gut 40 Prozent steht eine Fusion im Vordergrund, über die Hälfte bevorzugt eine losere Form der Zusammenarbeit. Dennoch vertreten gegen drei Viertel die Ansicht, dass Fusionen über kurz oder lang das Modell der Zukunft seien.

Quelle: nzz.ch