2. Samuel 7, 4-6, 12-14a

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2. Samuel 7, 4-6, 12-14a

 

Göttinger
Predigten im Internet,
hg. von Ulrich
Nembach und Johannes Neukirch


Heiligabend
Datum: 24.12.1998
Text: 2. Samuel 7, 4-6, 12-14a
Verfasser: PD Dr. Christian Bultmann


Exegetische und homiletische Leitsätze:

(Biblische Zitate nach Lutherbibel, Zürcher Bibel,
Einheitsübersetzung)

1. Die Verheißung 2Sam 7 bezieht sich im Ursprung auf die judäische
Daviddynastie und den Tempel in Jerusalem und hat mit Christus nichts zu tun.
(Zur alttestamentlichen Entstehungsgeschichte vgl. F. Stolz, Das erste und
zweite Buch Samuel, 1981)
2. Die frühe Christenheit hat die mit David verbundene Hoffnung in
Christus an ihr Ziel kommen sehen und durch ihre Glaubenserkenntnis die
Verheißung aus Israels Tradition zu einer Verheißung gemacht, die
in Christus ihre Erfüllung findet.
3. Christus ist – davidischer – königlicher Herrscher, indem er das Reich
Gottes verkündigt. G. Dautzenberg schreibt, ‚Reich Gottes‘ sei der
„Zentralbegriff der Botschaft und des Wirkens Jesu“ (Artikel ‚Reich
Gottes‘ im Neuen Bibel-Lexikon, hg.v. M. Görg und B. Lang, Lfg. 12,
1998).
4. Eine Weihnachtspredigt sollte über das bloße Bild des
Christkindes in der Krippe hinausführen.
5. Eine Weihnachtspredigt hat Hörer und Hörerinnen, die ihre Feier
von Weihnachten im christlichen Glauben verankern wollen, aber zumeist nicht
wissen, wie. G. Krause schreibt, die ‚Christusverkündigung‘ sei „die
Hauptsache der Weihnachtspredigt“ (ders., Weihnachtspredigten, 1973).
6. Eine Weihnachtspredigt soll nicht über populäre und kommerzielle
Mißbräuche des Weihnachtsfestes lamentieren, muß aber wohl
doch darauf reagieren, daß der kirchliche Grund des Weihnachtsfestes
keine fraglose Priorität besitzt.
7. Warum eigentlich sollte eine Weihnachtspredigt nicht den Charakter einer
biblischen Besinnung haben?

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Verlesung der Perikope 2Sam 7,4-6.12-14a.

Liebe Gemeinde
Unser Weihnachtsfest strahlt heute wie jedes Jahr im Glanz der Vorfreude und
der guten Gedanken, die wir mit diesem Tag verbinden. Im besten Sinne wird zu
Weihnachten möglich, was sonst unmöglich scheint oder leicht
vergessen wird, wenn das neue Jahr weitergeht. Wir besinnen uns auf uns selber,
wir denken an die Familie und an Freunde, wir tauschen Geschenke als Zeichen
der Zuwendung aus, wir lassen uns durch das Wort vom Teilen mit Menschen in Not
bewegen. – Wir spielen ein Spiel, sagen dazu die einen Kritiker. Wir beweisen
uns selbst, wie gut wir uns in unseren Lebensverhältnissen eingerichtet
haben, sagen die anderen. – Wollen wir zu Weihnachten etwas hören, oder
wollen wir zu Weihnachten etwas bieten? – Wir wollen etwas hören. Aber
was? Etwas Unerwartetes? Etwas längst Vergangenes? Etwas immer
Gleiches?

Beim Weihnachtsfest in diesem Jahr soll uns David, der große König
Israels, vor Augen stehen. Von David zeichnet uns das Alte Testament ein
breites, farbschillerndes Bild: der Sohn des Isai aus Bethlehem, der die Zither
spielen kann und von dem es heißt, „Gott ist mit ihm“ (1Sam
16,18). Der Krieger, in dessen Zeit Gott seinem Volk Israel Ruhe verschafft hat
von allen Feinden ringsum (2Sam 7,1). Schließlich der König in
seinem Palast in Jerusalem, der sich fragt, „‚Siehe, ich wohne in einem
Palast aus Zedernholz‘ – ist damit eigentlich alles in seiner besten
Ordnung?“ Ein Zweifel, den wir verstehen können.

In dieser Situation ergeht ein Gotteswort an den Propheten Nathan. Denn David
beunruhigt sich darüber, ob er nicht für Gott etwas tun sollte, einen
Tempel bauen. Er selbst wohnt ja in einem Zedernhaus – nun soll auch Gott in
einem Zedernhaus wohnen. Wo wir es zu Glück und Wohlstand gebracht haben,
suchen wir auch unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen – und was war in der
Zeit Davids für den Ausdruck von Dankbarkeit gegenüber Gott
geeigneter als ein Tempel oder wenigstens die Verschönerung des
Tempelkultes? Eine prächtige Darstellung der Harmonie zwischen König
und Gott, wirkungsvoll nach innen und wirkungsvoll nach außen. Ist das
nicht zu allen Zeiten die große Versuchung des Gotteslobs in
äußeren Formen? Daß es zu unserer Selbstdarstellung wird, und
zu unserer Selbsttäuschung über eine Harmonie zwischen Gott und uns?
Das Alte Testament ist hier sehr kritisch. Gott läßt den Propheten
Hosea über den Kult sagen, „An Liebe habe ich Gefallen und nicht an
Opfern, an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern!“ (Hos 6,6) So lesen
wir es auch im Evangelium des Matthäus (Mt 9,13). Ein Prophet wie Hosea
oder wie Nathan deckt Täuschung auf, und er läßt Gott selbst in
seinem Wort sprechen.

Gott braucht keinen Tempel. Er konnte einmal einen Tempel haben, und Davids
Sohn und Thronnachfolger Salomo hat ihm einen Tempel gebaut. Aber Gott braucht
keinen Tempel, und Jesus hat vom Abbruch des Tempels gesprochen. Gottes
Gegenwart läßt sich nicht eingrenzen, und sie kann, wenn es denn
sein soll, auch durch ein Zelt dargestellt werden. „Von dem Tag, da ich
die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag
habe ich in keinem Haus gewohnt, sondern bin in einem Zelt umhergezogen“,
soll Nathan im Namen Gottes zu David sagen. Worauf es ankommt, ist vielmehr,
daß Gott selbst gegenwärtig sein will, daß das Zeugnis von
seinem Tun lebendig bleibt. In Israel ist es wichtiger, von der
Herausführung aus Ägypten zu erzählen, als einen Tempel zu
bauen. In der Kirche ist es wichtiger, die Weihnachtsgeschichte zu
erzählen, als Formen der kirchlichen Selbstdarstellung zu optimieren. Das
ist für uns zu Weihnachten eine beruhigende Einsicht: wem unser
Weihnachtsfest wie ein erstarrtes Hofzeremoniell vorkommt, der mag sich
trösten, daß das Wichtige, die Erinnerung an die Nacht in Bethlehem
als die Geburt Jesu Christi auf verschiedene Weisen zur Sprache kommen
kann.

Der Auftrag des Propheten ist damit aber noch längst nicht an sein Ziel
gelangt. Nicht nur die Erinnerung an Gottes heilvolles Tun, nicht nur die
Erkenntnis der Freiheit Gottes in seinem Gegenwärtigsein werden dem
Propheten aufgetragen. Nathan hat David auch etwas über die Zukunft zu
sagen, ja genauer, über alle Zukunft. Gott will das Königtum von
Davids Sohn und Nachfolger bestätigen, den Thron seiner Herrschaft in
Ewigkeit befestigen. Das ist Verheißung. Das ist ein Wort Gottes, das die
Zeiten überbrückt. In solchem Reden Gottes kündigt sich
Unerwartetes an. Eine Verheißung wird hier laut, die mehr sagt, als wir
der Gottheit Gottes zutrauen. Eine prophetische Verheißung eben. Sie hat
in der Anrede an David ihren konkreten Ort, und der Sohn Davids, von dem sie
spricht, ist Salomo. Der Prophet Nathan weiß nicht, daß es
über Jesus heißen wird, „Siehe, hier ist mehr als Salomo“
(Mt 12,42). So kann es erst nach der Nacht der Geburt Jesu in Bethlehem, der
Stadt Davids, heißen. Mit Weihnachten bekommt die prophetische
Verheißung einen neuen Klang, ja wird sie zu einer neuen
Verheißung, zu einer Verheißung des Evangeliums von Jesus Christus.
Jetzt spricht sie nicht mehr vom Königreich Davids, jetzt spricht sie vom
Reich Gottes. Der Sohn Gottes, der in der Nacht in Bethlehem zu uns Menschen
gekommen ist, kommt als Verkündiger des Reiches Gottes. Die alte
Verheißung, „Ich werde sein Königreich befestigen“, findet
jetzt ihre Antwort in der Verkündigung Jesu, „das Reich Gottes ist
nahe herbeigekommen“ (Mk 1,15). So geschieht in den Worten Jesu wiederum
das Unerwartete – wie damals in der Prophetie des Nathan.

Doch diesmal geht es nicht um Davids Tempel, sondern um Davids Königtum.
Wie könnte Jesus als das letzte Glied der Kette des Hauses Davids
überhaupt in eine Vorstellung vom Königtum hineinpassen? Mit seiner
Geburt im Stall von Bethlehem und seinem Tod am Kreuz von Golgatha? Eine
einzige Szene in den Evangelien läßt uns Jesus in so etwas wie
königlichem Licht sehen, der Einzug in Jerusalem, bei dem das Volk ruft:
„Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des
Herrn! Hosianna in der Höhe!“ (Mt 21,9). Doch auch hier sehen wir
keinen Triumph der Macht, sondern der Liebe, der Umkehrung des Machttypischen.
Denn dieser König kommt, „ein Gerechter und ein Helfer, arm und
reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin“ (Sach 9,9; Mt
21,4f.). Herrschaft auf dem Thron Davids wird zur Ansage des Reiches Gottes,
das Kind in der Krippe wird zum Verkündiger, der für seine Botschaft
sein Leben läßt. Zum Verkündiger, der allen, die seinen Worten
glauben, das Reich Gottes öffnet, das durch seine Verkündigung
verborgen da ist und sich am Ende der Zeiten, ohne daß neue Propheten
nötig wären, enthüllen wird.

Wie sollen wir von diesem Reich Gottes sprechen? Das war schon eine Frage im
Kreise Jesu und seiner Jünger. Und eine Antwort ist ein Gleichnis, das
Jesus erzählt: „Das Reich Gottes ist wie ein Senfkorn: wenn das
gesät wird aufs Land, so ist’s das kleinste unter allen Samenkörnern
auf Erden; und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird
größer als aller Kräuter und treibt große Zweige, so
daß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen
können.“ (Mk 4,31f.). Weihnachten ist das Fest, an dem die Geschichte
dieses Reiches in der Unscheinbarkeit des Stalls von Bethlehem begonnen hat,
des Reiches der Liebe Gottes, die wir erfahren dürfen und weitergeben
sollen. Der Sohn Davids, ein Gerechter und ein Helfer, möge uns dabei
leiten. Amen.

PD Dr. Christian Bultmann, Platz der Göttinger Sieben 2, 37073
Göttingen


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