Fastenzeit – auf was wir …

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Fastenzeit – auf was wir …

Fastenzeit – auf was wir verzichten können und was wir dabei gewinnen | Estomihi 2021 | Matthäus 3, 13-17 (dänische Perikopenordnung) | von Poul Joachim Stender |

Die christliche Fastenzeit beginnt nun so langsam. Ein Anti-Fest, eine ernste Zeit hat begonnen, wo Jesus im Gang des Kirchenjahres sich langsam seiner Kreuzigung und Auferstehung nähert. Das ist ein Zeitraum von 40 Tagen bis Ostern, wo man versuchen kann zu erkennen, was unser Dasein bestimmt. Gibt es da Dinge, die bewirken, dass wir uns so intensiv auf dies oder jenes konzentrieren, dass dies allmählich unser Verhältnis zu den Mitmenschen beeinträchtigt?

Die Fastenzeit bedeutet, dass wir gegensteuern sollen. Das wir uns in die entgegengesetzte Richtung bewegen in Bezug auf die Dinge, die zu viel Raum einnehmen und uns dadurch begrenzen. Oder anders gesagt: Auf was sollen wir ein wenig verzichten, um anderen Menschen mit ganzem Herzen mehr Leben und Freude zu schenken?

Die Friedhofsgärtner haben in den letzten beiden Tagen die Lindenhecke des Pfarrhauses beschnitten. Sie sagen, dass sie nach der Beschneidung schöner wird, weil sie mehr Licht und Luft bekommt. So ist es wohl auch bei uns Menschen. Wenn wir uns nicht selbst beschneiden, das Überflüssige und Unnötige ausscheiden, können wir nicht unsere Möglichkeiten und unsere Schönheit entfalten, die in uns sind.

Es steht jedem Menschen frei, wie man gerne fasten will. Das hängt davon ab, was in unserem Leben unnötig viel Raum einnimmt. Wenn man der Typ ist, der gerne an seinem Arbeitsplatz über seine Kollegen redet, könnte es eine gute Idee sein, eine vierzigtägige Pause einzulegen in dem Gerede über die anderen. Das wird einen nur zu einem mehr glaubwürdigen Menschen machen. Die Kollegen würden sich dabei sicherlich mehr wohlfühlen.

Für viele Menschen bedeutet Gesundheit sehr viel. Wir schwelgen in Fitness, Wellness und gesundem Essen wie nie zuvor. Das Problem mit dieser Fixierung auf die Gesundheit ist dies, dass man sich dabei vor allem mit sich selbst beschäftigt und den Blick auf seine Mitmenschen verliert. Es könnte interessant sein in der Fastenzeit, nicht so sehr mit der eigenen Gesundheit beschäftigt zu sein sondern die Zeit, die man für seine Gesundheit verwendet, dafür verwendete, etwas für andere als sich selbst zu tun. In einem wunderbaren Bibelwort heißt es: „Er muss wachsen, wir müssen abnehmen“. Das ist eine neue Form der Schlankheitskur, die darauf abzielt, dass wir abnehmen, indem wir den Egoismus fahren lassen und uns nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern Gott und den Mitmenschen mehr Platz in unserem Dasein einräumen. Das größte Problem der westlichen Welt ist nicht Fettleibigkeit. Das größte Problem des Westens ist unser übergewichtiges Ego.

Es ist eine Tatsache, dass sich unser Leben zurzeit von einem Schirm zum anderen bewegt. Wir verbringen viel Zeit vor dem Computerschirm, dann sind wir über unser Handy gebeugt und schließlich kleben wir am Fernsehschirm. Die Fastenzeit könnte ein guter Anlass sein, sich 40 Tage lang darin zu üben, unseren Verbrauch von Bildschirmen zu senken und diese Zeit dazu zu verwenden, in ein menschliches Gesicht zu schauen.

Man kann natürlich auch in Bezug auf die Mahlzeiten fasten, die man einzunehmen pflegt. Wir modernen Menschen essen immerzu.  Immer mehr Leute laufen zurzeit umher mit einer Wasserflasche in der Hand, so als könne man sich nicht bewegen, ohne dabei dehydriert zu werden. In der Fastenzeit kann man auf Fleisch verzichten, auf Milchprodukte, auf Alkohol, auf Brot. Man wird entdecken, wie wenig man im Grunde zum Essen braucht und wie viel dann übrig bleibt für Gott, den Nächsten, wenn das viele Essen nicht mehr Leib und Seele belastet.

Was ist dann das, was wir dann erblicken können, wenn wir uns von dem befreien könnten, was in unserem Leben überhandgenommen hat? Der heutige Text handelt von der Taufe Jesu im Jordan, und vom Himmel ertönt eine Stimme, die ruft: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“. Die Taufe ist nicht etwas, was der Sohn Gottes unternimmt, damit es ihm besser geht oder um sein inneres wahres Ich zu finden. Er lässt sich taufen, weil er offen ist für die Ewigkeit. In dem Augenblick, wo er aus dem Jordan steigt, hört er die Liebeserklärung der Ewigkeit: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“. Wenn wir 40 Tage lang den Blick von all dem abwenden könnten, was den Zugang zum Ewigen blockiert, könnten wir Getauften dieselbe Stimme hören, die dann an uns gerichtet ist: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen“. Und wir könnten dann mit dem guten Gefühl, dem Glauben, dem Vertrauen leben, dass da ein Gott ist, der Wohlgefallen hat an uns und der stets an unserer Seite sein will.

Gott befohlen. Amen.

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
pjs(at)km.dk

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