Johannes 8,42-51

Johannes 8,42-51

Okuli | Joh 8,42-51 (dänische Perikopenordnung) | 20.03.22 | Elof Westergaard |

Der Evangelist Johannes liebt Kontraste. In diesem Text stehen sich Gott und Teufel, Wahrheit und Lüge, Ehre und Ehrlosigkeit gegenüber. Der Gegensatz zwischen Licht und Finsternis spielt zudem im ganzen Evangelium eine große Rolle.

Dem Evangelisten gebührt Dank dafür, dass er diese Gegensätze in der Verkündigung Jesu hervorhebt, denn sie machen deutlich, dass nicht alles relativ ist, sondern dass es wirklich in unserem Tun Dinge gibt, die gut sind und Dinge, die schlecht sind.

Es gibt Wahrheit und Lüge, und es ist nötig, so wie wir das in Dänemark im Gottesdienst noch immer tun, dem Bösen zu entsagen, nein sagen zum Teufel und Gott danken.

Es ist aber zugleich wichtig zu wissen, dass die Verkündigung Jesu nicht dualistisch und lebensfeindlich ist.

Der Kern der Verkündigung Jesu sind die Verbindung, der Zusammenhang, die Verbundenheit zwischen Gott und Mensch, Himmel und Erde.

Das wird schon im Johannesevangelium am Anfang formuliert mit den Worten: Gott ließ sein Wort Fleisch und Blut werden.

Gott hat damit die Welt nicht ihrer eigenen Finsternis überlassen. Jesus ist die Leiter zwischen Himmel und Erde. Er ist die Brücke über dem Abgrund. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Wir Menschen können nun wirklich darauf vertrauen, wieder mit den Worten des Johannes, dass die Finsternis das Licht nicht verdrängen kann.

*

Die Gegensätze zwischen Leben und Tod, Gott und dem Teufel, Wahrheit und Lüge, Licht und Finsternis sind wirklich wahr, aber das Evangelium bedeutet, dass Gott uns auch dort begegnet, wo die Finsternis und der Teufel zu herrschen scheinen.

Die Finsternis kann deshalb das Licht nicht für immer verdrängen, die Lüge kann die Wahrheit nicht verdecken, und der Tod kann das Leben nicht besiegen.

*

Wenn es wichtig ist, nicht in dem Kontrast zu verharren, so deshalb, weil es eine ständige menschliche Versuchung ist, sich ein Weltbild zu verschaffen, wo wir andere in die Finsternis verweisen und Feindbilder aufbauen.

Das Böse muss bekämpft werden, und man muss alles ablehnen, was das Leben zerstört, aber ehe wir andere verurteilen, sollen wir immer an die Schatten denken, die wir selbst hinterlassen, und auf die, die wir verurteilen, mit dem Blick sehen, mit dem Gott auf uns blickt.

Wir dürfen die Liebe nicht vergessen, den Blick der Gnade und den Willen zur Versöhnung, den Gott gezeigt hat, indem er Fleisch und Blut wurde und seinen Sohn in die Welt sandte.

*

In diesen Tagen und Wochen, wo die russische Invasion der Ukraine und der Krieg, der nun stattfindet, unsere Herzen und Gedanken erfüllen – auch wenn wir weit weg von der Ukraine leben – besteht aller Grund, an dem Trost Gottes festzuhalten, dass die Finsternis nicht siegen wird.

Ohnmächtig müssen wir zusehen, dass der Krieg wütet und Städte und Menschen zerstört, Millionen in die Flucht treibt. Und zugleicht lässt uns der Krieg um die Zukunft Europas bangen, ja nun zeichnet sich ein Bild von Jahrzehnten mit einem neuen kalten Krieg, der die Zeit unserer Kinder und Enkelkinder prägen wird.

Die Bilder des Krieges und einer finsteren Zukunft sind für uns zuweilen unerträglich.

Kritik ist nötig an dem, der nur in der Welt der Kontraste lebt, wie z.B. der russische Patriarch, der von der Notwendigkeit des Krieges gesprochen hat und in ihm einen Dienst an seiner höheren Sache sieht, und wenn Putin alle Gegner als Faschisten bezeichnet. Hier ist Kritik wirklich angebracht, so wie auch aller Grund besteht, die fehlende Freiheit der Meinungsäußerung in Russland und in anderen Diktaturen zu kritisieren.

Zugleich sollten wir immer offen sein für Selbstkritik, wenn wir uns ein zu stereotypes und vereinfachtes Bild von anderen in diesem Konflikt machen.

*

Vor allem sollen wir einander helfen, an der Hoffnung des Evangeliums festzuhalten, das Wort Gottes an uns hören zum Trost und zur Hoffnung.

Was vor zweitausend Jahren geschah, als Gott sein Wort Fleisch und Blut werden ließ und seinen Geist aussandte, geschieht noch immer.

Das Johannesevangelium schließt mit den Worten:

„Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem anderen aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt der Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären“.

Der Bericht der Evangelien hat natürlich nicht das ganze Leben Jesu erfassen können, aber ich höre in diesen Worten, dass das Leben Jesu nicht zu Ende gebracht ist. Die Brücke über dem Abgrund und die Verbindung zum Himmel sind uns noch immer gegeben, das letzte Wort in der Geschichte Gottes mit uns ist noch nicht gesprochen. Der Geist der Liebe, der Wahrheit und des Friedens weht noch immer. Das Leben kann dank der Gnade Gottes nicht zerstört werden. Im Namen Jesu – Amen.

___

Bischof Elof Westergaard

Korsbrødregade 7

DK 6760 Ribe

eve(at)km.dk

de_DEDeutsch