Matthäus 5,13-16

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Matthäus 5,13-16

Licht, das allen leuchtet. | 8. So. n. Trinitatis | 30.7. 2023 | Mt 5,13-16 | Eberhard Busch |

Jesus spricht: Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

„Ihr seid das Licht der Welt“, das sagt Jesus laut dieser Bibelstelle und das sagt er heute zu uns: „Ihr seid das Licht der Welt“! Ich reibe mir verdutzt die Augen. Welche Auszeichnung! Sind damit wirklich wir gemeint? Geht auch uns das an? Wie kommen wir dazu? Das verwundert über die Maßen. Das sollen wir sein: eine Lichtgestalt? Nicht ihr sollt es sein. Ihr seid es! So werden wir hier angeredet: „Ihr seid das Licht der Welt“! Hört! Ihr hier Angesprochenen, ihr seid nicht auf der dunklen Seite des Lebens. Ihr müsst nicht mehr im Trüben fischen. „Jetzt ist die Zeit“, wie die Losung letzthin am Kirchentag in Nürnberg hieß, nämlich Zeit, dass wir hervortreten und uns sehen lassen. Wir können doch nicht leben wie eine Schnecke in ihrem Haus oder wie in einem finstern Tunnel ohne Ausgang. Wir sind herausgeführt aus dem Dunkel ans Licht, heraus aus der „Welt“.

Und „Welt“, das meint: an einem Ort zu leben, der uns gar nicht gut tut. Dort hält sich lichtscheues Gesindel auf, das es sich zunutze macht: „im Dunkeln ist gut Munkeln.“ Und dort sind auch solche, die dasselbe im Blitzlichtgewitter in aller Öffentlichkeit tun. So oder so, es steht durchaus nicht zum Besten, dort hängen zu bleiben: an einem Ort, den zu verlassen jetzt an der Zeit ist. Und wer ist da nicht alles ortsansässig! Alt und jung, dumm und klug. Und das ist nicht bloß Vergangenheit. Das ragt immer noch in die Gegenwart hinein: eine Welt voll von Ärgernis, von Streit, von Treten und Getretenwerden, von Klage und Anklage. Und diese arge Welt ist nicht nur da draußen. Sie steckt allemal da, wo man sie am wenigsten vermutet: sie steckt in uns, in mir. Ich bedarf selber des Lichts. „Mehr Licht!“, wie es der Dichter Goethe zuletzt geseufzt hat. Vermutlich sind wir gar nicht so, wie wir nach außen scheinen. Wir können halt nicht über unsern eigenen Schatten springen.

Aber in den Winkeln eines Schattendaseins sind wir nicht mehr zu Hause. Eine starke Hand zieht uns von dort heraus, wie jemanden aus einem Sumpf, der einem den Atem nimmt. Wir sind „versetzt“ (Kol 1,12) von einem unguten an einen guten Ort, richtig hingezogen, dorthin, wo in frischer Luft die Sonne scheint, „voll Freud und Wonne“, so schön, dass es sich widerspiegelt in den Gesichtern. Wir dürfen sein wie jemand, der aus der Narkose erwacht und der nach einem schweren Eingriff in heiterer Atmosphäre aufatmet. Mag die Welt im Dunklen sein, mag ich mich auf der Schattenseite fühlen – dort gehören wir einfach nicht hin, weil wir einem Anderen gehören. Er fragt nicht lang, ob wir hierhin passen. Er platziert uns kurzerhand auf seiner Seite. Gott sei Dank! Er spricht es uns zu: „Ihr seid das Licht der Welt“. Daran ist nicht zu rütteln.

Beachten wir es wohl: „Ihr“ – ich bin kein Einzelkind des lieben Gottes. Ich gehöre ihm nicht, wenn ich nicht auch zu den Anderen gehöre. Und ich darf ja heilfroh sein, dass ich Schwestern und Brüder zur Seite habe, selbst wenn es nur zwei oder drei wären. Ich pfeife auf ein Privatchristentum, eines, in dem jeder nach seiner Façon selig werden will. Ich strecke die Hand aus nach Wegbegleitern und danke für die, die dabei mit mir unterwegs sind. Und singe: „Kommt Kinder, laßt uns wandern, / Wir gehen Hand in Hand; / Eins freuet sich am andern / In diesem wilden Land. / Kommt, laßt uns kindlich sein, / Uns auf dem Weg nicht streiten; / Die Engel selbst begleiten /Als Brüder unsere Reihn.“ (Tersteegen)

Ich weiß wohl, die Andren können mir auch zu schaffen machen, können so sein, dass ich ihnen aus dem Weg gehen möchte oder gar, dass ich sie am liebsten aus dem Weg räumen würde. Aber nun ist dies das Neue in meinem Leben im Licht, dass ich lerne, auf Schritt und Tritt zu fragen: nicht zuerst, was meint der oder die über diese und jene, und nicht, was sagt mein Herz und mein Instinkt zu den Betreffenden. Das Neue ist, dass mir aufgeht, was ein Menschenfreund so fein gesagt hat: „Man muss nicht unbedingt das Licht der anderen ausblasen, um das eigene Licht leuchten zu lassen.“ Sie, die Anderen sind mir gerade in ihrer Andersheit interessant, mehr noch: sie sind mir Geschwister. Und wenn man sich durch sie gestört fühlt, so frage ich mich am besten, mit dem früheren Kirchenpräsidenten Martin Niemöller: „Was würde Jesus dazu sagen?“

So ist das mit dem neuen Leben. So lebe ich im Licht. So bin ich sogar selber ein Licht, vielleicht nur eine Funzel, aber so, dass mir diese Frage vordringlich wird: Was würde Jesus heute sagen? Was sagt er dazu? Die so zu fragen lernen, die richten sich nicht mehr nach den Moden und Sprüchen, die heute auftauchen und morgen wieder verschwinden. Sie orientieren sich vielmehr an dem, den Gott unter uns aufgestellt hat, Jesus Christus, dem Freund der Menschen. Ihre Kompassnadel weist hin zu ihm. Sie sind Licht – nicht, weil sie abgewandt sind von der „Welt“, allein deshalb, weil sie zugewandt sind zu Ihm, der das große Licht ist. Und sie sind Licht nicht, weil sie besser sind als Andere, aber weil sie sich in Seiner Nähe befinden. Graf Zinzendorf hat gedichtet: „Und von seinem Brennen / nehme unser Licht den Schein. / Also wird die Welt erkennen, / dass wir seine Jünger sein.“

Und sind wir von ihm eingeholt, so gehen wir mit ihm. So machen wir es ihm nach, was er uns vorgemacht hat. Wir sind von ihm gesandt zu solchen, die in aussichtslosen Tiefen leben. Die Sammlung um ihn und die Sendung durch ihn gehören zusammen, so wie das Einatmen und Ausatmen. Wir gehen mit leeren Händen zu unseren Mitmenschen, wenn wir uns nicht um Ihn sammeln. Aber auch: Wir sind verkehrte Nachfolger Jesu, wenn wir nicht teilen, was uns anvertraut ist. Es geht allemal darum, dass wir unseren Nächsten ein Lichtlein bringen, dass wir unter ihnen Hoffnung verbreiten. Sie können uns dabei nicht ganz fremd sein. Wir stammen ja aus der selben Welt, in der uns der Ruf Jesu getroffen hat.

Doch wir gehen anders in sie, als wir aus ihr gekommen sind. Und wir gehen ohne Angst und ohne Sorge. In vollem Vertrauen. Es gibt nur eine Gefahr, die kommt von uns selbst. Wie es in dem anderen Bild heißt. Es ist die Gefahr, dass wir wie Salz sind, das salzlos ist; das geht ja gar nicht. Oder eben: Es ist die Gefahr, dass wir eine Kerze anzünden, um Licht zu haben, und stellen dabei einen Topf drüber. Dann sieht man nichts mehr. Dann verlöscht sie über kurz oder lang. Das wäre ein Widerspruch in sich. Vielmehr, bei Licht besehen, ist es anders: So wenig das Salz seine Salzkraft verliert, so wenig können wir andere sein als Kinder Gottes. Und so wenig, wie man ein Licht anzündet, um es dunkel zu haben, so wenig können wir vergessen, dass Gottes Liebe und Fürsorge die Richtschnur ist bei unsrem Umgang mit unsrem Nächsten.

Dann gehen wir tatsächlich anders in die Welt, als wir aus ihr gekommen sind. Dann dürfen wir in so vielem Dunkel etwas Erhellendes wagen, müssen nicht auf ein böses Wort Widerwort geben, nicht einen Schlag mit einem Gegenschlag übertrumpfen, dann wird die Regel außer Kraft gesetzt: wie du mir, so ich dir. Schäme dich nicht, ein Christ zu sein (Römer 1,16)! Erweist eure guten Werke den nächsten Besten! Und ob dieses Tun gut ist, zeigt sich darin, dass es den lieben Gott lobt. Vielleicht kennen wir das Kinderlied: „In der Welt ists dunkel, leuchten müssen wir / du in deiner Ecke, ich in meiner hier. / Sieh an jedem Orte, gibt es was zu tun, / wo die echte Liebe nie kann müßig ruhn.“ Man muss gewiss nicht alles tun, sondern immer nur eines. Aber das Eine tue! Nun tu, was du nicht lassen kannst. Sei, was du bist. Gib weiter, was dir gegeben ist.

Denken wir nach über das, was Martin Luther King beim Aufstand der Farbigen gegen das Unrecht in den USA als ihr Anführer gesagt hat und als sich eine Waffenmacht dem entgegenstellte: „Das ist die Schwäche der Gewalt: Sie erzeugt genau das, was sie zerstören will.  Wer Gewalt mit Gewalt erwidert, vervielfältigt damit die Gewalt, eine abwärtsführende Spirale. Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben. Das kann nur Liebe.“ Gemeint ist nicht ein harmloser Flirt, kein Techtel-Mechtel. Gemeint ist die standfeste Liebe, die sich nicht umbringen lässt durch stumpfe Gewalt.

Man muss dabei nicht gerade übergriffig sein, keiner, der anderen senkrecht auf die Nerven geht, statt ihnen auf die Beine zu helfen. Man muss nicht sein wie jene wunderliche Kragenechse, die sich bei Gefahr aufplustert, damit sie stärker aussieht, als sie ist. Draufgänger tun selten das Rechte. „Verricht das Deine nur getreu“, heißt es im Lied. Es geht ja darum, dass nicht wir gelobt werden, sondern unser „Vater im Himmel“. Der Dichterpfarrer Albrecht Goes hat hübsch gesagt: „Ein Knecht macht keinen Lärm.“ Und eine Magd auch nicht. Sie machen schon darum keinen Lärm, weil sie bußfertig dessen eingedenk sind, wieviel Unglück schon im Namen Gottes angerichtet worden ist und noch angerichtet wird in Gottes geliebter Menschheit. Aber auch darum keinen Lärm, weil das Rechte allermeist auf zerbrechlichen Füßen kommt und nicht aufgedonnert. Wir können letztlich nur beten, „zieh in deinen Wunderschein / bald die ganze Welt hinein.“ Amen


Prof. Dr. Eberhard Busch

<ebusch@gwdg.de>

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