Der eine und der…

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Der eine und der…

Der eine und der dreieinige Gott | Predigt zu 2. Mose 3,1-17.10-14; Johannes 14,1-11 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Peter Fischer-Møller | aus dem Dänischen übersetzt von Eberhard Harbsmeier |

Da wo ich aufgewachsen bin, in der Nähe von Kopenhagen in den 60er Jahren, waren viele, die sagten, dass sie nicht an Gott glaubten – jedenfalls nicht so wie die Kirche von Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist redete. Man glaubte an die Wissenschaft und den Fortschritt und hielt das Reden vom dreieinigen Gott für ein Relikt der Vergangenheit. Heute ist der Zeitgeist ein anderer. Wir glauben vielleicht nicht mehr so sehr an die Wissenschaft und den Fortschritt. Das Interesse für das Übernatürliche und das Spirituelle macht sich mehr und mehr bemerkbar. Und dann ist der Islam viel mehr als damals auf der lokalen und globalen Tagesordnung. Und hierbei denke ich nicht an den Extremismus und seine verzerrenden und verzerrten Ausdrucksformen, sondern an den gewöhnlichen Alltag. Wir begegnen Frauen mit Kopftüchern und sehen Menschen, die zum Freitagsgebet gehen. Und wir werden gefragt: Woran glaubt ihr Christen eigentlich? Ihr sagt, dass ihr an einen Gott glaubt, was aber mit Jesus und dem Heiligen Geist? Verehrt ihr nicht in Wirklichkeit drei Götter? Das ist eine Anfrage an die Dreieinigkeit heute von einer anderen Seite. Was sollen wir antworten? Darüber will ich heute in der Predigt etwas sagen.

Wir haben die Geschichte gehört, wie Gott am Berg Horeb Moses begegnet und seinen Namen offenbart: „Ich bin der, der ich bin … So sollst du zu den Israeliten sagen. Ich Bin hat mich zu euch gesandt“.

Das ist Gott als Ursprung und Grund alles Seienden. Gott als der Schöpfer und Erhalter aller Dinge.  Gott als die Macht des Seins in allem, was ist. Der rätselhafte Gott, dessen Wesen wir Menschen nicht erfassen können, der aber in dem brennenden Dornenbusch sein Mitgefühl mit seinem Volk offenbart und Moses dazu beruft, sein Volk als der Knechtschaft in Ägypten zu führen, hinaus in ein neues und besseres Leben im Lichte der zehn Gebote, die Moses vom Berg holen sollte.

Der Gott nahm seitdem Wohnung unter den Menschen. In Jesus begegnete er uns auf gleicher Ebene. Jesus nannte Gott seinen himmlischen Vater. Er sagte zu seinen Jüngern: Wenn ihr wissen wollt, wie Gott ist, dann folgt mir, hört auf mich, seht auf mich. Kennt ihr mich, kennt ihr auch meinen Vater. Glaubt mir, ich bin im Vater, und der Vater ist in mir.

Und als er fortging, als er verurteilt und hingerichtet wurde wie ein Verbrecher, wie wir das – auch  mitten in der Korona-Pandemie – zu Ostern gehört haben, als er von den Toten auferstand und zu seinem himmlischen Vater zurückkehrte, als er physisch seine Jünger und uns verließ, da sandte Gott uns den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist die Kraft und Inspiration, die das Christentum in unserem Leben miteinander sind, so dass wir noch immer den Mut haben, Jesus auf sein Wort zu glauben, wenn er sagt, dass Gott für uns ein offenes Herz hat, auch wenn wir uns selbst und einander kaum ertragen können, wenn er uns dazu aufruft, einander Raum zu geben und offener zu sein für andere.

Früh in der Geschichte der Kirche wollte man gerne das in Worte fassen, was das eigentlich war, woran man glaubte, worum es im Christentum eigentlich ging, wozu man eigentlich ja sagte, als man getauft wurde. So entstand das Glaubensbekenntnis. Um das Jahr 200 erhielt es seine endgültige Form, das apostolische Glaubensbekenntnis, auf das Christen in der ganzen Welt noch immer getauft werden, das Bekenntnis, das wir in jedem Gottesdienst sprechen oder singen. Das Glaubensbekenntnis ist ein Band, das uns über Zeit und Raum, Sprache und Kultur verbindet. Das Glaubensbekenntnis hat drei Artikel. Nicht weil wir drei Götter haben. Sondern weil wir daran glauben, dass Gott uns Mensch en in drei Weisen begegnen.

Wenn wir den Glauben an Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde bekennen, können wir uns auf eine Seite mit Juden und Muslimen stellen. Daran glauben auch sie. Sie glauben auch, dass Gott hinter dem ganzen Dasein steht, dass weder wir noch etwas anderes existieren oder Sinn haben würden ohne Gott.  Für sie ist Gott so groß und mächtig und unergründlich, dass wir Menschen ihn nicht ernstlich ergründen können, wir können es nicht ertragen, ihm zu nahe zu kommen. Deshalb dürfen sich Juden und Muslime auch kein Bild von Gott machen, denn das würde ihn unweigerlich geringer machen als er ist. Wenn man die jüdische Synagoge in Kopenhagen oder die Synagoge in Roskilde – oder irgendeine andere Synagoge oder Moschee in der ganzen Welt – besucht, wird man sehen, dass da keine Bilder sind.

Wir können als Christen sehr wohl etwas Wesentliches in dieser Demut Gott gegenüber erkennen. Auch für uns ist Gott als Schöpfer der Erde unfassbar – geht hinaus unter dem Nachthimmel hier im April uns sehrt die Sterne, Sonnen wie unsere Sonne, Milliarden gibt es von ihnen, und Milliarden von Jahren sind sie alt. Und dann sehen wir nur einen kleinen Bruchteil selbst mit den größten Teleskopen. So riesengroß ist das alles, dass wir und das, was wir kennen, im Vergleich dazu völlig verschwindet. Auch für uns ist das Leben, wie es uns hier auf der Erde begegnet, eine unfassbare Mischung von Licht und Finsternis, Schönheit und Grauen, Gut und Böse. Wir wissen sehr wohl, dass Gott nicht ein alter Mann ist, der auf einer Wolke sitzt, und dass wir ihm nicht in die Karten schauen können und den verborgenen Sinn in allem finden können. Wir können das Dasein nicht auf eine Formel bringen. Wir können in dieser Weise Gott nicht sehen.

Aber das Christentum fügt etwas hinzu. Im zweiten Artikel des Glaubensbekenntnisses finden wir Jesus. Wir glauben, dass er der Sohn Gottes ist. Das tun unsere muslimischen Brüder und Schwestern nicht. Sie halten ihn zwar für einen großen Propheten, Issa nennen sie ihn, und viele Jungen sind nach ihm benannt. Aber näher zu Gott als ein Prophet, der sein Wort vermittelt, kann weder Issa noch irgendein anderer Muslim infolge des Islam kommen. Hier denken wir wirklich anders von Gott. Wir glauben als Christen, dass Gott in einem Menschen Wohnung genommen hat, dass er sich uns in Jesus von Nazareth offenbart hat, in seinen Worten und Taten, in seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Hier in seiner Abschiedsrede an die Jünger, dem Predigttext dieses Sonntags, hier wo er sie darauf vorbereitet, dass sie sich nun bald trennen werden, dass er zu seinem Vater im Himmel zurückkehrt, da sagt er es direkt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“. Das war es, was bei vielen Leuten einen solchen Zorn hervorrief, dass man ihn einen Gotteslästerer nannte, ihn dafür verurteilen und hinrichten ließ, dafür, dass er behauptete, selbst der Weg zu Gott zu sein – oder wir sollten vielleicht besser sagen: der Weg Gottes zu uns.

Wenn wir etwas von dem verborgenen Gott wissen wollen, dann wenden wir uns als Christen an seinen Nächsten, seinen Sohn. Er zeigt uns, wie Gott ist. Gott hat in Jesus ein Angesicht. Und deshalb haben wir in der Kirche kein Bilderverbot.

Durch Jesus lernen wir Gott kennen, seht auf ihn, hört auf ihn, folgt ihm, so ist Gott.

Und dann ist da der Heilige Geist. Der dritte Artikel des Glaubensbekenntnisses. Nu geht Jesus ja nicht unter uns hier in Roskilde oder wo auch immer.  Er ist nicht mehr handgreiflich gegenwärtig hier auf Erden. Aber er sendet uns seinen Geist, und der kann noch immer Jesus und sein Wort für uns zum Leben erwecken. Falls ihr, wenn in die Kirche geht oder hier während der Korona-Epidemie die Übertragung eines Gottesdienstes hört, euch von den Worten, den Liedern und der Musik bewegen lasst, wenn ihr merkt, dass das nicht nur eine museale Vergangenheit ist, sondern helllebendige Gegenwart. Wenn ihr hört, dass das Evangelium mitten in eure Leben hineinspricht. Euch persönlich anspricht, dann seid ihr vom G eist angeweht. Gott redet zu uns nicht länger durch einen Dornenbusch, sondern durch Jesus. Gott wohnt nicht mehr auf einem Berg, er wohnt in Kirchen, in Krankenhäusern, in einsamen Wohnungen, in festlich gestimmten Häusern, er wohnt mit seinem Glauben und seiner Hoffnung und seiner Liebe in unseren Herzen – das nennen wir den heiligen Geist.

Der Dreh- und Angelpunkt des Christentums liegt verborgen in den Worten Jesu an der verwirrten Philipp: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“.  In ihm hat Gott Wohnung genommen hier in der Welt.

Deshalb richtet sich unsere Zeitrechnung auch nach seiner Geburt. Es ist heute 2020 Jahre her, und wir erinnern uns noch immer an ihn, er ist noch immer für uns „der Weg, die Wahrheit und das Leben“.

Er ist der Weg Gottes zu uns. Er ist die Wahrheit von der Liebe Gottes zu uns, so wie wir sind – obwohl wir so sind, wie wir sind. Und damit öffnet er das Leben für uns. Er sagt: Ich akzeptiere dich so wie du bist, so dass du in diesem Licht der sein kannst, der du gerne sein willst! Glück auf!

Ehe man das Wort Christentum fand, nannte man das, an dem man teilhatte, wenn man an Jesus glaubte, den „Weg“, und die Christen nannten sich selbst und einander diejenigen, die „auf dem Wege“ waren.

Denn sie hatten verstanden, dass es nun nicht darum ging, sich an das zu klammern, was gewesen war, dass ihre Religion nicht ein „Jesus-Kult“ sein sollte, dass es nicht darum ging, wer sich am besten an Jesus erinnern konnte und ihm am meisten glich. Nein, denn ehe Jesus sie verlassen hatte, hatte er ihnen gesagt, dass in Gottes Haus viele Wohnungen sind, da ist Platz für ganz verschiedene Menschen, ja da ist in Wirklichkeit Platz für einen jeden von uns. Wir sind nicht Boten einer fertig verpackten Wahrheit, wir sind Mitspieler in dem großen Drama des Lebens. , wir haben jeder eine Rolle, wir haben jeder unsere Fähigkeiten und unsere Eigenart, wir haben Gefühle und Phantasie und Verstand, um selbst darüber nachzudenken, wie die grenzenlose Liebe von Gott, die Jesus uns gezeigt hat, in unserem leben miteinander vermittelt und entfaltet werden kann.

Wir haben keine Vorschriften darüber bekommen, wie das gemacht werden soll, solche Vorschriften gibt es nämlich nicht, die Liebe lässt sich nicht in eine Liste von Vorschriften fassen. Was die Liebe von uns verlangt, ist jeden Augenblick neu, das muss jeder für sich herausfinden und so gut wie möglich verwirklichen, während wir auf dem Wege sind.

Wir glauben an einen dreieinigen Gott, wir glauben, dass Gott sich für uns zeigt in drei unterschiedlichen Weisen. Das klingt kompliziert, aber das ist in Wirklichkeit nicht besonders schwer. Wir können ein konkretes Beispiel nehmen. Jemand hat vielleicht sowohl eine Tochter, eine Ehefrau und eine Mutter. Wir die, wir ihn kennen, wissen, dass er nicht drei Personen ist. Aber die Zeit hat ihm mehrere Rollen gegeben die er spielen soll. Erst ist er entstanden als Ergebnis der Liebe zweier Menschen, dann wurde er erwachsen und selbst verleibt, nun hat er Kinder bekommen und vielleicht auch Enkelkinder und Urenkelkinder, und neue Aspekte der Liebe entfalten sich in seinem Leben.

So auch mit dem Gott, den Jesus kennengelernt hat und den der Geist noch immer für uns lebendig macht. Der dreieinige Gott, der einem jeden von uns auf unserem Lebensweg folgt – zusammen. Amen.

Bischof Peter Fischer-Møller

Roskilde

Email: pfm(at)km.dk

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