Erntezeit – es wird schon …

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Erntezeit – es wird schon …

Erntezeit – es wird schon wieder gut | 16. Sonntag nach Trinitatis | Johannes 11,19-45 (dänische Perikopenordnung) | von Thomas Reinholdt Rasmussen |

Es ist Herbst. Erntezeit. Wir beginnen all das aufzugreifen, was uns das Jahr gebracht hat und was wir als Ernte bezeichnen. Wir danken für das Jahr und was es gebracht hat.

Eigentlich haben wir gerade ein besonders merkwürdiges Jahr erlebt. Ein Jahr mit Krankheit und neuen Gewohnheiten. Das gesellschaftliche Leben ruhte, und viele von uns wurden isoliert in unseren Wohnungen und verfolgten ängstlich die Nachrichten und Pressekonferenzen, um zu sehen, wo das alles hinführen sollte.

Wie würde sich die Krankheit entwickeln? Wie wirkt sich Korona aus? Wie bekommen wir das alles wieder in den Griff? Kehren wir zurück zu der Welt, die wir kennen und die uns Sinn verleiht?

Viele Fragen und viel Unsicherheit. Wo soll das alles enden? Wir waren durchaus fähig, einander Mut zu machen und uns an das zu halten, was uns etwas bedeutet. Gemeinschaft, Lieder und Worte der Hoffnung.

Eines der Worte war der Satz, der immer wieder fiel: „Es wird schon wieder gut werden“. Es wird wieder gut werden. Das waren Worte, die nach Hoffnung klingen und Lust zum Leben. Neulich sah ich die Worte, gemalt von einem Kind auf einem farbigen Stein, der in einen Briefkasten geworfen war. Das sind gute Worte, die man mit sich tragen kann: Es wird schon wieder gut werden.

Und es wird ja auch langsam wieder gut. Das gesellschaftliche Leben öffnet sich, und wir versuchen zum normalen Leben zurückzukehren. Hier und da gibt es Rückfälle, aber im Großen und Ganzen ist es, als ginge alles trotz allem in die richtige Richtung. Trotz Rückschritten und neuen Ausbrüchen der Krankheit.

Aber dabei wissen wir ja auch sehr wohl, dass es Menschen gibt, für die es nicht wieder gut wurde. Diejenigen, die der Krankheit erlegen sind und ihre Familien und Angehörigen. Für sie wird es nicht wieder wie gewohnt, und für sie wird nicht alles wieder gut.

Da sind die, die gestorben sind, und für die können wir nicht sagen, dass es wieder gut wird. Denn sie sind nicht mehr.

So ist es, wenn man einen Menschen verliert, so wie auch Martha und Maria Lazarus verloren haben. Auch sie haben einen Mensch en verloren, den sie geliebt haben, und sie begegnen der Erfahrung des Todes. Die Erfahrung, dass der Tod das größte Wort in dieser Welt ist.

Und weder sie oder wir können ja nur sagen, es wird schon wieder gut. Denn die Dinge haben sich verändert, und da ist jemand, der nun nicht mehr da ist. Lazarus liegt in seinem Grabe. Ja, sie sagen, dass er schon stinkt. Können wir wirklich sagen, es wird wieder gut, wenn das der Fall ist? Bleibt da nicht nur Resignation, man gibt auf? Kann es wieder gut werden?

Wohl können wir sagen, dass es wieder gut wird, wenn da eine Hoffnung ist, die über die Grenzen des Lebens hinausreicht, denn sonst sind die Worte ja ein Hohn für die, die nun nicht mehr unter uns sind. Dann verhöhnen wir Lazarus, wenn wir an seinem Grab sagen, es wird wieder gut, während er nur darin liegen bleibt.

Es muss eine Hoffnung geben, die über die Grenze des Lebens hinausreicht. Es muss eine Hoffnung geben, dass alles neu wird. Trotz allem.

Sonst wären es nur leere Worte. Ohne Bedeutung für die, die gefallen sind. Damit es wieder gut werden soll, muss das wiederaufgerichtet werden, was gefallen ist.

Denn sonst bagatellisieren wir den Verlust. Dann ist der Gefallene nur ein Stein in einem Spiel, und so etwas ist kein Mensch.

Kurz gesagt: Nur wenn Gott in seinem Reich den wiederaufrichtet, der gefallen ist, können wir im Ernst sagen, dass es wieder gut wird, sonst würden wir Leiden und Tod bagatellisieren.

Nun aber werden die Worte zu großen Worten, Worten voller Hoffnung und Trost. Und Jesus schaut zum Himmel und zieht mit seinem Gebet eine Hoffnung des Ewigen in das Grab und ruft Lazarus heraus. Hier geschieht Auferstehung. Nur so kann es wieder gut werden. Wenn die Hoffnung davon handelt, dass Gefallene wiederaufgerichtet werden kann.

Der Gefallene soll wiederaufgerichtet werden, erlöst werden, wieder gehen, wie es im Text der Bibel heißt. Der Gefallene soll befreit werden, von der macht des Todes und der Kraft des Übergriffs. Wenn es wieder gut werden soll, muss der Gefallene wiederaufgerichtet werden. Sonst wären das leere Worte und im schlimmsten Fall ein Hohn auf die, die nicht mehr sind. Das ist die Wiederaufrichtung, die nicht in unserer Macht steht. Glücklicherweise, denn sonst würden wir zu einem Mittel im Leben der anderen. Es gibt eine Wiederaufrichtung, die sich unserem Einfluss entzieht und die bewirkt, dass wir in Wahrheit sagen können, es wird wieder gut, denn wir glauben an einen Gott, der alles neu macht. Das ist eine Wiederaufrichtung, die nicht in leeren Worten besteht, sondern Worten voller Gnade und Liebe.

Wir dürfen einander nicht bagatellisieren. Wir dürfen einander nicht auswischen. Wir können nur sagen, dass es wieder gut wird, wenn das aufgerichtet wird, was gefallen ist, wenn Lazarus aus seinem Grabe gerufen wird, wenn da eine Hoffnung ist, die über den Tod hinausreicht. Nur hier ist die Ernte eine Gabe und das Leben größer als der Tod, wenn die Hoffnung in das Reich Gottes hineinreicht.

Wir müssen an die Gnade glauben. Eine Gnade, die auf dem Gott beruht, der alles neu macht. Darauf kommt es an. Eine Gnade, sich auf dem Gott beruht, der im Ernst sagen kann, es wird wieder gut.

Hier dürfen wir nur danken. Danken für das Leben und die Ernte. Danken für die Hoffnung, die alle Grenzen sprengt. Danken für ihn, der alles neu macht. Das ist die Hoffnung. Die Hoffnung, in der wir alle leben. Amen.

Propst Thomas Reinholdt Rasmussen

DK 9800 Hjørring

Email: trr(at)km.dk

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