Gen 1,1-5 / 1. Joh 4 / Joh 1

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Gen 1,1-5 / 1. Joh 4 / Joh 1

Erster Weihnachtstag | 1. Mose 1,1-5; 1. Joh. 4,7-11 und Joh. 1,1-14 (dänische Perikopenordnung) | Von Anna Jensen |

„Was kann das für eine Nacht sein, wo die Hunde nicht beißen, die Schafe keine Angst haben, wo der Spieß nicht tötet und das Feuer nicht brennt?“ fragt gereizt der Hirte sich selbst in Selma Lagerlöfs Erzählung „Die Heilige Nacht“. Der gereizte Hirte war gestört worden in der finsteren Nacht, als ein fremder Mann den Hirten aufsuchte, um um Hilfe zu bitten, denn er hatte kein Feuer und seine Frau hatte gerade ein kleines Kind zur Welt gebracht. Die Hirtenhunde sprangen auf und wollten bellen, aber es kam kein Laut von ihnen, sie bissen dem Fremden in die Hand und ins Bein, aber ihre Kiefern und die Zähne gehorchten ihnen nicht. Die Schafe lagen so dicht gedrängt am Feuer, dass der Fremde nicht herankommen konnte, aber er trat auf ihre Rücken und spazierte hin zum Feuer, ohne dass die Schafe aufwachten. Der Hirte war ein harter und unfreundlicher Mann. Als er sah, dass sich der Fremde näherte, warf er seinen Hirtenstab wie einen Spieß gegen den Mann. Der Stab flog gegen den Fremden, bog aber ab und flog weit hinein ins Feld. Der Fremde bat um Feuer, und er nahm die Glut mit seinen bloßen Händen, ohne sich zu verbrennen, er hatte nichts, worin er die Glut tragen konnte. Da fragte der Hirte den Fremden: „Was ist das für eine Nacht, und woher kommt es, dass alles dir Barmherzigkeit erweist?“ Da antwortete der Fremde: „Das kann ich dir nicht sagen, wenn du es nicht selbst sehen kannst.“

Der Hirte war blind für die magische Nacht, die Weihnacht. Aber die Neugier war in ihm geweckt, und aus der Distanz folgt er dem Fremden hin zu einer Felsenhöhle. Hier findet er eine Frau mit einem kleinen neugeborenen Kind. Und auch wenn der Hirte ein harter Mann war, nahm er seinen Rucksack und fand ein weiches Schafsfell, das er dem Kinde gab, damit das kleine Kind nicht frieren sollte. Aber als der Hirte zeigte, dass auch er barmherzig sein konnte, da öffneten sich seine Augen, und er sah um sich in einem engen Kreis einen Schwarm von kleinen Silberengeln. Die spielten Harfe und sagen: „In dieser Nacht ist uns ein Heiland geboren.“ Die Engel waren plötzlich überall, in der Höhle, auf dem Wege, und der Himmel war voll von ihnen. Da war ein solcher Jubel und eine solche Freude, Gesang und Spiel, dass der Hirte auf die Knie fallen und Gott danken musste.

Das Johannesevangelium ist anders als die anderen Evangelien. Es erzählt nicht von der Geburt Jesu in detaillierten Beschreibungen, sondern hat eine andere poetische Einleitung. Die Einleitung ist in ganz gewöhnlichen alltäglichen Worten geschrieben, aber da steht etwas zwischen den Zeilen. Wir spüren, da geht es um etwas, aber wir können es nur sehen, wenn unsere Augen offen sind dafür. Als Jesus im Johannesevangelium seinen ersten Jünger berief, war Nathanael imponiert darüber, dass Jesus seinen Namen kannte. Jesus sagte zu ihm: „Glaubst du, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum gesehen habe? Du sollst größere Dinge sehen als dies“. Und er sagte zu ihm: „Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Ihr soll den Himmel offen sehen und die Engel Gottes steigen auf und nieder über dem Menschensohn.“

Johannes lässt als Autor sein Evangelium in derselben Weisen beginnen wie das erste Buch Mose. Also der Beginn unseres Alten Testaments. Im Anfang … Damit greift der Autor zurück auf das Alte und wiederholt das Bekannte – und doch kommt etwas Neues. Wann beginnt es?

Alle Kinder sind daran interessiert, wie sich ihre Eltern kennengelernt haben. Wann beginnt ein Menschenleben? Beginnt es bei der Geburt, ober vielleicht in Wirklichkeit schon etwas vorher, nämlich wenn sich die Eltern begegnen? Die Begegnung der Eltern führte zu einer Beziehung, das war der Beginn der Geschichte der Kinder.

Das Johannesevangelium erzählt vom Beginn der Geschichte Jesu. Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Das Wort ist für uns nicht handgreiflich. Das Wort, das im Anfang bei Gott war, und das Wort, das Gott war. Gottes Wort wurde Fleisch und Blut, wurde ein Mensch wie wir, mit einem Menschennamen – und doch ist es so schwer, sich dazu zu verhalten. Das Johannesevangelium bietet keine Geburtsgeschichte wie Lukas mit der Jungfrau Maria, Josef, Stall, Hirten und Engeln. Da sind keine handgreiflichen Bilder, denn das Johannesevangelium will etwas anderes, Ihr werdet größere Dinge sehen!

Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. In diesen kurzen Sätzen liegt die ganze Schönheit des Lebens, aber auch die Tragödie des Lebens.

Im Anfang, als Gott die Welt schuf, war alles so gut. Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, und er segnete sie. Er gab ihnen die Erde, gab ihnen alle Fische, Vögel, die Tiere und die Pflanzen. Gott sah alles, was er geschaffen hatte, und er sah, wie gut es war.

Dann kam die Tragödie. Als die Schlange Eva dazu verführte, vom Baum der Erkenntnis zu essen, kam die Finsternis in die Welt. Von da an lebte der Mensch nicht mehr ewig, der Tod wurde das Los, dem wir alle unterworfen sind, und der Mensch erhielt die Macht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.

Gott und Mensch waren nun getrennt. Die Gemeinschaft und die Nähe zu Gott war nun unterbrochen, als der Mensch seine Fehler erkannte. Die Menschen begannen Gott zu fürchten und versteckten sich schamhaft. Die Scham lag wie ein dicker Teppich zwischen Gott und Mensch und führte dazu, dass sich der Mensch immer mehr von Gott entfernte.

Denn wozu brauchen wir eigentlich Gott? Die Welt geht ihren schiefen Gang, die Pandemie trennt Menschen, die Gemeinschaft haben möchten, trennt zwischen den reichen Ländern, die einen Impfstoff haben, und den armen Leuten, die ihn nicht haben, zwischen denen, die sich impfen lassen, und denen, die das nicht wollen. Die Flüchtlingsströme bleiben, im Osten trampeln Soldaten umher, um Eindruck zu machen, und Ungerechtigkeiten geschehen täglich. Nicht die Welt an sich ist böse, sondern die Art und Weise, in der wir Menschen einander behandeln und wehtun. Gottes Forderung der Liebe zu einander lässt uns abducken und versagen, ganz wie Adam und Eva es im Paradies taten. Wir wollen uns nicht demütigen vor Gott, wir brauchen keinen Rat und keine Ratschläge von einem Gott, der mehr als zweitausend Jahre alt ist. Wie der hartherzige Hirte schließen wir die Augen vor dem Wunder, das da vor unseren Augen ist in den Worten des Johannesevangeliums. Ihr sollt den Himmel offen sehen und den Engel steigen auf und nieder.

Ich glaube, dass sich alle Mensch en nach Gott sehnen. Wir sehnen uns nach einer Liebe, die so groß ist, dass sie uns umgreifen kann, uns lieben kann trotz allem, was wir sind. Wir sehen uns nach jemand, der das Gute in jedem Menschen sehen kann. Wir sehnen uns nach einem paradiesischen Zustand, wo alles so gut ist.

In der Weihnacht erleuchtet ein Licht in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. Das Licht war so stark, dass alle menschliche Bosheit, alle Lüge und alle Falschheit, alle Selbstbehauptung und Furcht dieses Licht nicht beseitigen kann. Selbst der letzte Feind, der Tod, wurde im Lichte des Ostermorgens überwunden.

Die Geburt Jesu, als Licht in der Finsternis, wurde ein neuer Anfang. In Jesus kam Gott den Menschen nahe. Der Weg zum Paradies wurde gefunden. Der Weihnachtsbaum in all seinem Glanz erinnert uns an den Baum des Lebens, den prächtigen Baum aus dem Paradies. Wir stellen ihn auf in unseren Kirchen und unseren Stuben. Der Zweig vom Baum des Lebens steht wieder so schön, mit Äpfeln, kleinen Vögeln und Lichtern auf den Zweigen. Der Garten des Paradieses, in dem die Engel Gottes flogen wird für uns von Jesus wieder geöffnet.

„Was kann das für eine Nacht sein, wo die Hunde nicht beißen, die Schafe keine Angst haben, wo der Spieß nicht tötet und das Feuer nicht brennt?“ „Ich kann es dir nicht sagen, wenn du es nicht selbst sehen kannst“.

Die Geburt Jesu bedeutet einen neuen Beginn. Ich kann es dir nicht sagen, wenn du es nicht selbst sehen kannst. Amen.

Gebet: Gott, du bist das Licht der Welt. Lass das Licht der Weihnacht in Bethlehem für uns leuchten. Wir danken dir für unsere Familien und unsere Kinder, für die Menschen mit denen wir Weihnachten feiern. Wir bitten dich: Sei bei all denen, die unfreiwillig allein sitzen müssen, tröste und stärke die, die Angst haben, sei bei all denen, die unter der Pandemie und Krankheit leiden. Sei mit den Pflegekräften und all denen, die dazu beitragen, den weihnachtlichen Frieden zu sichern. Erinnere uns täglich daran, dass die Erde mit allem, was auf ihr ist, von dir geschaffen und gewollt ist, und dass wir deshalb verantwortlich mit den Ressourcen der Erde umgehen und Verantwortung trag en für unsere Mitmenschen. Hilf uns, dass wir jeden Tag im Vertrauen zu deiner Liebe, deiner Gnade und Fürsorge leben und daran genug haben. Danke für die Taufe, in der du uns zu deinen Kindern berufen hast. Für das Brot und den Wein, wo du uns dich selbst schenkst. Sei mit aller Obrigkeit, unserem Parlament, der Königin und ihrer Familie. Sei mit der Kirche hier in unserer Gemeinde und der ganzen Christenheit auf Erden. Lass uns versammelt sein in einer Gemeinschaft mit dir. Bewahre uns in der und dem Glauben an dein Reich. Amen.

Pastorin Anna Jensen

5230 Odense M

E-mail: ansj(at)km.dk

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