Johannes 12,23-33

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Johannes 12,23-33

Dritter Sonntag nach Epiphanias | 21.01.24 | Joh 12,23-33 (dänische Perikopenordnung) |  Christiane Gammeltoft Hansen |

”Ich liebe die bunte Welt”[1]

Gott hat uns nach seinem Bilde geschaffen – aber nur nach seinem Bilde, nicht wie sich selbst. Wir sind Menschen mit Leib und Seele, in denen sich ein Abdruck Gottes befindet, wo aber zugleich auch Platz ist für uns selbst. Wir sind Geschöpfe, die sich von ihrem Ursprung unterscheiden. So verhält es sich auch mit der Welt. Die Welt ist gegeben, aber mit uns bewegt sie sich auch auf eigenen Bahnen.

Der Evangelist Johannes spricht von einer Doppelheit, und davon dass es damit beginnt, das uns das Leben gegeben ist, dass aber das Leben auch das ist, was wir aus ihm machen. Dass wir die sind, die Gott gehören, zugleich aber auch die, die sich losreißen. Da sind gleichsam zwei Ichs. Ein Ungleichgewicht in uns und der Einrichtung der Welt.

Wir mögen nicht Worte wie „Sünde“ und „Gericht“. Das klingt fremd, barbarisch und ohne Gültigkeit in Bezug auf die Art und Weise, wie wir uns selbst als Menschen verstehen. Und dennoch sind wir die, die in dieser Doppelheit leben und von den eigenen Fehlern und denen anderer Menschen betroffen sind. Und auch wenn Johannes den Fürsten dieser Welt nicht beim Namen nennt, so kennen wir ihn sehr wohl. Wir sind ihm in verschiedener Gestalt und Verkleidung begegnet, und immer, wenn er oder sie auftreten, ist die Welt dadurch finsterer und unbewohnbarer geworden.

Die Geschichte der Welt ist eine Geschichte, die nicht ohne Fiaskos und ohne Verbrechen ist. Aber deswegen geradezu das Leben lassen in der Welt, wie Johannes das sagt? Wie sollten wir das? Wir sind doch mit der Welt verbunden.

Alles Versagen hassen wir – natürlich tun wir das. Und immer, wenn ein Krieg zu Ende ist, sagen wir: Nie wieder. Wir schämen uns, wir liegen wach in der Nacht wegen all dem, was wir hätten anders machen sollen, oder dem, was wir nicht getan haben. Und wir können uns und einander nicht wiedererkennen, wenn wir uns zu sehr von unserer Gottesebenbildlichkeit entfernen. Da gibt es reichlich, was wir verwünschen und verdammen. Aber dennoch ist die Welt unsere Heimat, so wie der Körper die Wohnung der Seele ist.

Also die Welt hassen, was meint Johannes damit? Sind das ganz gewöhnliche Dinge, die wir hassen sollen? Die alltägliche Routine, Dinge, die wir immer wieder tun, nach einer Tasse greifen, sie zum Munde führen, einen Schluck nehmen. Will er uns damit sagen, dass das gleichgültig ist und ohne Bedeutung?

Aber was dann mit der Liebe, die nicht großspurig ist und dem Mitmenschen gilt? All die Liebe, die all den Dingen draußen in der äußeren Welt gilt? Wie z.B. eine Tasse halten und entdecken, dass in der einfachen Form eine Schönheit liegt? Zu merken, wie sich der Griff und die Hand miteinander verbinden und wie der Rand schwer auf den Lippen ruht. Einen Schluck des schwarzen, warmen Getränks zu sich nehmen und erleben, wie sich die Nasenlöcher öffnen, als spürten sie Wind, wenn das Aroma des Kaffees in das Gesicht weht. Diese ganz gewöhnliche Erfahrung, die vielleicht für den gleichgültig ist, der nicht in Kaffeepausen denkt, sondern nur in Ewigkeit, die aber für einen gewöhnlichen Sterblichen eine der Wiederholungen ist, auf die man sich sehr wohl freuen kann.

Da ist viel im Üblichen, auf das wir verzichten könnten, aber da ist auch viel, was uns fehlen würde. Wie also sollen wir unser Leben in der Welt insgesamt hassen können?

Die Fürsten der Welt sind auch nicht nur von einer Art. Da sind Fürsten, die nicht nur für sich selbst Platz schaffen, sondern auch die Bedingungen für mehr Menschlichkeit schaffen. Was ist das für ein Gericht, das über sie und unsere Welt ergehen soll?

Und der Raum, den wir in uns selbst haben, wäre es denkbar, dass der nicht nur ein Ort der Sünde ist?  Vielmehr ein Ort, wo auch ein Dialog mit Gott stattfindet? Wo der erforderliche Abstand existiert, damit wir etwas Neues entdecken und mit dem Bewusstsein leben, dass da mehr zu verstehen und zu erwarten ist?  Oder wenn nicht das, wenn es ausschließlich das autonome Selbst ist, das sich etwas Platz verschafft hat, wäre es dann denkbar, dass dies dennoch nicht nur ein Ort ist für Eigeninteresse, sondern auch ein Ort, von dem wir über uns selbst hinausreichen? Und dass so von hier aus hin und wieder eine Bewegung angestoßen wird, die überraschend sein könnte – auch für den Urheber selbst – und wer weiß, vielleicht könnte das direkt in den Armen des Heiligen enden?

Das sind unabgeschlossene Gedanken, aber Johannes kann zu solchen Gedanken anregen. Und sollen wir das alles in einer einzigen Frage zusammenfassen, müsste es die sein: Wie soll das Göttliche uns betreffen, wenn es nicht etwas zu tun hat mit unserem Leben in der Welt in all seiner Zweideutigkeit?

Heute ist der letzte Sonntag der Epiphanias-Zeit (nach dem dänischen Kirchenjahr). Hier offenbart sich Gott selbst, zeigt uns, wer er ist. Und das, als was er sich uns zeigt, ist ein Mensch. Ein Mensch mit einem Körper, der in der Welt lebt. Wenn in dieser Offenbarung eine Antwort auf unsere Frage, kann die Antwort kaum eine andere sein als die, dass wir nicht die Welt geringachten sollen, in die Gott selbst gekommen ist.

Mit Jesus geschieht eine Verwandlung des Lebens. Da ist noch diese doppelte Wirklichkeit, aber Jesus verbindet die Doppelheit und eröffnet damit auch die Möglichkeit dafür, dass wir in einer Einheit von Welt und Ewigkeit leben können, dass auch für uns eine Verschmelzung vom Alltäglichen und Heiligen, von Äußerem und Innerem, von Gott und Mensch geschehen kann.

Wir leben als Empfänger. Dagegen verschießen wir uns, wenn wir uns zurückziehen in unsere eigenen selbsteingerichteten Räume. Vielleicht ist die Aufforderung zum Hass vor allem eine Aufforderung dazu, dass wir das nicht einengen und damit selbst einschließen.

Aber die Welt, die lieben wir. Nicht alles, was in der Welt ist, nicht alles, was aus ihr geworden ist, aber viel, was von der Welt ist und in der Welt ist, verbinden wir mit Dankbarkeit. In dieser Welt und in diesem vergänglichen Leben machen wir auch unsere Ewigkeitserfahrungen. Was wir von der Ewigkeit wissen, das haben wir von dem Ort dieses Augenblicks.

Wie z.B. die Erfahrung von Ewigkeit, die ein Morgen schenken kann. Einer dieser Morgen, wo man von selbst erwacht und wo man in dem kurzen Augenblick zwischen Schlaf und vollem Bewusstsein ewig ist – ohne Alter, ohne Geschichte, nur lebend. Erwachen ist eine allgemeine Erfahrung. Dazu sind die Morgen da, aber da kann auch et was Ewiges hineinspielen, das für einen Augenblick die Doppelheit aufhebt. Nur einen Augenblick, denn kurz danach erinnert man sich wieder an sein Alter und daran, was gestern geschah. Kurz danach muss man den Körper in Gang bringen und sich aus den Federn erheben. Ud die tägliche Routine beginnt:

Man geht in die Küche, macht eine Tasse Kaffee, nimmt die Tasse Kaffee in die Hand, lässt den Rand die Lippen berühren, weitet die Nasenlöcher aus. Und dann ist man wieder da – im Ewigen.

Im Laufe eines solchen Tages kann es zu nicht so wenigen Augenblicken kommen, wo die Doppelheit aufgehoben ist und wir nur einfach leben. Amen.

Pastorin Christiane Gammeltoft-Hansen

DK-2000 Frederiksberg

E-mail: cgh(at)km.dk

[1] Titel eines beliebten dänischen Liedes aus dem Liederbuch der Heimvolkshichschulen.

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