Johannes 17,20-26 und Römer 8,31b-39

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Johannes 17,20-26 und Römer 8,31b-39

Johannes 17,20-26 und Römer 8,31b-39 (dänische Perikopenordnung)

Zur Zeit gibt es einige Strömungen im größten Teil der Welt, die viel Mühe darauf verwenden, zu definieren, welchen Gemeinschaften wir angehören.

Es gibt eine Strömung, die man Globalisierung und Inter­nationalisierung nennt. Diese Strömung ist an sich nicht durch Politik oder Ideen bestimmt. Sie ist eigentlich eine ökonomische und technologische Art und Weise, über Landesgrenzen, über Zoll- und Steuergrenzen und Grenzen, die die Zeit setzt, hinwegzugehen. Erst dann wird die Frage gestellt, was uns eigentlich trennt. Ja, was ist der tiefste Unterschied zwischen Menschen?

Wir leben in vieler Hinsicht getrennt, die Geographie und vielerlei Grenzen trennen uns. Aber wir können über einen Computer heute ganz dicht bei unseren Bekannten in den USA sein, und wir können auf der Börse in Japan oder Neuseeland zugleich handeln. Was trennt uns? Was ist der Unterschied zwischen uns? Sind wir in Wirklichkeit nicht mehr geprägt durch das, was uns gemeinsam ist, als durch unsere Gegensätze?

Eine andere Strömung stellt sich gegen die Globalisierung. Hier behauptet man, daß die Globalisierung unsere Geschichte auslöscht, unsere Sprache, unsere eigene Prägung, Religion und Identität. Der Gegensatz zur Globalisierung oder besser die Antwort auf sie ist dann ein erneuertes Interesse für die Nation, die Sprache, ja all das, was dazu beiträgt, uns eine besondere Prägung und – wie wir sagen – Identität zu geben.

Die Frage ist nicht, ob wir uns an das eine oder das andere hier halten sollen. Die Frage ist, ob es etwas gibt, das uns trotz aller Unterschiede verbindet. Dies gibt es! Uns ist das Menschliche gemeinsam, was es bedeutet, Mensch zu sein. Wir sind alle im Bilde Gottes geschaffen, ob wir nun Christen, Moslems oder Hindus sind. Aber ist das nicht eine allzu schwache Grundlage für eine Gemeinsamkeit? Gibt es nicht alles mögliche andere, das uns trennt? Glaube und Religion z.B.? Ja, leider ist die Welt zur Zeit nicht durch religiöse Toleranz geprägt. Die Unterschiede zwischen den Religionen werden stark betont.

Da kann es in vieler Hinsicht gut sein, daß die Unterschie­de verdeutlicht werden, denn selbstverständlich unterscheiden sich die Religionen. Es ist nicht ohne weiteres wahr, daß wir wohl alle an den selben Gott glauben. Alles ist nicht gleich gut. Wir bekennen als Christen unseren Glauben daran, daß es keine Erlösung von Sünde und Tod gibt außer im Namen Jesu, und daß er uns seinen Glauben schenkt, der uns erlöst.

Führt das nicht zu einer Konfrontation mit anderen Formen von Glauben? Ja, aber man kann viele Wege der Konfrontation gehen. Man kann z.B. den harten und unversöhnlichen Weg gehen, oder den toleranten, der dem Anderen auch Raum gibt, seine eigenen Auffassungen zu verfechten, auch wenn man mit ihm grundlegend uneinig ist.

In dem Teil des hohepriesterlichen Gebets, das wir heute gehört haben, fleht Jesus Gott den Vater geradezu an, daß er die Einheit zwischen Gott dem Vater und denen, die Jesus anvertraut sind, bewahren möge. Das Gebet Jesu ist sehr kompakt und schwer zu überschauen. Deshalb erlaube ich mir, es der Klarheit halber in vier Punkte aufzuteilen.

Jesus betet für die, die er in die Welt gesandt hat mit der Botschaft von ihm und seinen Taten. Er betet für seine Jünger, er betet für die, denen er begegnet ist und die damit mit dem Evangelium konfrontiert worden sind. Und er betet für die, die zum Glauben gekommen sind und kommen, indem sie denen begegnet sind, die er gesandt hat. Jesus bittet darum, daß sie alle eins seien, damit die Welt glauben wird, daß er von Gott dem Vater gesandt ist.

Jesus betont auch, daß er seine Herrlichkeit denen übertragen hat, die er gesandt hat, und denen, die durch die Ausgesandten zum Glauben gekommen sind. Das hat er getan, damit die Welt verstehen soll, daß Jesus nicht nur ein Mensch ist, sondern von Gott gesandt. Also ist er die Offenbarung, die Kundmachung dessen, was Gott ist und was Gott will.

Drittens will Jesus darum bitten, daß die, die ihm anvertraut sind, zusammen mit ihm bleiben sollen. Wo er ist, sollen auch sie sein. Er bittet also darum, daß wenn er nach der Auferstehung zum Vater geht, die ihm Anvertrauten dort sein werden, wo er ist.

Schließlich betont Jesus, daß die Glaubenden erfahren haben, daß er von Gott gesandt ist. Erfahren haben, daß er Gott und Mensch ist. Sie haben erfahren, daß er ihnen den Namen Gottes kundgetan hat, damit die Liebe, mit der Gott Jesus geliebt hat, auch in ihnen sein möge.

Wir können all dies schwer Begreifliche darin zusammen­fassen, daß Jesus darum bittet, daß die Gnade, die in ihm Fleisch und Blut wurde, weiter bei den Menschen bleiben möge, auch wenn er selbst, Jesus, nicht mehr in der Welt ist. Er bittet darum, daß die Einheit zwischen Gott und Welt bestehen möge. Er bittet darum, daß die Einheit zwischen Menschen, die die Einheit kraft des Kommens Gottes zu uns in Jesus Christus erfahren, bestehen möge.

Jesus hat seine Aufgabe darin gesehen, die Welt mit Gott dem Vater zu versöhnen. Er sollte Gott und Mensch sein und die Menschen davon bekehren, nur sich selbst und ihre eigenen Interessen zu sehen, um statt dessen auch den Nächsten zu sehen, zu sehen, daß das Verhältnis zu Gott nicht vom Verhältnis zum Nächsten getrennt werden kann und darf.

Das bewegte Gebet Jesu ist ein Gebet, das einer betet, der dem Tode in die Augen gesehen hat. Es ist ein flehentliches Gebet darum, daß das Gute, das entstanden ist, nicht wieder vergehen möge.

Die Einheit zwischen dem Geschaffenen und die Einheit zwischen Schöpfer und Geschöpf war von Anfang an da. Sie ist immer am Anfang. Sünde ist, daß diese Einheit zerstört wird. Sünde ist, Trennungslinien zu ziehen, wo tiefe Kluften nicht notwendig sind. Sünde ist, Abstand zu halten, wo Einheit notwendig ist.

Ja, aber nicht alles kann eine Einheit sein. Man kann sagen, daß der Islam und das Christentum keine Einheit sein können. Es sind unvereinbare Gegensätze. Das läßt sich nicht bezweifeln. Aber die Einheit besteht darin, daß wir einander respektieren können, daß wir sehen können, daß der andere trotz eines anderen Glaubens auch mein Bruder ist, auch ein Geschöpf Gottes, daß auch er von der Gnade Gottes im Leiden und Tod Jesu Christi umfaßt ist, auch wenn er davon nichts wissen will.

Die Einheit zwischen Gott und Welt ist, daß Gott sich in Jesus Christus eins gemacht hat mit seiner Schöpfung. Dort sind wir zusammengebunden in einer erlösenden Einheit. Das ist kein Argument für Globalisierung. Umgekehrt läßt sich das auch nicht für Selbstgenügsamkeit in Anspruch nehmen.

Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß die Einheit zwischen Gott und Menschen von Gegensätzen zwischen Brüdern gesprengt wird. Das ist die Alte Geschichte von Kain und Abel. Das ist die alte Geschichte, daß wir mit den Worten John Steinbecks „östlich vom Paradies“ leben, wo wir die Gegensätze zwischen Völkern hervorheben, Gegensätze zwischen Nationen und Gegensätze zwischen unterschiedlichen Glaubensformen.

Es ist als hofften und glaubten wir, daß wir Einheit schaffen könnten durch Reinheit, indem wir das entfernen, was nicht zu unserer Auffassung von dem paßt, wie die Welt sein soll. So haben es die Menschen schon immer gemacht. Die Geschichte ist voll von Strömungen und Bewegungen, die alles abschaffen wollen, was nicht rein ist oder nicht zu einer bestimmten Denkweise paßt.

Man kann nicht sagen, daß das zu dem paßt, was Jesus gepredigt hat oder wofür er mit seinem Leben einstand. Er relativierte alle diese verschiedenen unvereinbaren Gegensätze. Es war als sage er, daß sie ja weniger wichtig sind. Das Wichtigste ist, daß Gott in die Welt gekommen ist und eine Vereinigung und Versöhnung zwischen sich und den Menschen sowie zwischen den Menschen untereinander zustandebringt.

Kurz vor der Gefangennahme und dem Tod bat Jesus darum, daß diese Vereinigung nicht durch gewöhnliche menschliche Gegensätze und fehlendem Respekt vor einander zerstört oder gestört werden möge. Jesus bat darum, daß Gott weiter sein Werk tun möge. Daß er die Versöhnung gelten lasse. Daß er die Einheit bestehen lasse zwischen denen, die Jesus ausgesandt hatte mit Wort und Tat, und denen, die von diesen Worten und Gott getroffen waren. Jesus bat darum, daß wir in der Einheit festgehalten werden. So wie Jesus eins mit uns wurde, und so wie der Vater und er eins sind, so soll Gott an der Versöhnung und Einheit mit uns festhalten.

Das stellt die unterschiedlichen Strömungen in der Welt in eine neue Perspektive. Denn Jesus hält uns daran fest, daß die Menschlichkeit uns gemeinsam ist und eine entscheidende Grund­lage. Das ist das Gesicht, wo wir Gott sehen. Das ist nicht unser Inneres, das ist nicht zu Hause, wo wir es uns gemütlich machen und wo wir dann an Gott denken können. Das Angesicht Gottes sehen wir in denen, die wir lieben, und in denen, die wir nicht mögen, in denen, mit denen wir alles teilen können, und in denen, von denen wir uns grundlegend zu unterscheiden meinen.

Jesu Werk und Botschaft ist, daß er alle Sünde versöhnt und ausgleicht, daß er die Kluft – die Sünde – überwindet, die wir zwischen unserem Nächten und uns und damit auch zwischen Gott und uns geschaffen haben.

Wenn wir also das Evangelium hören, können wir es niemals als Selbstbestätigung hören. Es ist in Wirklichkeit immer eine Anklage gegen uns. Denn haben wir so gelebt, daß wir die Gegensätze zu versöhnen versuchten? Haben wir so gelebt, daß wir trotz unvereinbarer Gegensätze den Respekt vor einander bewahrt haben? Nein, ist es nicht die Wahrheit, daß wir uns von denen abwenden, mit denen wir angeblich nicht gemein haben? Ist es nicht so, daß wir Gegensätze bewahren und nicht auf das sehen, was uns trotz der Unterschiede eint?

Das Gebet Jesu trifft uns heute hart. Es entlarvt unsere mangelnde Fähigkeit, ordentlich mit einander zu leben. Aber es besteht darauf, daß eine Versöhnung von ihm und durch ihn geschaffen ist, und die müssen wir festhalten und verkünden, ja im Gebet vor Gott bringen, unseren Unglauben sehen, unsere Schuld – aber sie auslöschen im Namen Jesu Christi.

Wir sollen nicht darum beten, daß alle menschlichen Unterschiede aufgehoben werden. Es ist ein äußerst gefährlicher Idealismus zu glauben, daß Gegensätze zwischen Menschen aufgeho­ben oder abgeschafft werden können. Wir sollen auch nicht als Verkündiger oder als Kirche einer christlichen ideologischen Verteidigung für die Globalisierung oder Internationalisierung verfallen – auch nicht in das andere extrem verfallen. Nein, die weltlichen Fragen müssen wir dort beantworten, wo politische und gesellschaftliche Fragen entschieden werden.

Wir sollen aber darauf bestehen, daß uns der Tod und die Auferstehung Jesu trotz aller Unterschiede einen. Wir sollen darauf bestehen, daß Gott uns nahe ist, daß er sich mit uns eins macht durch den Heiligen Geist. Deshalb sollen wir diese Botschaft zur Grundlage unseres Lebens machen. Sie soll unsere Auffassung vom Menschen durchdringen und prägen, so daß wir einander mit Respekt behandeln, so daß wir nicht töten, weder mit Worten noch mit Waffen, daß wir nicht verhöhnen und nicht verspotten, weder offen noch verdeckt herablassend von anderen reden, daß wir nicht selbstgerecht werden und andere verachten.

Sollte wir nicht denselben Respekt beim Anderen finden, müssen wir dennoch immer an diesem Respekt festhalten, denn auch für den anderen ist Christus gestorben und begraben. Die Liebe und Gnade Gottes macht die Einheit zwischen ihm und Christus aus, seine Gnade und Liebe bewirkt die Einheit zwischen Gott und uns und zwischen uns untereinander. Daß wir in ihm eins sein und bleiben mögen. Über Globalisierung und Internationalisierung können wir streiten – hoffentlich im Respekt vor einander. Aber ob wir eins werden im Namen Jesu – das macht der Reichtum der Gnade Gottes. Amen.

Propst Poul Henning Bartholin
Selskovvej 42
DK-3400 Hillerød
Tel.: ++ 45 – 48 24 90 50
e-mail: phb@km.dk

 

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