Lukas 1,26-38

Lukas 1,26-38

Judika | 26.03.2023 | Lk 1,26-38 (dänische Perikopenordnung[1]) | Anna Jensen |

Wo gibt es Hoffnung? Es gibt fast nichts mehr Hoffnungsvolles als ein neues Leben, das entsteht. Das rührt unsere Herzen, wenn ein Kind geboren wird, wenn wir hören, dass neues Leben erwartet wird. Heute ist es der Tag von Maria. Wir singen Loblieder und preisen Maria als Freundin des Himmels, sie, die den Sohn Gottes unter ihrem Herzen trug.

Wir vergessen oft, dass alles möglich ist für Gott. Wenn wir keinen Ausweg sehen aus einer aussichtslosen Lage, dann glauben wir nicht an einen Ausweg.

Als ich Kind war, stand da mitten in Europa eine Mauer, die Ost und West trennte.  Im Osten war der Kommunismus mit einem totalitären Regime, im Westen Freiheit und Demokratie. Die Mauer war eine Folge des Friedensabkommens nach dem Zweiten Weltkrieg, das war die Wirklichkeit. Sie teilte Europa fast wie ein Naturgesetz. Aber dann wechselte die Windrichtung. Woran niemand so richtig zu glauben wagte, das geschah, eine Befreiung fand statt, und plötzlich öffneten sich die Grenzen, die Mauer fiel, und die Leute konnten wieder Freunde und Verwandte besuchen, wir konnten frei reisen. Was unmöglich schien, wurde möglich. Die deutsche Rockband Scorpions schrieb ein Freudenlied, ein Loblied, Wind of Changes, das ein Riesenhit wurde. Was da geschah, als die Mauer niedergerissen wurde, war einfach phantastisch. Davon hatten wir nicht zu träumen gewagt, viele erlebten es als ein göttliches Eingreifen, „magic of the Moment On a glory night“.

Jetzt bauen wir wieder Mauern. Wir schaffen Feindbilder von dem Volk, das die Scorpions in ihrem Lied „unsere Brüder“ nannten, wir schicken Soldaten nach Lettland in der Hoffnung, dass der Krieg in der Ukraine bleibt und sich nicht ausbreitet, wir machen uns unabhängig vom Handel mit Russland, und unsere Hoffnung auf eine dauerhafte friedliche Lösung ist wie eine spärliche Flamme, die im Winde flackert.

Nichts ist unmöglich für den Herren. Sowohl in Bezug auf das Auto als auch in der Weltgeschichte hat es Veränderungen gegeben, die niemand für möglich hielt. Und das kann wieder geschehen! Die Verkündigung Mariä ist eine Geschichte der Hoffnung. Da ist Hoffnung für die Welt, das Gute wird siegen, denn Gott ist stärker.

Kinder und das Frühjahr können uns Hoffnung geben, aber es herrscht noch immer Finsternis in unserem Leben. Der Tod existiert, Krieg und Missmut existieren. Wenn der Verzweifelte fragt, wo die Hoffnung ist, genügt es dann auf Bilder von Babys, von kleinen Hunden und Sonnenaufgängen zu verweisen? Kann das unsere Finsternis verdrängen, unsere Klimaangst, die Spaltungen und Fragmentierungen in unserer Gesellschaft, die Krise des Gesundheitswesens, den Krieg? Genügen ein paar Sonnenstrahlen, um unsere frierenden Winterherzen zu erwärmen, oder brauchen wir ein stärkeres Licht, ein Licht so stark, dass es unser Leben, unsere Zukunft aufhellen kann?

Am ersten Advent sangen wir von der „Heil’gen Nacht, die Geburt unsres Herrn bracht Licht in das Dunkel wie nie ein Stern“[2].  Als der Heilige Geist im Schoß der Maria wohnte, ging ein Licht auf. Das konnte vom menschlichen Auge nicht gesehen werden, aber bei Lukas wird das Wunder erzählt: Als die Eltern Marias hörten, was Maria widerfahren war, schickten sie Maria in das Bergland Judäas zu ihrer Verwandten Elisabeth, die mit dem Priester Zacharias verheiratet war. Elisabeth war schwanger geworden in einer fast genauso mirakulösen Weise wie Maria. Elisabeth war alt geworden und nicht mehr eine junge Frau. Dennoch wünschten sie und Zacharias sich so sehr ein Kind. Eines Tages, als Zacharias den Dienst im Tempel versah, erschien ein Engel vor ihm und sagte: „Fürchte dich nicht Zacharias … Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und dem sollst du den Namen Johannes geben“. Die alte Frau Elisabeth war also schwanger geworden auf genauso wundersame Weise wie Maria. Als Elisabeth die Tür öffnete, hüpfte das Kind vor Freude in ihrem Leibe, und sie wurde erfüllt vom heiligen Geist und rief: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“.

Das Kind im Leibe der Elisabeth war Johannes, der später den Beinamen Täufer erhielt. Schon im Mutterleibe wusste er, dass Jesus das Licht ist. Aus dem Schoß der Maria sollte das Licht in die Welt kommen. Viele Jahre später begegneten sich die beiden wieder, als Johannes Jesus im Jordan taufte und sich die Himmel über ihm öffneten,

Mit Jesus kam das Licht in die Welt. In Generationen hat es geleuchtet, und wir haben seitdem Weihnachten und Ostern gefeiert, die Hoffnung ist lebendig, das Licht ist bei uns, aber da ist noch immer Finsternis in der Welt.

Wo findest du Hoffnung? Viele Dänen feiern Weihnachten, ohne eigentlich an Gott zu glauben. denn die Erzählung von einem Kind, das geboren wird, gibt uns Hoffnung. Aber es werden viele Kinder geboren, ja in Wirklichkeit so viele, dass die Erde sie kaum ernähren kann, wenn wir in dem jetzigen Tempo so weitermachen. Ich höre von jungen Menschen, die so wenig Vertrauen in die Zukunft haben, dass sie zögern, Kinder in die Welt zu setzen. In dem dänischen Fernsehprogramm „Der letzte Breitengrad“ reisen die Enkel des Autors Troels Kløvedal zum Nordpol, denn, wie sie sagen: „Wir müssen jetzt los. In zehn Jahren ist es zu spät, da können wir nicht mehr den Nordpol betreten, da das Eis zu einem offenen Meer geworden ist.“

„Wenn ich das Licht ausmache und den Abfall sortiere, tue ich das für euch“, habe ich einmal zu jungen Menschen gesagt, damit ihr auch eine Erde habt, auf der man wohnen kann“. Den jungen Leuten war das egal, die wollten keine Tür schließen, um die Kälte nicht hereinzulassen. „Das ist doch egal“, sagten sie, „diese Generation hat alles aufgebraucht!“ „Aber deshalb können wir doch nicht aufgeben“, wende ich ein, „wir können doch nicht einfach unbegrenzt verbrauchen!“ „Doch“, antworteten sie, „wir können genauso gut das Beste daraus machen.“

Ist es so in unserer Zeit, dass wir genauso gut das Beste daraus machen können? Unser privilegiertes Leben genießen, weil die Zukunft finster und düster aussieht? Unsere Sorgen mit Schokolade und einer guten Netflix Serie betäuben, und wenn uns etwas fehlt, worauf oder worüber wir uns freuen können, dann bestellen wir eine Skiurlaub oder eine Reise in den sonnigen Süden und überschütten uns dabei selbst und einander mit Positivität in der Form von lustigen und merkwürdigen Bildern i den sozialen Medien. Wir sollten uns nicht so viel Gedanken machen über die Dinge. Carpe diem, genieße den Tag, denn in einige Jahren ist es zu spät.

Dadurch wird sich die Welt nicht ändern. Die Welt ändert sich erst, wenn die Hoffnung zum Handeln fährt. Wenn wir es wagen, zu träumen und auf eine bessere Welt zu hoffen, wenn wir uns selbst aktiv in den Kampf begeben, dageschieht etwas. Wir können nicht die ganze Welt retten, nein, das wollen wir Christus überlassen, aber wir können dazu beitragen, die Zukunft zu gestalten, die auf uns und unsere Kinder wartet.

Der amerikanische Soziologe Arlie Hochschild hat viele Jahre lang über Spaltungen geforscht.  Warum verliert die Gesellschaft die Kraft zum Zusammenhalt? Warum entstand die amerikanische Teaparty-Bewegung, was brachte die Amerikaner aus den Randgebieten dazu, Trump zu wählen, obwohl seine Politik nichts für sie tut? Die Spaltung der Gesellschaft findet man auch in Dänemark. Wie spalten uns in wir – und die andren. Die feinen Kopenhagener Salons und die Leute auf dem Lande, die das Gefühl haben, dass ihnen alles genommen wird. Wir leben in unserem eigenen Segment, und sehen nicht, was andere brauchen. Gibt es Hoffnung auf eine bessere Zukunft? „Doch“, sagt Arlie Hochschild, „da kommt eine Gegenbewegung.“ Es müssen Empathie-Brücken gebaut werden. In den USA ist eine neue Bewegung entstanden: „The American Exchange Project“, wo Schüler von Gymnasien aus 23 Staaten aus dem Norden und Süden einander besuchen und mit einander sprechen. In Dänemark haben wir die „Nachschulen“ und Heimvolkshochschulen. Hier können sich Kinder aus allen Bevölkerungsschichten begegnen, aber es dominieren vor allem Kinder der Mittelklasse. Kinder von Einwanderern fehlen, und das ist schade, denn die Kraft des Zusammenhalts entsteht, wenn alle miteinander reden, wenn die Empathie weiter reicht als zu den eigenen Leuten.

Es gibt keimende Hoffnung, wenn wir nur genau hinsehen, aber um unsere Augen zu öffnen, brauchen wir die Hoffnung, die Grundhoffnung. Die Grundhoffnung, dass Gott die Welt geschaffen hat in seine Güte, dass er es gut mit uns meint, dass sich Gott seiner Menschen annimmt. Die Grundhoffnung ist dies: Auch wenn es schwarz für uns aussieht, so hat Gott einen Weg nach vorn, denn nichts ist unmöglich für den Herren! Das Kind im Bauch der Maria ist noch nicht ein kleines Kind, nein, es ist der Heiland der Welt. Nichts ist unmöglich für Gott. Die Zukunft liegt in seiner Hand. In Maria hat er seinen Keim gepflanzt, zu Trost und Hoffnung für uns. Das Kind soll genannt werden der Heilige, Sohn Gottes. Er soll aufwachsen und vom Reich Gottes lehren. Er wird uns einladen zur Gemeinschaft mit Gott, er will und das Brot und den Wein reichen, und er wird die Macht des Bösen brechen, indem er für uns in den Tod geht.

Da ist Licht, da ist Hoffnung. Es gibt zwar Finsternis in der Welt, aber wenn wir die Orientierung verlieren, können wir das Licht nicht sehen, so nicht deshalb, weil die Finsternis gesiegt hat, nein, es ist, weil der Kampf noch nicht vorbei ist. Am Ostermorgen zerbrach Gott die Macht des Todes, das Reich Gottes bricht hervor unter uns., das Licht wir schließlich siegen, weil nichts unmöglich ist für Gott.

Die Hoffnung wurde empfangen durch den Heilige Geist unter dem Herzen Marias. Der Heilige Geist ist unser Taufgeschenk, so dass auch wir durch die Kraft des Heiligen Geistes die Hoffnung in unseren Herzen empfangen können. Die Hoffnung nährt uns und gibt uns Kräfte und Mut, Platz zu machen für des Reich Gottes. Deshalb singen wir heute in unseren Lobliedern für Maria und das Kind, das sie unter ihrem Herzen trägt. Amen.

Gebet:

Gelobt seist du Gott, der du uns durch Maria deinen Sohn gegeben hast. Das aufgehende Licht aus der Höhe hat uns besucht. Wir bitten dich: Leuchte für die, die im Finstern und im Schatten des Todes sitzen. Fülle uns mit Licht, Hoffnung und Liebe, so dass wir jeden Tag leben können im Vertrauen auf deine Gnade und Fürsorge und daran genug haben.

Wir bitten dich, sei du nahe bei all denen, die auf der Flucht sind und nicht wissen, wo sie Brot und Hoffnung finden sollen. Schütze uns vor der Gewalt des Krieges und gib und Mut, denen zu helfen, die zu uns kommen. Erinnere uns täglich daran, dass die Erde mit all dem, was in ihr ist, von dir geschaffen und gewollt ist, und dass wir deshalb die Schätze der Erde besonnen und verantwortungsvoll für unsere Mitmenschen gebrauchen. Wir danken für die Taufe, in der du uns zu deinen Kindern machst, für das Brot und den Wein, wo du uns dich selbst gibst. Sei mit aller Obrigkeit, unserem Parlament, der Königin Margrethe und ihrer ganzen Familie. Sei mit der Kirche hier in unserer Gemeinde und der christlichen Kirche in der ganzen Welt. Lass uns alle vereinen in einer Gemeinschaft mit dir. Bewahre uns in der Hoffnung und im Glauben an dein Reich. Amen.

Pastorin Anna Jensen

5230 Odense M

E-mail: ansj(at)km.dk

[1] In Dänemark wird dieser Sonntag als Tag der Verkündigung Mariä begangen.

[2] Dänisches Adventslied von Grundtvig, Dänisches Gesangbuch 74, V. 1, hier nach dem Deutsch-Dänischen Kirchengesangbuch 74, V. 1.

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