Lukas 15,11-32

Lukas 15,11-32

3. Sonntag nach Trinitatis | 03.07.22 | Lk 15,11-32 (dänische Perikopenordnung) | Lasse Rødsgaaard Lauesen |

Dieses Gleichnis gehört zu den absolut wichtigsten Erzählungen der Kirche über Gott. Es ist so klar, dass Jesus nicht über es gepredigt hat. Jesus hat es nur erzählt, und dann konnte jeder sich selbst und Gott darin sehen. Man denke, wir könnten mit den beiden Söhnen sprechen und mehr darüber erfahren, wer Gott eigentlich ist. Lasst uns den Versuch machen und den beiden Söhnen einige Fragen stellen. Wir beginnen mit dem jüngsten Sohn.

Frage:  Wie ist dein Vater?

Sohn 1: Tja, er gab mir die Freiheit, von zuhause fortzugehen. Ich kam zu ihm und fragte, ob ich mein Erbe schon vor seinem Tod bekommen könnte. Dann reiste ich hinaus in die Welt, weg von meiner Familie und lebte mein Leben. Mir ging es so gut, dass ich alles über meine Familie vergaß und wo ich eigentlich Zuhause war. Als mir das Geld ausging und eine Hungersnot kam, versuchte ich Arbeit zu finden, um mich selbst zu versorgen. Nicht mehr an irgendeinen Ort in der Welt gebunden zu sein. Nur die Freiheit zu haben, die das schenkt, dass man Geld hat und machen kann, was man will. Ich fand keine Arbeit, ich fing an zu hungern, und plötzlich dachte ich an das Essen zuhause bei meinem Vater. Ich fing an, mich nach Hause zu sehnen, und musste in mich gehen. Ich erinnere mich noch immer daran, wie ich mit schweren Schritten nachhause ging. Würde er mich empfangen. Würde es genügen, sich zu entschuldigen und zuzugeben, dass ich gesündigt habe? Würde ich dann wieder satt werden können? Der Tag wurde zu einer Wende in meinem Leben. Ich ging mit schweren Schritten und schaute auf die Erde, aber als ich aufblickte, lief der Alte mnir entgegen und fiel mir um den Hals. Ich sagte die Worte, auf die ich mich vorbereitet hatte, aber der Alte war mehr damit beschäftigt, dem Diener zu sagen, dass man mit der feinsten Kleidung kommen und ein Kalb schlachten solle.

Frage: Warum was das für dich ein entscheidender Tag?

Sohn 1: Ja, denn ich musste in mich gehen und konnte nun sehen, dass ich auch draußen in der Welt davon lebte, einen Ort zu haben, woi ich zuhause war und wo ich nachhause kommen konnte. Er war trotzdem mein Vater, auch wenn ich um das Erbe gebeten hatte und fortgereist war und damit so getan hatte als sei ich tot.

Frage: Hast du dich entschuldigt?

Sohn 1: Ich sagte die Worte, aber ob er sie gehört hat, weiß ich nicht. Er war nur froh. Und das überraschte auch mich. Ich hatte geglaubt, er würde erst eine Entschuldigung verlangen und sich erst dann öffnen für mich.

Frage: Du sagst also, dass seine Liebe dich über alles liebte, weil ihr eine Beziehung zwischen Vater und Sohn hattet. Eine Liebe, die den Bruch überlebte, der geschah, als du sein Geld verprasst hattest. Aber du hattest dir auch gedacht, dass eine Entschuldigung alles wieder gut macht und nicht die Liebe, die noch immer zwischen Euch war?

Sohn 1: Ja, er sah deswegen nicht auf mich herab für das, was ich getan hatte, er machte mir keine Vorwürfe, dass ich nicht auf mich selbst aufpassen konnte. Er erkannte mich auch nicht an wegen meiner Entschuldigung, er liebte mich nur. Als er mir um den Hals fiel und mich küsste, war es als stünde die Zeit stille, und ich war sein kleiner Sohn, der nachhause gekommen war.

Frage: Dir wurde klar, was Liebe eigentlich ist. Der Vater, den du kennst, schenkt dir also die Freiheit selbst zu entscheiden, und genug Liebe, dich zu lieben als du in dich gingst um heimkehrtest.

Sohn 1:  Ja.

Frage: Lasst uns deinen großen Bruder fragen, wie er sich an den Tag erinnert.

Sohn 2:  Das tue ich, aber lass mich woanders beginnen. Denn ich erinnere mich, als du weggingst. Vater hoffte bis zuletzt, dass du umkehren würdest, er blickte dir nach. Schließlich war da nur ein kleiner Punkt am Horizont. Ich ließ die Knechte ihm Wasser hinauszubringen, er war so still, und auch wenn ich mir extra viel Mühe gab, dass alles in der kommenden Zeit gut würde, war es die Trauer um dich, die seinen Blick auf den Boden senken ließ.

Frage:  Wurdest du wütend?

Sohn 2: Ja, er liebte das, was verloren war, ihn, der uns den Rücken gekehrt hatte, aber nicht all das, was ich tat. Dass ich den Hof wieder in Schuss brachte, dafür hatte er keinen Blick. Ich wollte für diese Arbeit geliebt werden.

Frage: Verwechselst du hier nicht Liebe mit Anerkennung?

Sohn 2: Was meinst du eigentlich damit? Ist es nicht so, dass wir viel tun, für das wir gern geliebt werden wollen?

Frage: Nein, so ist die Liebe nicht, sie ist keine Handelsware. Wäre es nicht verkehrt, wenn dein Vater sagen würde: Ich liebe dich, weil du hart für mich gearbeitet hast? Dann bestünde eure Beziehung darin, dass du arbeiten sollst und er genießen kann. Was er dir sagen sollte, ist wohl dasselbe, was dein Bruder entdeckt, dass dein Vater dich liebt, weil du sein Sohn bist – ein unverbrüchliches Band, das die Familie zusammenbindet.

Sohn 2: Da ist wohl etwas dran.

Frage: Hast du sich gefreut, als dein Bruder zurückkam?

Sohn 2: Eigentlich nicht, ich war draußen auf dem Feld, niemand hat mir erzählt, dass er zurückgekehrt war. Aus ich müde nachhause kam, hatte das Fest schon begonnen. Niemand hatte mir etwas gesagt. Ich musste einen Knecht fragen, was das alles bedeutete.

Frage: Fühltest du dich ausgeschlossen?

Sohn 2: Ja, ein Knecht erzählte mir, dass mein Bruder wohlbehalten zurückgekehrt war und alle ohne mich feierten. Das machte mich wütend, un dich wollte nicht hineingehen. Vater hatte doch die Freude mit mir teilen können.

Frage:  Hat dein Vater dich gesehen, als er deinen Bruder von weitem sah?

Sohn 2: Er kam hinaus zu mir, aber ob es die Knechte waren, die ihn auf diese Idee gebracht haben, oder ob ich ihm beim Fest fehlte, das weiß ich nicht.

Frage:  Glaubst du nicht, dass ein Vater mit zwei Söhnen den einen vermisst, wenn er nicht da ist?

Sohn 2: Ja doch, vielleicht den Jüngsten, aber er kam ja heraus zu mir und wollte mich mit dabei haben.

Frage: Was hast du da gesagt?

Sohn 2: Dass er mir nie einen Bock gegeben, damit ich mit meinen Freuden feiern konnte – trotz all dem, was ich für ihn getan habe.

Frage:  Weißt du noch, was er dann gesagt hat?

Sohn 2: Ja, er sagte: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein, denn dieser Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden. Er soll mir nicht erzählen, was ich soll.

Frage:  Nein, wenn du zornig bist, kann dir niemand erzählen, wann es an der Zeit ist, wieder zu lieben. Die Liebe der Menschen ist nicht wie die Liebe Gottes, die vieles ertragen kann, ehe sie zu Zorn wird. Was nun, wenn wir das Wort solltest liegen lassen und auf all das andere sehen, was er gesagt hat. Hast du das gehört?

Sohn 2: Das war wohl vor allem das, was ich sollte, was ich an dem Tag mitbekommen habe.

Frage: Wenn ich die Worte höre, die dein Vater gesagt hat, denke ich daran, wie ihr beide, du und dein Vater, miteinander gelebt und alles geteilt habt. Ihr wart eine Einheit, vielleicht in einem Verstehen ohne Worte, das nie formuliert wurde oder durch einen Bock anerkannt wurde. Ihr wusstet nur, dass ihr einander liebtet, und ihr habt alles geteilt, bis da Eines Tages Zweifel kamen.

Hat die Liebe deines Vaters zu deinem Bruder dich daran zweifeln lassen, dass er auch dich liebt?

Sohn 2: Ja.

Frage: Kannst du die Einheit sehen, die ihr immer gehabt hattet, und wie dein Bruder Dinge von deinem Vater bekommen hat; das Erbe, Kleider und ein Fest. Du möchtest vielleicht auch etwas haben?

Sohn 2: Ja.

Frage: Ihr habt vielleicht beide etwas für euch selbst haben wollen und wolltet nicht nur alles mit einander teilen. Dein kleiner Bruder war nur so frech, dass er es offen gesagt hat, während du sehr wohl wusstest, wie man sich verhalten muss.

Sohn 2: Ich weiß nicht, warum ich einen Beweis für die Liebe brauchte. Braucht ihr nicht auch manchmal einen Beweis? Genügt es, dass man nur neben einander her lebt? Und bloß daran glaubt, dass ihr geliebt seid? So geht es wohl allen?

Frage:  Bist du mit zum Fest gegangen und hast mit den anderen gefeiert?

Sohn 2: Das will ich nicht beantworten.

Frage: Liebst du deinen Bruder nur, wenn er für dich auf dem Hof schuftet, bis er genug gebüßt hat für den Zorn, den du offenbar in dir hast?

Sohn 2:  So kannst du das nicht hinstellen. Du sagst ja selbst, dass man sich Liebe nicht verdienen kann, sondern dass sie geschenkt wird.

Frage: So ist die Liebe Gottes, die Liebe von uns Meschen ist nicht grenzenlos. Denke daran, dass Jesus sagt, dass dieses Gleichnis davon handelt, wie Gott Vater ist, nicht wie wir uns als Kinder verhalten sollen. Vielleicht wäre es für dich als großen Bruder leichter, wenn wir uns einig werden könnten, wenn dein Bruder ein Jahr auf dem Hof gearbeitet hat, dann kannst du deinen Zorn gut fahren und in Liebe verwandeln lassen.

Wäre die Arbeit deines Bruders ein Beweis?

Sohn 2: Eigentlich nicht, ich muss nur auf die Liebe warten. Und glauben, dass ich nach meinem Zorn lieben kann.

Frage: Gott liebt dich jedenfalls, auch wenn du nicht das tust, was du nach der Meinung deines Vaters tun solltest.

Sohn 2: Danke, ich glaube, dass Vater mich liebt jund alles, was mein ist, ist sein, auch wenn er mir keinen Bock als Beweis gibt.

Frage:  So leben wir wohl alle davon, dass wir daran glauben, geliebt au sein, nicht wahr?

Die Kirche ist der Ort, in den wir gehen, wenn wir wütend sind über uns selbst und über einander. Hier können wir kommen und die Vergebung Gottes empfangen, wie der kleine Bruder, für das, was wir uns nicht selbst verzeihen können, und wie der große Bruder das, was wir einander nicht vergeben können. Hier begegnen wir uns im Glauben daran, dass es eine Liebe gibt, die all das umfassen kann und die uns mit offenen Armen annimmt, auch wenn wir uns nach einem Beweis sehen sollten. Amen.

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Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen

DK-5000 Odense

E-Mail: lrl(at)km.dk

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