Lukas 16,1-9

Lukas 16,1-9

9.Sonntag nach Trinitatis | 06.08.2023 | Lukas 16,1-9 (dänische Perikopenordnung) | Thomas Reinholdt Rasmussen |

Das Evangelium ist das Wort ikm Augenblick: „Nun weiß ich, was ich tun will“

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Glauben und Moral. Das meinen wir jedenfalls oft. Dass Glaube bedeutet, dass man eine gute Moral hat oder jedenfalls sich einigermaßen moralisch aufführt.

Es muss so sein, dass Glaube auch ordentliches Betragen bedeutet und ein ordentliches Leben. Im Laufe der Geschichte waren Glaube und Moral eng miteinander verbunden, und leider auch mit Verurteilung derer, die aus vielen unterschiedlichen Gründen ein anderes Verhalten an den Tag legten.

Das hat man oft so verstanden, dass Glaube und Moral sozusagen zwei Seiten ein und derselben Sache seien und das die Moral die Praktizierung von Glauben sei. So hat man oft von einer christlichen Ethik gesprochen und von einer besonderen christlichen Lebensweise.

Und man hat versucht, den biblischen Erzählungen eine christliche Ethik zu entnehmen. Geradezu fast eine gesetzliche Grundlage für das christliche Leben.

Wenn man nun aber eine christliche Ethik auf dem heutigen Evangelium von dem ungerechten Verwalter aufbauen will, so gehört dazu viel Geschick. Das Geschick, eine christliche Ethik in einem Mann zu sehen, der erst das ihm anvertraute Vermögen verschleudert und dann die Schulden der Schuldner seines Herrn mit dem Geld seines Herrn erlässt.

Das ist so eine christliche Ethik die uns hier vorgestellt wird. So eine Erzählung, in der wir uns jedenfalls wiedererkennen können.

Aber um was in aller Welt geht es hier? Was geschieht in diesem Evangelium, dass wir es hören können als Wort Gottes an uns? Etwas, mit dem wir also leben und sterben können?

In vieler Hinsicht bezieht sich das heutige Evangelium auf das bekannte Gleichnis vom barmherzigen Samariter. In diesem Bericht stellt ein Pharisäer die Frage, wer sein Nächster sei, und Jesus antwortet ihm, indem er eine Geschichte erzählt von einem Mann, der von Räubern überfallen worden ist. Schließlich kommt ein Samariter und nimmt sich seiner an. Und Jesus sagt dann zu dem Pharisäer: Gehe hin und tue desgleichen! Also kein Ratschlag, keine besondere Ethik. Keine besondere Vorschrift, was man tun soll, sondern nur hingehen und das Gleiche tun.

Das ist das Wort an den Pharisäer. In der heutigen Erzählung von dem ungerechten Verwalter geschieht in der Tat das Gleiche. Der Mann ist verzweifelt über seine Lage, weiß keinen Ausweg. Plötzlich sagt er: Nun weiß ich, was ich tun will.

Nun weiß ich, was ich tun will. Geh du hin und tue desgleichen. Er erlässt die Schulden seines Nächsten. Großzügig verschenkt er Güter, die ihm ja gar nicht gehören. Er tut das mit Hintergedanken, aber die, die eine großzügige Gabe empfangen, empfangen etwas Gutes. Ihnen begegnet eine Liebe, die größer ist als der, der sie gibt, denn der hat nur Angst, dass er zurückbleibt und allein in der Ewigkeit. Die Liebe ist größer als sie alle und tut Geber und Empfänger gut.

Was geschieht hier? Was ist da im Gang?  Was in aller Welt vollzieht sich in diesem eigentlich unmoralischen Geschehen?

Da geschieht dies, dass Liebe die Rahmen sprengt, auch die moralischen Rahmen, die wir vielleicht aufgestellt haben, um aufeinander aufzupassen. Die Liebe ist größer als das. Die Liebe ist das Größte von allem.

Der ungerechte Verwalter wird mit dem Evangelium konfrontiert und muss sagen: „Nun weiß ich, was ich tun will“, Worte die mitklingen in den Worten: „Geh du hin und tue desgleichen“.

Was man tun soll, entscheidet die Situation. Dafür gibt es keine Regeln. Regeln haben wir, damit uns das Leben nicht entgleitet. Aber manchmal muss das Evangelium alle Rahmen sprengen und großzügig über alles hinweggehen.

Das erfährt der Verwalter. Und das erfahren die Empfänger. Dass das Evangelium im Augenblick eine Tat ist, die alle Normen sprengt und Menschen erreicht, die es eigentlich gar nicht wussten, aber plötzlich sagen mussten: Nun weiß ich, was ich tun will.

Deshalb ist es unendlich schwer, eine christliche Ethik aufzustellen. Das würde nur bedeuten, dass man das gute Evangelium in einen geschlossenen Raum einsperrt, wo alles schon vorgegeben ist und wo wir dann im Griff haben, was Gnade, Liebe und Gott selbst ist.

Das ist aber größer als wir denken. Das zeigt uns das heutige Evangelium. Dass die überwältigende Gnade und Tat Gottes größer ist als unsere Moral. Die Rahmen werden gesprengt und die Schuld wird erlassen ganz anders als wir das ansonsten gewohnt sind. Und das ist etwas, für das man kaum eine Regel aufstellen kann -oder gar eine Ethik.

Das ist die Hoffnung, in der wir stets leben sollen. Dass die Liebe Gottes größer ist als alles andere, ja größer als unsere Systeme, Regeln und Gesetze. Sie sprengt alles, und ja, sie kann unmoralisch und wild vorkommen – unregierbar. Sie passt in kein System, in keine Paragraphen. Das kommt zu uns, wenn wir plötzlich wissen, was wir tun woll, und deshalb desgleichen tun müssen. Mitten in all dem, was sonst so anders aussah.

Das ist unser Trost. Das ist unsere Hoffnung. Das ist unsere Freude. Dass das Evangelium größer ist als alles, was wir sind, und dass es deshalb unser Leben füllen kann mit Trost, Hoffnung und Freude, wenn es ansonsten anders aussah.

Und deshalb lobt der Herr den ungerechten Verwalter. Weil er weiß, was er tun will, und weil her hingeht und es tut, die Rahmen sprengt mit Liebe, so wie Christus das Grab sprengte mit Liebe. Das ist in der Tat das Einzige, was bleibt: Gottes Gnade über dem Leben, in dem wir uns selbst verirrt haben, auch wenn wir glauben, dass wir wissen, was wir tun wollen. Amen.

Bischof Thomas Reinholdt Rasmussen

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