Lukas 2,1-14

Lukas 2,1-14

Erster Weihnachtstag | 25.12.22 | Lk 2,1-14 (dänische Perikopenordnung) | Rasmus Nøjgaard |

Eintritt frei

Die Geburt Jesu zur Weihnacht ist ein göttlicher Einbruch in die Zeit. Ein Einschlag, kräftig wie ein Meteor, der die Erdoberfläche trifft und ein Beben auf der ganzen Erdoberfläche bewirkt. Die Kraft des Christentums kommt aus den drei Einschlägen: Weihnachten ist der erste Einschlag, Ostermorgen der zweite und Pfingsten der dritte. Die Erde ist nie mehr wieder dieselbe. Ein Geburtsbeben, so mächtig, dass wir seitdem unsere Zeitrechnung hier beginnen lassen mussten: ‚Vor und nach der Geburt Christi‘.

Wir haben uns so sehr an diese Geschichte gewöhnt, dass wir uns nicht mehr ernsthaft über eine so radikale Umschreibung der Geschichte wundern, bei der sie geradezu einen neuen Anfang erhält, und von da aus muss es angebracht sein, direkt zu fragen:

Wie erhielt es eine so große Bedeutung, dass die Geburt Jesu alles ändert, so dass wir eine neue Zeitrechnung beginnen mussten?

Die Antwort ist einfach: Die Geburt vom Sohn Gottes macht die Erde zu einem Haus Gottes, von nun an ist freier Zugang zu Gott.

Das geschah in einer Welt, wo Gott im Himmel thront und die anderen Götter auf dem Olymp. Der Abstand zwischen Gott und den Menschen war so abgrundtief und unüberwindbar, dass man ganz konkret das Göttliche fürchtete und versuchte, die Götter durch Zeremonien und große Opfer zu besänftigen. In diese Welt wird der Sohn Gottes geboren, und er vereint Himmel und Erde und beseitigt den Abstand zwischen Gott und Menschen. Auch wenn wir anderen mit dem Wissen erzogen sind, dass es ein wahnsinniger Gedanke gewesen sein muss, dass Gottes Sohn nun in dieser verletzlichen, wechselhaften und gefahrvollen Welt gegenwärtig ist, dass Gott nun zugänglich ist ohne Hindernisse. Diese Vorstellung traf denn auch auf heftigen Widerstand. Aber wir wissen heute, dass nichts das Licht zurückhalten konnte. Eine Verwandlung war im Gange. Eine neue Zeitrechnung begann, eine neue hoffnungsvolle Zeit.

Die Weihnachtsgeschichte handelt davon, dass Gott durch seinen Sohn Jesus Christus sein Haus für jeden öffnet. Er schreibt ‚Eintritt frei‘ über die Tür seines Hauses. In dieser Weise haben wir es alle verstanden, hier in der Stadt strömen alle in die Kirche zu Weihnachten, und auch wenn das gar nicht das größte Fest der Kirche ist, so ist es souverän das am besten besuchte. Weil wir intuitiv die Botschaft verstehen: Hier ist freier Eintritt für alle!

Die Botschaft von Weihnachten ist so einfach und einfältig, dass wir sie intuitiv verstehen, und deshalb gibt es auch keinen Musiker, der nicht eine Popnummer gemacht hätte, um die Tür offen zu halten, damit wir einander begegnen mit Großzügigkeit, Fürsorge und Liebe, und entsprechend Trauer erleben, wenn wir an der Freude nicht teilhaben. Einsamkeit, Armut, Krieg und Drangsal im Gegensatz zur christlichen Botschaft von der Nächstenliebe.

Das göttliche Ereignis lässt uns noch immer hier nach 2000 Jahren erschauern, und wir sollten danach streben, unsere Herzen zu öffnen und großzügig zu sein, vor allem in einer Krisenzeit. Weihnachten ist das Fest der offenen Tür.

Die Weihnachtsgeschichte ist wohl eine der Erzählungen in den Evangelien, die alle kennen, Es ist sogar verbreitet und ganz üblich, dass man Zuhause seine eigene Krippe hat, wo Maria und Josef in einem Stall sind oder einer Felsenhöhle zusammen mit dem Kind in der Krippe, den Hirten, vielleicht auch der Engelschar und den drei Weisen, und natürlich einigen Schafen und Ochsen. Das ist eine gemütliche, ja idyllische Szene. Nur hat sie nicht sehr viel mit der Erzählung zu tun. Die Weihnachtsgeschichte ist durch die Traditionen gewandert und hat ihre eigenen atmosphärischen Motive hervorgebracht, so dass wir gar nicht mehr hören, wie wild die Erzählung eigentlich ist.

Es beginnt mit Kaiser Augustus. Der mächtigste Kaiser, den die Welt bis dahin gesehen hat, der erste Kaiser, der zu Lebzeiten vergöttlicht wird. Er hält sein Reich in seinem eisernen Griff, auch Syrien, eine große administrative Provinz, zu der auch Galiläa und Judäa gehörten und wo der berüchtigte und verhasste römische Legat Quirinius als Statthalter eingesetzt war. Nun sollte Quirinius für den Kaiser Steuern eintreiben, und er bedient sich der lokalen Tradition, die Mitglieder der Familie nach der Zugehörigkeit des Geschlechts zu zählen. Deshalb muss Josef los nach Bethlehem, denn er stammt aus dem Hause und Geschlecht Davids. Mit sich hat er Maria, mit der er verlobt war, aber sie waren nicht verheiratet, denn sie sind jung, und vor allem Maria war nur ein junges Mädchen, vielleicht 14 bis 15 Jahre alt – wie ein Konfirmand heute. Die Schwangerschaft Marias hat Josef bekanntlich überrascht, aber er hat die Verantwortung übernommen, er hat die Verlobung nicht ausgelöst, was an sich natürlich gewesen wäre. Maria ist ungewöhnlich verletzbar, sehr jung, hochschwanger, und ganz auf Josef angewiesen. Die Erzählung verblüfft, denn als sie in Bethlehem ankommen, kennt Josef niemanden, bei dem sie unterkommen können, keine Verwandten, die ihnen helfen können. Sie sind ganz allein. Stattdessen machen sie es wie alle Reisenden, sie begeben sich dorthin, wo die Karawanen ihren Aufenthalt haben, versuchen einen Platz zu finden in einem der Zelte. Aber da war kein Platz. Wir nennen es eine Herberge, aber in Wirklichkeit suchten sie nur einen Platz in einem Karawanenzelt. Die Karawanenzelte wurden in einem Kreis um die Tiere der Karawane aufgeschlagen, so dass sie vor Raubtieren und Räubern geschützt waren, und sie schufen rasch einen kleinen Platz, wo die Tiere gefüttert wurden in aufgestellten Trögen mit Heu und Stroh. Wo Josef also nirgendwo unterkommen konnte, als Maria gebären sollte, besteht keine andere Möglichkeit als Schutz zu suchen unter den Tieren mitten auf dem Platz, und hier unter offenem Himmel, ohne ein Bett, ohne Wände, Fußboden, Matratze, Bettzeug oder Dach über dem Kopf bringt sie ihren Erstgeborenen zur Welt, wickelt ihn in ihr Kleid und legt ihn in einen der großen Futtertröge. Sie muss sehr erschöpft gewesen sein nach der langen Reise auf einem Eselrücken, der Unsicherheit und dann der gefährlichen Geburt, die damals viele Mütter das Leben kostete. Draußen hinter den Karawanen lagen die lokalen Hirten und hüteten ihre Schafe. Arme Leute, die sich damit begnügen mussten, nach den Karawanen zu schauen und den Reichtümern, die sie nach Jerusalem weniger als zehn km nordöstlich brachten. Da draußen in den Bergen war kein Licht, hier war es zappenduster, nur die Sterne und der Mond gaben zeitweise einen Eindruck von der Landschaft. Plötzlich aber strahlte ein kräftiges Licht, und ein Engel befahl ihnen, nach einem Königssohn zu suchen, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Und dem Engel folgten himmlische Heerscharen, die singen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen seines Wohlgefallens.

Maria und Josef unter offenem Himmel, sie haben gerade einen Sohn bekommen, da ist keine Tür, kein Tor, nicht einmal ein Zelttuch, sondern das neugeborene Kind liegt unter offenem Himmel im Trog der Tiere. Die ersten, die ihn aufsuchen, gehören zu den Ärmsten, die man am wenigsten erwartete: den Hirten. Da ist nichts, was sie daran hindert, das Kind aufzusuchen, denn da ist der Eintritt frei. Da ist nichts, was zwischen dem Kind und jedem steht, der es sucht. Auch die Eltern hindern sie nicht, denn sie wissen, dass dies nicht in ihren Händen liegt. Aber sie haben eine bedeutende Rolle zu spielen, denn in Josef und Maria finden wir all die Eltern, in denen wir uns spiegeln können, verwundbar, ausgeliefert, von der Hilfe und Fürsorge anderer abhängig.

So kommt Gott in die Welt. Jesus Christus wird geboren in Demut und Verletzbarkeit, genauso verletzbar und der Gnade der Welt ausgeliefert wie wir alle. Jesus ist die offene Tür, er ist die Brücke zwischen Gott und Menschen, und der Weg ist nicht unmöglich und schwierig, er ist offen für jeden, der ihn sucht.

Gott konnte die geschlossene Tür zum Tempel des Himmels nicht mehr ertragen. An dieser Weihnacht sprengte er das Tempeltor, so wie damals, als er den Blitz den Tempelvorhang zerreißen ließ in eben dem Augenblick, als Jesus auf Golgatha starb. Eine weitere Bestätigung, dass die Verheißung gilt, so wie wir sie in der Taufe wiederholen: Gelobt sei Gott, der uns in seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung!

Himmel und Erde wurden ein Reich, das Tor ist offen, der Eintritt ist frei, und heute feiern wir, dass wir mit den himmlischen Heerscharen Gottes zusammensitzen. Möge diese Freude uns alle erfüllen, so dass auch wir die Tür öffnen und eine Brücke bauen hinaus in die weite Welt Gottes, dort wo Bruder und Schwester im Krieg miteinander liegen und wo der Unfrieden tobt.  Denn wie damals so brauchen auch wir heute, dass wir die Liebe merken und erleben, mit der Gott die Welt umfing, damals, als alles begann, zur Weihnacht. Amen.


Pastor Rasmus Nøjgaard

DK-2100 København Ø

Email: rn(at)km.dk

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