Lukas 24, 36-53

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Lukas 24, 36-53

Christi Himmelfahrt | 26.05.2022 | Lk 24,36-53 | Tine Illum |

Wenn wir die klügste Katze der Welt nehmen, sagt der Hirnforscher Peter Lund Madsen, und wenn wir sie in eine Katzenschule schicken, lernt sie niemals das Rechnen. Denn da ist eine Begrenzung im Katzenhirn, die man einfach nicht überschreiten kann. Das klingt meines Erachtens vernünftig.

Dagegen ist es unendlich provozierend, wenn er sagt: Ganz gleich wie phantastisch das Hirn des Menschen ist, es hat auch seine Grenzen.

Vielleicht liegt hier der größte Aberglaube, nämlich dass wir glauben, dass alle Erkenntnis in der Fähigkeit des Gehirns zu logischem Denken liegt, dass das, was nicht auf diesem Wege verstanden werden kann, ganz einfach nicht existiert – ja mehr als das: Wenn wir an Gott glauben, dann begrenzt das unsere Fähigkeit zu erkennen.

Eine Anekdote erzählt von einem Mann, der mit überlegener Miene seiner Frau erzählt, er könne wirklich nicht an Gott glauben, denn daran hinderte ihn einfach sein Gehirn. Seine Frau blickt ihn an und bemerkt trocken, das sie doch ein sehr kleines Hindernis.

Wir müssen in der Tat damit leben, dass die Wissenschaft uns sagt, dass unser Hirn begrenzt ist. Glaube ist und bleibt in seinem innersten Wesen ein Geheimnis. Und an dem Tag, wo ich spüre, dass ich zu diesem Geheimnis stehen und doch festen Grund unter den Füßen haben kann, werde ich spüren, wie frei ich bin. Wenn ich es wage, mich hinzugeben, dann begrenzt der Glaube gerade nicht, sondern öffnet meine Augen für neue Horizonte. Dan kann ich in einem rauschenden kraftvollen Jetzt spüren, dass Grenzen von Zeit und Raum aufgehoben werden können … auch wenn das nicht in mein Hirn passt.

Die ersten Christen haben jedenfalls geahnt, dass hier eine besondere göttliche Kraft am Werke war, und sie haben gedacht: Der Tag, an dem Jesus in den Himmel emporgehoben wurde, war so wichtig, dass sie „aufgefahren in den Himmel“ in ihr Glaubenskenntnis schrieben und den Tag als einen ganz besonderen Tag feierten. Und hatten sie geschrieben: „Hinabgestiegen in das reich des Todes“, oder in die Hölle, wie man es auch übersetzen kann – denn wir glauben nicht, dass Christus ungerührt in seinem Himmel sitzt und neutraler Zuschauer bei all dem ist, was auf Erden geschieht. Er ist an allen höllischen Orten. In den Kellern von Mariopol, in explodierenden Panzern, in der geschlossenen Abteilung der Krankenhäuser, in meinen finstersten Stunden. Als Hoffnung und als der, der mit der Kraft Gottes all dem widersteht, was Leben zerstört, ja selbst dem Tod. 

Er ist der Himmel über den kleinen Kindern. Reicht uns Brot des Lebens und einen Becher, der nie ausgetrunken wird. Er ist in unserem innersten Herzschlag, und dann ist Ewigkeit und Sinn in unserem Leben. Gekreuzigt, hinabgestiegen in das Reich des Todes. Auferstanden – lebendig als Kraft und Geist.

Deshalb feiern wir die Himmelfahrt Christi. Das ist ein wichtiger Tag. Er erinnert uns daran, dass wir den Glauben zu einem kleinen, luftdichten und überschaubaren Raum machen. Denn der Himmel Gottes ist offen in mehr als einem Sinn. Hier ist Luft und Raum und eine Ewigkeit von allem Guten. Das nennen wir Geist.

Wir können ohne Geist nicht leben, und das weiß Jesus sehr wohl. Deshalb verlässt er uns. Darum geht es an Himmelfahrt.

Hier werden die Grenzen des Gehirns überschritten – so leicht wie nichts – denn hier haben wir es mit der Kraft und dem Geist Gottes zu tun.

Einst war das Leben Jesu auf ein geographisch begrenztes Gebiet im Nahen Osten beschränkt. Hier begegnete er Menschen, und das, was er tat und sagte, war das, was Gott tat und sagte. Er aß und trank und schlief und wurde krank und lachte und wurde hungrig und durstig und müde. Wie jeder andere Mensch. An jedem anderen Ort. Seine Familie und Freunde kannten ihn. Sie kannten seine Stimme, wie er ging, wie er Zimmermann war. Das gehört nun einmal zu einem richtigen Menschsein, dass man durch Zeit und Raum begrenzt ist.

Wenn wir hören, dass Jesus sagt: „Ich bin hungrig“ und gebratenen Fisch isst, dann sagt er ohne Worte, dass er ein richtiger Mensch ist. Gespenster essen keinen Fisch.

Aber wenn wir Gottesdienst feiern, dann nicht um an einen freundlichen und hungrigen Mann mit guten Ideen zu denken, der vor zweitausend Jahren gelebt hat. Die Kirche ist kein Denkmal für Jesus, so wie wir das im Haus von H.C. Andersen oder dem Pfarrhaus von Kaj Munk sehen.

Die Kirche – und der Gottesdienst – ist eine Begegnung. Hier begegnen wir dem lebendigen Christus. Gekreuzigt und auferstanden. Als Geist und Kraft.

Die Alten sagten es sehr kurz: Jesus Christus ist Mensch und Gott. Nicht halb Mensch und halb Gott. Sondern ganz Mensch und ganz Gott. Das kann unser begrenztes Hirn nicht fassen Aber es ist trotzdem wahr. Gott sei Dank! Jesus ist im Himmel bei Gott, damit er überall und bei jedem Menschen sein kann. Jedes Mal, wenn wir die taufe feiern, hören wir: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“. Nicht einige Tage – ab und zu – an bestimmten Orten – achtzig oder fünfzehn Jahre lang. Alle Tage. Bis an das Ende der Welt. Zeit und Raum sind keine Begrenzung für Christus. Er ist die rechte Hand Gottes, und die rechte Hand Gottes ist überall. Der Himmel Gottes ist hier bei uns. An jedem Ort. Zu jeder Zeit.

Es ist nötig, dass wir das hören. Oft. Denn wenn wir die Gräber der Söhne und Väter in den Vorgärten der Ukraine sehen oder Säuglinge mit Armen so dünn wie Streichhölzer im Suda , oder wenn wir – oder unsere Lieben – Unglück oder tödliche Krankheit erleiden – ja dann können wir leicht denken: Wenn es Gott gibt, dann nicht hier. 

Dann sollen wir hören: Selbst da ist Christus. Gekreuzigt und auferstanden. Hinabgestiegen in die Hölle. Aufgefahren in den Himmel. Zugleich.

Wenn wir beten: Vater unser im Himmel, bedeutet das natürlich nicht, dass wir zu einem Vater beten, der nicht da ist und uns nicht hört. Im Gegenteil. Wir beten zu einem wirklichen und gegenwärtigen Vater, der in Reichweite ist.

Früher stellte man die Welt dar mit einem Himmel oben, darunter die Erde und unten das Reich des Todes. Heute würden die meisten wohl das Reich des Todes auslassen, viele auch den Himmel. Dann bleibt nur die Erde – und das, was unser begrenztes Hirn begreifen kann. Aber dann wird unser Horizont auch danach – flach wie ein Pfannkuchen. 

Wenn wir nie wagen, unseren Blick zu senken und in Abgründe in uns selbst zu schauen und dort die harte Wirklichkeit erblicken, die auch Trauer, Entbehrung und Schuld enthält, dann erheben wir wohl auch nicht den Blick zum Himmel und sehen nicht, dass da eine große Freude ist und eine Hoffnung, die stärker sind als unsere Furcht und unsere Sorge. Eine Hoffnung, die uns Kraft gibt und uns verwandelt.

Wenn man das Leben nur oberflächlich lebt – ja dann wird es oberflächlich! Kraft- und geistlos.

Aber: „Ihr sollt Kraft vom Himmel erhalten“, sagt Jesus zu den Jüngern.

Die Welt ist nicht von Gott verlassen. Sie ist gesegnet.

Das bedeutet nicht, dass alles ohne Leiden ist und leicht.

Wir brauchen nur zu sehen, wie schwer das Leben sich für die Jünger dann erwies. Aber es war gesegnet.

Wenn das Geheimnis in meinem Leben verwurzelt ist, kann ich meinem Aberglauben an mein unbegrenztes und allmächtiges Gehirn entsagen. Und dann wird mein Leben zugleich himmlisch und irdisch, weil ich in diesem Geheimnis ahne: Ganz gleich wie sinnlos oder zerstört mein Leben aussieht, so sind wir gesegnet. Voller Hoffnung und voller Kraft. Immer.

Es ist ein Segen, wenn ich aus meinen eigenen selbstbegrenzten Hirngespinsten befreit werde. Es ist ein Segen, ausgesandt zu sein – weg von mir selbst, hin zu anderen, da wo es immer darum geht, es so gut wie möglich zu machen für den Mitmenschen und mit dem Segen Gottes im Rücken.

Da ist ein Segen hier in der Verheißung von Himmelfahrt, dass Christus sichtbar wiederkommt. Es ist nicht vorbei. Es hat gerade erst begonnen.

Das sollen wir hören. Ohne das können wir nicht leben. Amen.

Pastorin Tine Illum

DK-6091 Bjert

Email: ti(at)km.dk

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