Markus 4,1-20

Markus 4,1-20

Sexagesimae | 12,02,2023 | Markus 4,1-20 (dänische Perikopenordnung) | Eva Holmegaard Larsen |

Als Kontrast zu der ereignisreichen Welt, in der wir leben, begegnet uns an diesem Sonntagmorgen eine sehr ruhige Geschichte. Die Geschichte von einem Bauern, der über sein Feld geht. Der Sack mit dem Samen hängt über seiner linken Hüfte, während er die rechte Hand mit einer ruhigen, rhythmischen Bewegung hinab in den Sack greift nach einer Handvoll Korn. Dann öffnet er die Hand und streut das Korn über den Acker. Schritt für Schritt. Geduldig, ausdauernd, beharrlich.

Seht es vor euch! Das ist ja vor der Zeit der Sähe-Maschinen. Diese Erzählung richtet unseren Blick auf die gefüllte Faust des Bauern, die sich öffnet und das Korn in großen Bewegungen ausstreut, so dass auch etwas weit außerhalb des Ackers fällt.

Das sollen wir vor uns sehen: Die Ruhe in den Bewegungen des Bauern und die große Hand voll von Korn – voll von Segen, hätte ich fast gesagt. Und dann sollen wir vor uns sehen, wie er freimütig die Hand öffnet – so dass etwas auf den Weg fällt, etwas auf den Felsen, etwas fällt mitten zwischen die Disteln. Und dann ist da auch etwas, was in den guten, fruchtbaren Boden fällt.

Jesus will uns vielleicht mit seiner Erzählung dazu bringen, der ruhigen Spur des Bauern und seinem Blick zu folgen, wenn er ihn von der engen, abgegrenzten Pflugspur hebt und seinen Samen großzügig und unbegrenzt nach allen Seiten ausstreut – ohne sich darum zu kümmern, wo er hinfällt.

Ja, lasst uns den Blick heben von den Pflugspuren unseren eigenen Lebens und das große Bild sehen und dort den Glauben an die überraschende Wende unserer eigenen Geschichte finden. Es kann etwas Gutes aus steinigem Boden kommen!

Vielleicht geht es in der Erzählung um Glauben und Hoffnung. Und das brauchen wir. Mehr als je. Die Welt ist erschüttert von Erbeben, von Krieg und neuen Krisen, die immer wieder auftauchen. Es geschieht so viel in der Welt. Das war immer so – aber wir sind über alle Maße informiert über alles, was geschieht, und die Furcht vor den Unwägbarkeiten des Lebens lässt sich kaum verleugnen. Was soll aus uns werden?

Der Glaube und die Hoffnung liegen zuweilen in uns als ein kleines, verwundbares Korn auf dem Feld voller Disteln. Und es wird unmittelbar nicht dadurch besser, dass Jesus die mystischen Worte gesagt haben soll: Sie werden sehen und sehen, und doch nicht verstehen! Und hören und hören, und doch nichts fassen!

Darin liegt nicht viel Trost. Sind der Trost, der Glaube und die Hoffnung nur für wenige da? Nein, keineswegs. Aber zuweilen sind wir blind und taub für die Hoffnung, die im Leben selbst liegt – und die Gott mit offener Hand in die Welt gelegt hat seit der Schöpfung am Anfang der Zeiten.

Es geht darum, den Blick zu heben.

Die Erzählung ist ja gar nicht schwer zu verstehen. Das sind auch die anderen Geschichten Jesu nicht. Sie sind vielmehr unmittelbar zugänglich und beziehen sich auf Szenen, Bilder und Ereignisse aus dem gewöhnlichen Alltag.

Was man etwas mehr beachten soll – das ist die überraschende Wende. Da verbirgt sich immer eine Überraschung in der Erzählung, die unsere eigene Erfahrung und das, was wir fassen und verstehen, herausfordert.

Aber darin liegt der ganze Sinn. Dass wir uns mitten zwischen dem befinden, was wir verstehen, und dem, was wir nicht verstehen und worüber wir uns wundern müssen. Oder anders gesagt: Das ist das Ringen zwischen dem, was wir verstehen, und dem, was außerhalb unseres Fassungsvermögens ist, dass etwas Wesentliches geschieht.

Wie in der Taufe und beim Abendmahl. Das Wasser in der Taufe ist mehr als Wasser, und Brot und Wein sind im Abendmahl mehr als Brot und Wein. Und dieses Mehr, das ist es, das ist das, was unsere Augen öffnet und unseren Blick erweitert. Und vielleicht ist eben dies Glaube, der weite Blick.

Seht nun diesen Bauern. Ihn kennen wir gut, auch wenn wir so einen Bauern aus alten Tagen nicht kennen, der mit der Hand säht, es sei denn wir kennen so einen Bauern aus dem Fernsehen. Aber wir wissen sehr wohl, was das bedeutet, was es heißt, die Saat auf das Feld au streuen.

Wir verstehen auch, dass der Bauer hier etwas Besonderes ist. Denn er ist in der Tat kein sehr guter Bauer, so wie er da geht und mit seiner Saat das Ziel verfehlt. Er wirkt unkonzentriert und sorglos, ein Bauer, der schnell pleitegehen wird, wenn er so weitermacht.

Das verstehen wir auch – aber verstehen wir auch warum? Was kann wichtiger sein als eine gute Ernte? Das ist das Überraschende. Das ist da, wo wir einhalten und den Blick erheben sollen.

Das gilt auch für eine andere Erzählung Jesu, wo der Besitzer eines Weinberges, oder der Leiter eines Unternehmens, wie wir das heute nennen würden, allen seinen Angestellten genau denselben Lohn gibt, obwohl sie nicht gleich viel gearbeitet haben. Einige waren Vollzeitbeschäftigte, andere Halbzeitbeschäftigte, andere nur zu einem Viertel beschäftigt. Aber wenn der Tag vorbei ist, bekommen sie alle denselben Tageslohn.

Wo der Bauer nur unklug wirkt, so ist dieser Unternehmer direkt unfair und ungerecht. Aber hier muss man den Blick heben. Jesus ist der Erzähler – und er will unsere Augen dafür öffnen, dass ein anderes Gesetz gilt – nämlich das Gesetz Gottes. Wie es beim Propheten Jesaja heißt: Eure Pläne sind nicht meine Pläne, und eure Wege sind nicht meine Wege – sagt der Herr.

Gott belohnt nicht so wie wir das gewohnt sind. Gott belohnt nicht nach Verdienst, sondern lässt es regnen und die Sonne scheinen über Böse und Gute. Selbst wenn wir uns in Scham und Schuld und Bereuen einschließen, öffnet Gott seine milde Hand und lässt die Sonne aufgehen über meinem Leben und gibt mir noch einen Tag. Noch eine Möglichkeit zu danken und zu lieben und das wieder gut zu machen, was ich zerstört habe.

Und Gott säht nicht sein Feld wie ein gewöhnlicher kluger Bauer, der den guten Boden im Voraus auswählt. Gott wagt, dass er vielleicht vergebens säht und die gute Saat auf trockenen und steinigen Böden verschwendet.

Aber wenn wir unsere Augen geöffnet haben, können wir vielleicht sehr wohl den Sinn darin sehen, dass der trockene, steinige Boden noch eine Chance mehr braucht, dass vielleicht nur ein kleines einzelnes Saatkorn Wurzeln schlägt.

Deshalb liebt Gott großzügig, verschwenderisch und vergebend. Nicht weil es egal ist, was wir tun und wie wir leben. Es ist nicht gleichgültig, ob wir den fruchtbaren Acker Gottes zu Schlachtfeldern machen und unsere Herzen hart wie Stein. Aber die Gnade Gottes ist verschwenderisch und großzügig, denn es kann sein, dass sie gerade dort wirkt, wo sie am allermeisten gebraucht wird.

Deshalb ging Gott selbst hinein in eine Welt voller Disteln und hartem Boden, statt sich ganz fernzuhalten. Um Glauben und Hoffnung dort zu pflanzen, wo sie am allermeisten gebraucht werden. Das ist hier bei uns. Bei dir und mir. Und hier sind wir gerade versammelt um Jesus, der mit seiner Erzählung unseren Blick erhebt für die unverdiente Freude und die gute Wende der Geschichte. Die dürfen wir nicht aufgeben – weder in unserem eigenen Leben noch draußen in der Welt.

Der Keim dafür, dass etwas Schönes und Gutes wachsen kann, ist gepflanzt. Die Liebe blüht mitten in der harten Wirklichkeit. Mit Fürsorge und Wärme, Lachen und Gemeinschaft. Die Welt ist gesegnet, und hin und wieder beginnt es zu wachsen mitten in den Schrecken des Krieges, mitten in den Ruinen, mitten in der Last des Alltags – ja mitten in all dem Leben, das recht verloren und hoffnungslos aussieht.

Das ist die Vergebung der Sünden. Dass wir Menschen für Gott mehr sind als hoffnungsloser Felsenboden. Wir sind mit all unserer Trockenheit und den steinernen Herzen noch immer der Nährboden für das Wort, für den Willen und die Liebe Gottes.

Selbst das kleinste Korn kann zu einem großen Baum werden. Selbst die hoffnungslosesten Schicksale könne sich zum Guten wenden. Selbst die hoffnungslosesten Situationen können mit der Kraft Gottes zu einem neuen Tag werden.

Das heutige Evangelium spricht hinein in die Hoffnungslosigkeit und sagt: Es ist ein Unterschied, ob man Klarsicht oder Weitsicht übt. Wir sollen nicht aufhören, klar zu sehen und der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. Aber wir sollen auch weit sehen und den Glauben unsere Augen öffnen lassen für das große Bild und die große Geschichte.

Da ist nichts, was fertigerzählt ist, bevor Gott das letzte Wort gesprochen hat. Und Gott gibt nicht auf. Das sollen wir auch nicht. Wir sollen nach vorn blicken und an die unerwartete Wende der Geschichte glauben. Wir sollen es wagen, die Hoffnung zu bewahren. Und dann sollen wir versuchen, genauso großzügig und verschwenderisch mit unserem Leben umzugehen wie der unkluge Bauer.

Zum Schluss geht es, wie Gott in seiner Güte will. Amen.


Pastorin Eva Holmegaard Larsen

Nødebovej 24, Nødebo, 3480 Fredensborg

E-mail: ehl(at)km.dk

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