Matthäus 22,15-22

Matthäus 22,15-22

Nicht trennen und nicht vermischen | 23. Sonntag nach Trinitatis | 12.11.2023 | Mt 22,15-22; Am 8,4-7; Röm 13,1-7 (dänische Perikopenordnung) | Anne-Marie Nybo Mehlsen |

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, der dunkle November sieht dem Licht von Weihnachten entgegen, und wir haben Aussicht auf Tannenbäume, Sterne, Engel und Pfefferkuchen … und die Steuererklärung!

Wir bezahlen gerne Steuern, um in einer Gesellschaft zu leben, wo alles von der Schule über ärztliche Versorgung bis zu Pflegeheim, Bibliotheken und Bürgerservice umsonst ist, wenn auch nicht fehlerfrei. Und auch wenn wir viel Zeit unseres Lebens darauf verwenden, uns darüber und das schlechte Wetter zu beklagen.

Du kannst damit beginnen, steuerliche Freibeträge auszurechnen, darüber spekulieren, das Einkommen hoch und die Steuern niedrig zu halten. Du kannst dein Einkommen hochrechnen und deine Ausgaben verringern, und du kannstden Schwachen, den Armen, die Witwe und den Witwer übersehen, den Obdachlosen, den Behinderten – und dich nur um deine eigene wirtschaftliche Lage kümmern. Du kannst das tun. Solange du dich an die Gesetze hältst und an die Auslegung der gesetzlichen Grenzen, ist das auch nicht direkt strafbar.

Hoffentlich sitzt du hier im Raum der Kirche und weißt, dass dir das nicht gut ansteht. Etwas in dir wird verdorren, dein Gewissen wird sich in dir bemerkbar machen…

Man bezahlt gerne Steuern, solange die Steuereinnahmen dem Gemeinwohl dienen und solange die Behörden, die wir in der Demokratie selbst mit gewählt haben, nicht korrupt und ungerecht sind. Da liegt Herzenswärme darin, dass man von dem, was einem gehört, gibt und mit anderen teilt. Die Geschenke und die Zusammenkünfte an Weihnachten, die alltäglichen Beiträge und Besuche bei denen, die es schwer haben, die Freude mit Freunden und Verwandten gehören dazu.

Wir haben Glück im Vergleich zu denen, die in Diktaturen und besetzten Ländern leben, Ländern in Krieg und Chaos.

„Gib Gott, was Gottes ist“. Kann man hier etwas von der Steuer abziehen? Haben wir irgendetwas, was nicht Gott gehört? Etwas, was einzig und allein der Welt, dem Kaiser, dem Staat und uns selbst gehört?

Im Verhältnis zur Welt geben wir, um zu bekommen, wir tauschen Leistungen untereinander. Das ist in der Tat der Sinn von einem Staat. Es ist relativ, wie gut die Absprache oder der gegenseitige „Pakt“ dann ist.

Im Verhältnis zu Gott ist das etwas anders – da ist uns alles gegeben. Umsonst, gratis. Das ist die Bedeutung der Gnade, dass man dafür nichts geben muss. Das ist die Liebe, die wir kennen und ein Glück nennen, wenn man keine Gegenleistung für die Leistung erwartet und wenn keine Rechenschaft verlangt, sondern wenn aus gemeinsamem Überschuss gegeben wird.

Wir haben nicht verdient, was Gott uns gibt. Wir können uns hier nicht ein Guthaben erarbeiten, und wir haben kein Recht und keinen Anspruch darauf. Aber wir können uns wie in der Liebe dem hingeben, was uns gegeben wird. Wir können empfangen und selbst von uns im Einklang und vollkommener Freiheit geben.

So wie in der Liebe sonst beansprucht uns das voll und ganz. In der Liebe kann ich mich auch nicht damit begnügen, einen abgemessenen Teil von mir zu geben. Da geht Inflation in die Beziehung, wenn wir damit anfangen zu rechnen und zu berechnen. Im Verhältnis zu Gott bin ich alles schuldig, weil Gott mir alles gibt. Das Wort „schulden“ erhält eine ganz andere Bedeutung als die, die sie in weltlicher Beziehung hat, und das verstehen wir, wenn wir das sehen, was wir einander in der Liebe schuldig sind. Eltern und Kinder, Freunde, Liebende. Die Liebe begnügt sich nicht mit Halbheiten, sondern will alles. Wir sind einander alles schuldig in der Liebe, und dennoch macht es keinen Sinn, von Schuld und Verdienst zu reden.

Rechter Gebrauch vom Namen und der Macht Gottes kann nur Gutes tun, und ansonsten ist da nicht Gott, sondern irgendein Abgott im Spiel.

Das liegt in dem, was Jesus heute über die Steuermünze sagt.

Luther entwickelte im Anschluss an den Brief des Paulus an die Römer die Lehre von den „zwei Reichen“, wo weltliche und geistliche Macht getrennt werden sollten, und das geht den meisten sowohl in als auch über den Kopf. Das kann leider so klingen: Wenn deine göttliche Linke nur nicht weiß, was deine weltliche rechte tut, ist alles in Ordnung.

Dann gleicht das genau dem, was die Pharisäer und Anhänger des Herodes im Sinn haben mit ihrer Schmeichelei und ihrer Frage, die eine Falle ist, um Jesus zu etwas zu veranlassen, was sie ihm vorwerfen können.

Jesus durchschaut die Heuchelei: Reicht mir einen Denar (eine Münze), so dass ich sie sehen kann. Er will, dass sie den Zinsgroschen aus der eigenen Tasche ziehen und zeigen, wie sie ihn selbst anfassen und ihn als etwas tragen, mit dem sie rechnen und worauf sie vertrauen. Einer von ihnen reicht ihm die Münze, sie trägt das Bild des römischen Kaisers (wahrscheinlich Tiberius) und eine Inschrift, die das Erhabenste, Höchste ausdrückt, oder geradezu Gott: (Pontifex maximus).

Diese Münze ist an sich Blasphemie, denn nur Gott kann diesen Titel beanspruchen.

Das tut Gott aber nicht, denn Gott steht vor ihnen im Rock und mit Sandalen! Alle seine göttliche Pracht hat er abgelegt, weggegeben an uns, für uns. Und doch ist er mit seinem ganzen Wesen der Erhöhte, der Gesalbte, Gottes Sohn. Jesus ist Gott und Mensch zugleich. Ohne Trennung, ohne Vermischung. Der Sinn ist nicht der, dass man Geist und Physis scharf trennt. Es ist alles der Mensch Jesus, und es ist alles Gott.

Was für eine Ironie! Da stehen sie und reichen Gott den Zinsgroschen.

Die blasphemische Münze, die sie am liebsten nicht dem Kaiser als Steuer geben wollen, tragen sie selbst mit sich. Ist das Bild von Gott, das sie in ihrem Herzen tragen, wohl stark genug, um das zu ertragen?

Denn so ist es ja, die Münze trägt das Bild und die Prägung des Kaisers. Der Mensch trägt das Bild Gottes, Gottes Prägung.

Sie wunderten sich sehr über ihn, steht da im Text. Wir müssen uns mit ihnen wundern. Jesus ist in Bedrängnis. Die Erde brennt unter ihm, es ist nur eine kleine Frist, dann werden sie sich entschließen, ihn gefangen zu nehmen und anzuklagen, ihn zum Tode zu verurteilen und zu kreuzigen. Er weiß es. Er muss es. Er will es. Rätsel über Rätsel. Es sieht so aus, als sei alles vergebens gewesen. Aber Jesus antwortet seinen Anklägern mit messerscharfer Ironie und großem Humor. Souverän.

Angesichts der Drohung, wegen Gotteslästerung angeklagt und zum Tode verurteilt zu werden, steht Jesus da und verkündigt das Reich Gottes. Die Wahrheit Gottes über den Menschen. Dass wir Gott gehören. Wir gehören Gott und sollen die Werke Gottes tun. Gott dienen mit allem, was wir sind, physisch und geistlich, ohne Trennung, ohne trübe Vermischung.

Gebt Gott, was Gottes ist. Das beginnt, wenn wir ein Kind in die Arme Gottes legen, es auf den Tod und die Auferstehung Jesu taufen, es prägen lassen in seinem Bilde.

Das Gottesverhältnis muss wie jede andere Beziehung gepflegt werden, gelebt werden, genährt in täglicher Gemeinschaft. Nicht nur am Sonntag, aber auch am Sonntag – und auch am Dienstag und allen anderen Tagen.

Jesus, der Christus ist, wahrer Gott, wahrer Mensch, ohne Vermischung, ohne Trennung, gibt sich selbst voll und ganz und gibt uns und unserem Leben Sinn und Richtung. Du und ich sind anderes und mehr als Steuerzahler, wir sind Bürger im Reich Gottes.

Und wenn wir es dann wagen hier zum Gottesdienst im Gebet und der Arbeit zu kommen und uns zur Verfügung zu stellen, dann ist die Welt geprägt durch das Reich Gottes. Dann bekommt die Welt etwas von Gott und nimmt ihm nicht etwas, sondern es wird ihr gegeben. Das ist eine ganz andere Weise zu leben als alles aufzuteilen zwischen Kaiser und Gott, physisch und geistlich. Gebt Gott, was Gottes ist – und lasst auch den Kaiser ihm dienen, ohne Vermischung, ohne Trennung. Amen.

Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen

DK 4930 Maribo

Email: amnm(at)km.dk

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