Matthäus 28,1-8

Matthäus 28,1-8

Ostersonntag | 17.04.2022 | Mt 28,1-8 | Marianne Christiansen |

Christus ist auferstanden. Ja, er ist wahrhaftig auferstanden. Gib das weiter. Nun habe ich es euch gesagt.

Mit Furcht und großer Freude liefen sie vom Grabe. Wenn sie in Panik und Schreck gerieten, erhielten ihre Beine trotzdem eine Richtung – sie liefen hin und erzählten es einigen anderen, einigen, die trauerten, hinter verschlossenen Türen saßen und Angst hatten. Obwohl der Engel am Grabe sagte: „Fürchtet euch nicht“, waren sie dennoch voller Furcht – und voller Freude. Ob es die Freude war oder die Furcht, die sie laufen ließ, das können wir nicht wissen, können es aber an unseren eigenen Beinen merken.

Furcht haben wir. Und Furcht kann lähmend sein. Die Furcht vor dem Krieg, die Angst um das Leben der Lieben, die Furcht vor der Zukunft. Unser Volk hat die Furcht kennengelernt in den letzten Jahren – Angst vor Krankheit und Krieg – die Furcht, die viele Völker der Welt lange erlebt haben, ohne dass wir daran gedacht haben. Und jetzt, wo Krankheit und Krieg nahegekommen sind, können wir sogar so sehr von unserer eigenen Furcht eingenommen sein, dass wir die Menschen vergessen, die tatsächlich betroffen sind und unsere Hilfe brauchen. Ja, die Furcht kennen wir. Sie kann sich in die Beine setzen wie ein Alptraum, wo man laufen will, aber die Füße fest an der Erde kleben, alles wird langsam und angstvoll. 

Die Frauen laufen jedoch vom Grabe mit ihrer Furcht. Die Furcht lähmt sie nicht. Da ist Leben ihre Beine gekommen. Sie laufen mit Furcht und mit großer Freude – sie bringen Worte mit, ein Gerücht, eine Hoffnung, ein Ruf: Auferstehung. Ihre Beine sind voller Sprünge. Wer hätte das geglaubt. Niemand!

Das Gerücht von der Auferstehung ist so wild, dass es niemand erfinden kann und daran von sich aus glauben kann. Aber jemand ruft es hervor. Gott kann die Freude im Leib schaffen, eine überströmende Freude am Dasein, die die Beine zum springen bringen und das bange Herz öffnen, das in einer Antwort ausbricht: „Ja, er ist wahrlich auferstanden“. „Ja, ich weiß, du sprichst wahr, der Heiland ist von den Toten auferstanden“. Das ist keine durchdachte Antwort, keine Erklärung oder ein Bekenntnis. Das ist etwas, wofür wir nichts können. Gott hat Auferstehung in die Welt gesät, und die bricht aus und schafft Leben und bringt uns dazu, einander etwas zu geben, was wir nicht haben: Hoffnung.

Denn der Ruf, der durch die Zeiten weitergegeben wurde, schafft dieselbe Freude mitten in der Furcht wie in Maria Magdalene und den anderen angstvollen Freudenläufern. Die Auferstehung ist die große Liebeserklärung zu dieser Welt und diesem Leben. Die Auferstehung Jesu.  

Denn Jesus ist es, der auferstanden ist. Kein Rächer, kein Despot oder eine unmenschliche Machtmaschine, die ein für alle Mal Ordnung in die Welt bringen will und die Menschen dazu zwingen will, nach bestimmten Regeln zu leben. Das ist der Mensch, der hingerichtet wurde wie Millionen von anderen namenlosen Opfern an einem Tag wie diesem. Der Mensch, der sein Leben damit zubrachte, die Liebe Gottes in die Welt hinein zu leben, Barmherzigkeit zu zeigen und das Reich Gottes für alle ohnmächtigen Opfer zu öffnen, er, der sich gering machte, um den Geringsten die Würde Gottes zu geben. Er ist es, der auferstanden ist.

Er bleibt in der Welt. Er lässt sich nicht ausrotten. All die Gewalt, unter der die Welt, die Erde und alle Geschöpfe leiden, all die Bosheit, die die Menschen, die die Menschen ergreift, so dass sie gleichgültig werden angesichts der Leiden anderer, oder die das Recht eines Wahrheitszeugen in Anspruch nehmen, um zu töten und Menschen und das Leben anderer auszurotten – all das wird nicht triumphieren können. Der Tod, der größte Despot, der alles zum Schweigen bringt, stößt hier auf Widerspruch, und wird weiter auf Widerspruch stoßen.

Die Auferstehung Jesu ist eine Liebeserklärung an diese Welt. Denn man könnte ja meinen, dass in dieser Welt, so wie sie aussieht, kein Platz ist für die vollkommene Liebe. Natürlich, er wurde getötet, natürlich, das war kein Platz für ihn und seinen unrealistischen Blick auf Menschen und seine Kritik an den Machthabern. Er war zu gut für diese Welt, und niemand könnte ihm das vorwerfen, wenn er jeglichen Glauben an Menschen verloren hätte und sich für die Freiheit und geistliche Seligkeit der Ewigkeit entschieden hätte. Jesus hätte eine Idee werden können. Eine geistliche Vereinigung mit Gott, draußen im Universum. Eine Erinnerung daran, dass da einmal ein Licht der eigenen Liebe Gottes auf diesem verlorenen Planeten war, der ihn nicht erkannte.

Er wollte jedoch nicht verschwinden. Er wollte unbedingt bleiben – gleichsam in einer hoffnungslosen Liebe zu dieser Welt. Vielleicht weil sie so fein und unsagbar schön ist, vielleicht wegen der Art und Weise, wie das verwelkte Laub auf faulen Baumstämmen wächst, wegen der blauen Scilla-Blumen, die blauer sind als der Himmel. Vielleicht wegen der prächtigen Insekten und ganz kleinen standhaften Vögel, die über die Torheiten der Menschen hinweg singen, wegen der tiefen heimlichen Tiere in den Abgründen des Meeres, deren Namen nur Gott kennt. Vielleicht wegen des verlorenen Sinnes der Menschen, die lieben und sehnen und über den Tod trauern. Vielleicht wegen unverdienter überströmender Liebe zu dem verletzlichen Leben.

Jesus bleibt in der Welt. Die hoffnungslose Liebe überwindet den Tod. Er ist gegenwärtig in seinem Wort, das Hoffnung und Glauben schafft. Er ist gegenwärtig in einem anderen Menschen, der zu Hilfe kommt, und dem Menschen, der Hilfe braucht. Er ist gegenwärtig mit seinem Geist, der in bangen Körpern Mut einflößt und Kräfte in die Hände gibt, um die Werke der Liebe zu tun. Jedes Mal, wenn wir bei einer ganz kleinen Mahlzeit mit Brot und Wein im dänischen Abendmahlsritual sagen: „Der auferstandene Herr und Heiland, der nun gegenwärtig ist mit all dem Reichtum deiner Liebe“. Dann sprechen wir zu ihm als einem Vermittler, der die ewige Liebe Gottes menschlich macht. Wir nehmen ihn mit dem Mund und Herzen zu uns. 

Das ist möglicherweise nicht die richtige Art und Weise zu beschreiben, wie der auferstandene Jesus in der Welt gegenwärtig ist. Die Auferstehung, die wir heute feiern, wird immer eine Mischung sein von einer wilden Behauptung, einem ruf: „Er ist auferstanden“ und einer Erfahrung, einer Hoffnung: „Ja, er ist wahrlich auferstanden“. Die Erfahrung der Auferstehung, die Freude, die aufkommt und Kräften in den beinen gibt und Mut für das Leben, muss Gott in uns hervorrufen. Vielleicht tut er das, indem er unsere Augen öffnet für diese wunderbare Welt und das Wunder, dass es das Leben gibt, vielleicht tut er das, indem er Versöhnung schafft zwischen Feinden, so dass sie einander als Menschen sehen. Vielleicht tut er das, indem er das Worte Jesu und das Wort von ihm in unseren herzen klebendig macht, so dass der Glaube in uns entsteht und wir die Hoffnung empfangen, dass der Tod überwunden ist und niemals das letzte Wort hat. Denn das tat Jesus. Das ist Jesus.

Mit Furcht und großer Freude gehen laufen wir der Zukunft entgegen. As besteht aller guter Grund dafür, dass uns das erzählt wird., dass Christus auferstanden ist, dass Gott die Welt liebt und dass der Tod nicht der Sinn des Lebens ist. Nun haben wir es gehört, es ist uns gesagt. Wir haben die Hoffnung, um sie weiterzugeben. Frohe Ostern! Amen. 

Bischöfin Marianne Christiansen

Ribe Landevej 37 
6100 Haderslev

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