Matthäus 4,1-11

Matthäus 4,1-11

Invokavit | 26.02.2023 | Mt 4,1-11 (dänische Perikopenordnung) | Anders Kjærsig |

Versuchungen und Motive aus dem Alltag.

Aphorismen über den Text zu Invokavit

Jeden Tag schaue ich in den Himmel, jede Sekunde schaut der Himmel auf mich herab.

Ich glaube nicht an Liebe, weil Liebe beziehungslos ist. Sie ist eine typisch platonische schlechte Idee ohne Substanz. Ich bin aber sicher, dass es das gibt, Lieben und sich verlieben, dass Lieben ein Zerbrechen von Liebe ist. Liebe und Hass hängen zusammen, diese Beziehung gibt es nicht beim Sich verlieben.

Im Verliebtsein besteht auch kein Unterschied zwischen Körper, Geist und Atem. Man pustet, hinkt und holt Luft in einer anderen Weise, wenn man verliebt ist. Liebe führt zu Asthma und erinnert einen an den Inbegriff von Trivialität und aufkommender Gleichgültigkeit.

Gott schuf den Menschen aus Erotik und nicht aus Liebe. Liebt einander und vergesst die Liebe, die gibt es nicht. Gott sagte: Lass Erotik werden, und es kam Liebe. Das ist ein menschlicher Fehler.

Warum soll die Kirche ein Logo haben, wo sie doch das beste Symbol der Welt hat?

In der Diskussion um den Buß- und Bettag als Feiertag geht es um das Verhältnis zwischen Säkularismus und Anti-Säkularismus, zwischen Profanität und Sakralem. Es geht nicht um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Das meinen die Bischöfe, aber nicht die Leute von den Gewerkschaften. Die haben Recht. Die Bischöfe haben genug zu tun mit Krankmeldungen, Sexismus, Klimapolitik und Integration. Selbst Pröpste sind langzeitkrankgemeldet. Hier ist es schön, schickt mehr Geld. Wir vermissen euch!

Die Berufung zum Pfarramt existiert nicht. Pröpste sind Veränderungsagenten – habe ich gehört. Ein unpoetisch ärmlicher Titel, der nichts besagt. Das ist ein Teil des kirchlichen Managements. Pröpste wollen Führung ausüben, aber dazu ist es nie gekommen. Das gilt auch für Bischöfe. Sie wissen es nur selbst nicht.

 Es ist schwer in diesem Zusammenhang die Volkskirche zu finden. Wir machen Segment-Untersuchungen, versuchen, uns in einer Modernität zurechtzufinden, der wir nach dem Munde reden und der wir dennoch nie gerecht werden. Antwort der Kirche?

Wenn ich zu mir selbst nachhause komme, will ich die Toten und die Lebenden grüßen, ich will mich niederwerfen und zum Himmel aufblicken und an eine Zeit denken, die einmal war. Da geht es um kleine Dinge: Eine Eisenbahn, ein geschlossenes Gasthaus, Häuser, die ihren Glanz verloren haben, ein kleines Mädchen ohne Zähne, Süßigkeiten, ein Bier und schlechtes Gewissen. Ich kenne das sehr wohl, all das, was man getan und nicht getan hat, man steht da etwas verklemmt und unerlöst. Ich bin nun zuhause, und nichts hat sich geändert. Das gefällt mir.

Ich glaube, weil ich in die Kirche gehe.

Ich habe nie den Ausdruck verstanden: Wenn das Leben zu groß wird. Was ist das?

Ich zweifle an echter Liebe. Soll die Liebe echt sein, ist sie ohne Leidenschaft. Das heißt: Schmutzige Liebe. Die ist sehr echt, möchte ich glauben.

Wir reden von Einsamkeit, weil wir Gemeinschaft vermissen. Wir sind Antiindividualisten. Sartre schrieb einen Roman mit dem Titel: „Einsam unter Menschen“. Sein Problem war dann aber wohl die Gemeinschaft, weil sie dem Menschen die Authentizität raubte. Heute ist Einsamkeit ein Problem, weil Identität nicht existentialistisch ist, sondern kommunitaristisch – wir fürchten die Einsamkeit in unserer Sehnsucht nach einer Gemeinschaft, die nicht existiert.

Ich bin älter geworden. Damit bin ich einverstanden. Manchmal frage ich mich selbst: Was willst du mit deinem Leben. In der Regel vergesse ich das und gehe woanders hin. Wo ich gehe, ende ich in der Regel an derselben Stelle. Mein Leben ist ein Nichts in Bewegung. Etwas, was nur ist, während es geschieht, eine konstante Unsicherheit unterwegs zu Horizonten, die stabil sind. Letzteres ist Gott zu verdanken.

Kann man den Existentialismus der dreißiger Jahre heute noch zu etwas gebrauchen? Wer liest noch Tom Kristensen und Hermann Hesse? Liest man die französische Ausgabe von Sartre usw.? In den 80er Jahren hatten wir die jungen Wilden, schwarze Existentialisten in Lederkleidung. Was ist heute? Ist Existentialismus Realismus, Anti-Identität?

Stimmungen wie Angst und Verzweiflung sind nicht existentiell, sondern pathologisch und diagnostisch. Die neuen Grundstimmungen sindEins1amkeit und Langeweile. Das macht einen Unterschied, würde mich meinen.

Man wird älter min dem Alter. Menschen verschwinden, Freude verlieren sich im Horizont, Eltern sind nicht mehr da. Ich erinnere mich an ihre Gleichgültigkeiten und Trivialitäten, sie kamen vorbei und verschwanden wieder. Nun bin ich ich selbst ohne sie, und das ist eine neue Art und Weise, sich selbst zu finden. Eines Tages werde ich nicht mehr hier sein, und andere werden hoffentlich dasselbe sagen. Das hoffe ich doch.

Heute Abend will ich Optimist sein!

Ich wurde von einem Auto getroffen, mein Körper stand zwischen Objekt und Subjekt. Der Körper verbindet den Menschen mit Wirklichkeit, wenn man getroffen wird. Ich lande auf dem Kühler des Autos, blicke in die Frontscheibe und entdecke ein Gesicht, das nicht meins ist. Der Test ist nur eine Situation.

Ich lese ein kleines Buch mit dem Titel: „Juristisch denken“. Es ist im juristischen Buchhandel in Aarhus gekauft worden. Man konnte auch ein Buch kaufen mit dem Titel: „Juristisch schreiben“. Das mag ich nicht lesen. Beide sind von Professor Jens Ewald geschrieben. Er schreibt gut.

Es ist interessant, Kultur, Staat, Markt und Gesellschaft unter dem Kriterium richtig und verkehrt zu betrachten. Das ist weder ein ethisches, ästhetisches noch ein erkenntnismäßiges Problem, das muss man sagen. Jura denkt in einer eigenen Weise, mischt sich aber n viele andere Bereiche ein. Selbst Fiktion kann juristisch gesehen werden. Davon wissen wir heute wenig. Es gibt Grenzen für das, was man heute schreiben darf; man weiß ja nie, ob man jemanden beleidigt hat. Das ist neu: Woke, cancel culture usw. Wir lesen Literatur nicht mehr poetisch, sondern juristisch. Das Schöne unterliegt dem Gerechten. Eine Art von juristischer Hermeneutik, die das Werk nicht ästhetisch betrachtet.

Man muss sich vorsehen, wenn man schreibt, es könnte einen wirtschaftliche ruinieren. Die Moral: Haltet euch an Regeln und Tagebücher. Aber: Passt auf!

Habe gerade gehört, dass hoch denken ungesund ist. Da kenne ich Leute, die beruhigt sein können.

Leitende Leute aus der Kirche behaupten, das Christentum sei eine Grundlage für Werte. Da habe ich meine Zweifel. Ist die Gnade Gottes ein Wert? Gnade kommt von gratia und bedeutet gratis. Das ist in Wirklichkeit ein Anti-Wert, das Gegenteil von Wert und Wertgrundlage und ist paradoxerweise wohl nichts wert. Wert stammt aus ökonomischem Denken, und da ist nichts gratis.

Pastor Anders Kjærsig

DK 5881 Skårup

E-Mail: ankj(at)km.dk

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