Matthäus 8,1-13

Matthäus 8,1-13

3. Sonntag nach Epiphanias | 22.01.2023 | Mt 8,1-13 (dänische Perikopenordnung) | Poul Joachim Stender |

In unserem Mittsommerlied ”Wir lieben unser Land“ singen wir: „Jede Stadt hat ihre Hexe und jede Gemeinde ihre Trolle, die wollen wir uns mit dem Freudenfeuer vom Leibe halten“. Gottseidank sind die Vorstellungen von Hexen und Trollen verschwunden. Und doch haben wir in unseren 2.169 Gemeinden dämonische Kräfte. Die Hexen und Trolle der Gegenwart sind Verzweiflung, Einsamkeit, Trauer, Missbrauch, geistige Armut. Ich glaube, dass niemand so wie wir Pastoren sieht, wie hart das Leben für einige Menschen ist und wieviel Freudenfeuer in unserem Lande fehlt. Neulich haben wir in unserer Gemeinde Kirke Saaby einen Herzstarter bekommen. Und in Kisserup, meiner zweiten Gemeinde, haben wir auch einen Herzstarter bekommen. Und wenn man unter Herzstarter im Internetz nachschaut, kann man sehen, dass es fast genauso viele Herzstarter gibt wie Gemeinden. Es ist phantastisch, dass es überall in Dänemark möglich ist, Menschenleben zu retten. Aber schon im 12. Jahrhundert gab es überall im Lande viele Herzstarter. Das sind alle die Kirchen aus dem Mittelalter, die genauso schnell wie die Herzstarter überall im Lande errichtet wurden. Man kann heute im Internetz sehen, wo der nächste mittelalterliche Herzstarter liegt. Das war nämlich der Sinn mit der Errichtung der vielen Kirchen, dass sie nicht nur davon zeugen sollten, dass das Herz Gottes für uns schlägt. Wenn man in die Kirche ging, sollte das kalte Herz wieder zum Leben erweckt werden durch die Verkündigung, so dass es für Gott und den Mitmenschen zu schlagen begann. Oder wie der Prophet Hesekiel im Alten Testament sagt: „Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben“ (Hesekiel 11,19).  Es besteht kein Zweifel, das Christentum ist der Grund für die enorme Fürsorge, die wir in Dänemark für das leibliche Wohl unserer Mitmenschen aufbringen.  Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter lernten wir von Jesus, dass wir uns des Notleidenden annehmen sollen. Und aus diesem Grunde haben wir ein gutes Gesundheitswesen und Herzstarter und allesmögliche sonst. Wenn Aussatz, also Lepra, von der wir im heutigen Text hören, heute viel seltener ist, so ist das eben der Forderung des Christentums zu verdanken, dass wir uns des Notleidenden annehmen sollen. Aber dennoch hat jeder Ort noch immer seine Trolle in Form von Verzweiflung, Einsamkeit, Trauer, Missbrauch, geistlicher Armut. Und man kann sich darüber wundern, dass man sich heutzutage so einseitig allein darauf konzentriert, dass es den Menschen und damit auch der Gesellschaft physisch gut geht. Es genügt aber nicht mit Wohnungen ohne Schimmelpilz und schnellem Zugang zu ärztlicher Behandlung und Herzstartern. Es genügt nicht mit gesundem Essen und guten Versicherungen und Möglichkeit für Ausbildung und guter Pension. Wir brauchen auch Sinn, Verständnis und einen Ort, an den wir uns mit unserer Ohnmacht wenden können.

Im Evangelium vom Aussätzigen und dem Offizier und seinem Knecht sehen wir zwei Beispiele dafür, wohin sich Leute in ihrer Ohnmacht wenden. Ein Aussätziger wendet sich an Jesus um Hilfe in seinem enormen Leiden, und dasselbe tut der Offizier, dessen Knecht im Sterben liegt. Jesus ist für sie ein Herzstarter, eine akute Hilfe, ein Notruf. Sie glauben voll und ganz daran, dass er Leben schaffen kann. Und das tut er auch. Deshalb ist es wichtig, dass wir, wenn wir die modernen Hexen und Trolle aus unseren Städten und Gemeinden verbannen wollen, auch einen geistlichen Ort haben, an dem wir unsere Herzen wieder starten können, so dass wir das Leben in uns spüren. Und ein solcher Ort ist die Kirche. Es nützt nichts, dass man in unserer Gesellschaft glaubt, dass wir Menschen nur Wohlstand und Sicherheit brauchen. Wir müssen auch hören und spüren, dass das Herz Gottes für uns schlägt und dass unsere eigenen Steinherzen in gangkommen müssen, so dass sie Fleischherzen werden, die für Jesus Christus, unsere Mitmenschen und das Leben schlagen. Wenn ein Herzstillstand eintritt, ist es meist nicht so wie im Film, wo das Herz plötzlich stillsteht und aufhört zu schlagen. Das Herz wird in den meisten Fällen noch eine Zeitlang flimmern, nachdem der Herzstillstand eingetreten ist. Was der Herzstarter tut, ist dies, dass er einen elektrischen Stoß gibt, der das Flimmern kurzzeitig beendet. Der Stoß des Herzstarters ist lebenswichtig, weil er dem Herzen die notwendige Ruhe gibt, so dass es wieder effektiv schlagen kann.

Wenn wir mit all unserer flimmernden Unruhe im Herzen, mit all der Ohnmacht, die wir in unserem Dasein erfahren können, in die Kirche kommen, wird das Wort Gottes uns die Ruhe geben, die wir brauchen. Das Abendmahl beginnt mit den Worten: Erhebt eure Herzen zum Herrn. Ja, Lasst uns das tun. Unsere unruhigen, flimmernden, ängstlichen Herzen zum Herrn erheben. Gib uns, Gott, Ruhe, Segen, Friede, Seligkeit. Worte haben mehr Macht als wie meinen. Das zeigt das Evangelium dieses Sonntags. Jesus heilt den Knecht des Offiziers nicht, indem er ihn berührt. Er sagt nur: „Geh hin; dir geschehe, wie du glaubst“. Das Wort schafft, was es sagt. Der Knecht des Offiziers wird gesund. Wenn es in den Bibeltexten, den Liedern, dem Segen und beim Abendmahl heißt, dass Gott mit uns ist, dann ist er bei uns. Wenn er uns die Vergebung unserer Sünden zusagt, sind wir gereinigt, rein und bereit, neu zu beginnen. Wenn er uns sagt: Sorget nicht, legt eure Lasten auf mich, dann bekommt unser flimmerndes Herz Ruhe. Worte haben Macht. Deshalb müssen wir vorsichtig mit ihnen umgehen. Wir sind Herzstarter für einander. Mit Worten können wir zerstören, verletzen, töten. Aber mit warmen, lieben, wohlmeinenden, nachdenklichen Worten können wir einender Leben schenken. Wir sind 5,6 Millionen Dänen. 5,6 Millionen potenzielle Herzstarter verteilt über das ganze Land. Gott befohlen. Amen.

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
pjs(at)km.dk

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