Predigt zu Johannes 14,22-31

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Predigt zu Johannes 14,22-31

„Der Weg des Heiligen Geistes zum blinden Auge der Welt“ | Pfingstsonntag 2021 | Johannes 14,22-31 (dänische Perikopenordnung) | Von Laura Lundager Jensen |

Der Weg des Heiligen Geistes zum blinden Auge der Welt

Letztes Jahr war eine Ausstellung im Kunstmuseum von Kopenhagen mit der dänischen Malerin Anna Ancher von der Malerkolonie Skagen.

Anna Ancher versteht es, Licht auf das Bild zu bringen.

Die Wärme des Sommerlichts über dem Meer, auf den Dünen in Skagen, wie es die Heide umspielt.

Und das kalt-weiße Licht des Mondes, das die nächtlichen Schatten der Nacht einfängt.

Licht an den Häusern und Licht in den Stuben und in den dunklen Ecken – und sie malt so, als komme das Licht nicht nur von außen – mit der Sonne und dem Mond als Lichtquellen – sondern springe auch von innen hervor, bewege sich hinaus auf das, was sie malt und weiter auf  uns, die das sehen.

Anna Ancher gehört zu dem Durchbruch der Moderne mit seiner naturwissenschaftlichen Kritik an der Religion – aber ihre Art und Weise, wie sie das Licht aus der Natur heraus leuchten lässt, fängt den Schein von etwas mehr ein – eine religiöse Dimension, die mit dem Licht aus dem Material herausleuchtet, das es trifft – und die die Düne, das Haus, den Menschen mit leuchten lässt.

Es war besonders ein Bild in der Ausstellung, das mich beeindruckte – Sonnenschein in der Stube einer Blinden, ein kleines Portrait, das die alte erblindete „blaue Ane“ aus Skagen zeigt, wie sie an einem kleinen Tisch in ihrer Stube sitzt, gezeichnet durch  ihr Alter.

Die Stube ist dunkel, aber durch eines der alten Sprossenfenster fällt Licht – ein helles und freundliches Frühjahrslicht, das sich vorsichtig voran bewegt – und das Licht trifft zunächst auf einen wurmstichigen Küchentisch und dann auf die alte Frau. – aber das Licht erreicht und beleuchtet nur die eine Hälfte ihres Gesichts, die andere Hälfte bleibt im Schatten.

Und was einen beeindruckt, das ist dies, dass die Blinde das Licht nicht sieht, sondern nur seine Strahlen spürt, und dann ist es, als sähe die Blinde trotzdem. So als ob die Sonne, die hereinscheint – etwas in dem Gesicht der Blinden einfängt, etwas mehr herausholt, ein inneres Licht, das dazu beiträgt, das Bild zu erhellen.

So als würden die Strahlen der Sonne ein vergessenes Licht in der „blauen Ane“ anzünden. Ein Licht, das zwar einmal sichtbar war, aber jetzt aus ihrem bewahrten gelebten Leben hervorgeholt wird. Und auch wenn die Frau alt ist und nicht mehr viel kann, ist es, als würde sie wieder zum Leben erweckt, so als würde etwas, was einmal war, wieder neues Leben erhalten – im Schein des Frühjahrslichts, des Lichts von der Schöpfung.

Wir feiern heute Pfingsten – und in unseren Breitengraden können wir nicht anders als Frühjahr und Licht in der ganzen Natur mit der Pfingstfreude zu verbinden. Wenn die Vögel zwitschern und Blumen und die Buche ausspringen, dann ist es wie mit dem schöpferischen Heiligen Geist selbst.

Und Grundtvig kann das wie kaum ein anderer in seinen Pfingstliedern zum Ausdruck bringen – in dem Lied “In vollem Glanz strahlt nun die Sonne“ werden Heiliger Geist und der Geist des Frühjahrs miteinander verwoben, so als ob die ganze Natur feiert, dass die Pfingstsonne wieder neues Leben in die Schöpfung bringt.

  • so als könnte es nicht anders sein.
  • so als sein es dem Geist von Pfingsten ganz gleich, womit wir Menschen zu kämpfen haben.

Ganz gleich, ob wir es verdient haben, dass das Licht für uns scheint und uns trifft, ob wir das Leben vor oder hinter uns haben, ganz ungeachtet von Krankheiten, Einsamkeit, wirtschaftlichen Problemen, Alter oder Blindheit. Ganz ungeachtet unserer kleikrämerischen Logik und unserer Selbstgerechtigkeit

  • Der Geist weht, wo er will, Gott sei Dank
  • Hinein in alle Ritzen und Risse – und er legt sich wie ein sanftes Kissen über die Erde und wärmt all das, was vorher tot war.

Und das ist es, was Anne Ancher mit ihrem Bild von der „blauen Ane“ – vielleicht unbewusst – einfängt, ein Frühjahrslicht, eine Pfingstsonne, die in eine alte Frau in Skagen eindringt und ihr Herz erwärmt und verändert zu einem „himmlischen Spiegel auf Erden“, wie Grundtvig das so poetisch nennt, der das göttliche Licht auffangen und wiederspiegeln kann hinaus in die Welt, in uns hinein.

Der Schatten hat sich offenbar auf ihr armes kleines gelbes Haus in Skagen gelegt, und es ist wahrscheinlich, dass der nie mehr wirklich verschwinden kann. Aber bei der Berührung der Pfingstsonne durch die Augen der Blinden beginnt das Herz zu glühen in einer Wiederspiegelung des Lichts. Und auch wenn das Licht von außen zu ihr kommt, findet es das Leben und die Lebensfreude, die einmal da waren. So stark, dass es von einem Bild Mut schenken kann und Glauben und Hoffnung für den, der sich die Zeit nimmt, einzuhalten und es anzunehmen.

Eben das ist Pfingsten:

Die Feier, dass der Heilige Geist einst zu den Jüngern kam, als sie da alleingelassen im Dunkel saßen, unverständig und blind gegenüber allem, was Jesus in der Welt hinterlassen hatte, ganz gleich wie alt und kalt und hart sie sind. Und sie bekommen Zungen, die brennen bei Menschen und Vögeln.

Und auch wenn es nach Naturromantik und einem Missbrauch von Kunst klingen mag, die andere Intentionen hat – für mich ist das eine Art und Weise, den Heiligen Geist zu beschreiben.

Denn wie sonst sollte man ihn beschreiben?

Der Heilige Geist ist eben unsichtbar in seiner Form, aber man kann ihn spüren. Der Heilige Geist ist gerade das Unverständliche, das das Verstehen in das Leben hinein reflektiert. Und der, wenn er auf einen trifft, bewirkt, dass man entdeckt, ohne ihn kann man nicht leben.

Der Heilige Geist bewirkt, dass wir Menschen mitten in unserem langweiligen Alltag berührt, geführt und bewegt werden. Er trifft uns von außen, so dass wir den Blick öffnen für die Welt, die auch da ist, und die Welt, die auch da war, so dass er uns aus dem Alltag hinausführt, der uns einzuschließen pflegt in feste Muster und einer Auffassung von uns selbst und anderen in einer eingeschränkten Kleinlichkeit.

Ein Licht, das uns von außen trifft, uns aber von innen fängt in der Fähigkeit, das ans Licht zu bringen, was schon in uns angelegt ist, was schon in dem von Gott geschaffenen Herzen liegt, aber nicht den Funken hat, der Glaube und Hoffnung aufblühen lässt.

Das ist in der Taufe als ein Keim in uns gelegt, und durch den Heiligen Geist wird es zum Leben erweckt.

Und die Pointe ist, dass wir ja nie wissen, wo und wann es uns trifft – wir können Gott und den Heiligen Geist in Büchern, in Gesprächen und Erlebnissen oder beim Gottesdienst suchen ohne Garantie, dass es wirkt.

Und dann plötzlich, wie durch einen Wind berührt, merkt man die Veränderung. Man merkt die Wärme. Man merkt das Licht – das uns befähigt, zu leben und zu spüren, dass wir mehr sind als Schatten ohne Substanz, wie der tschechische Autor Milan Kundera das formuliert hat, als er von seiner Begegnung mit dem christlichen Glauben sprach.

Eben daran erinnert uns Pfingsten: Glaube, Hoffnung und Liebe sind da, auch wenn die Welt keinen Blick dafür hat. Wir entdecken, auch wenn Schatten, Finsternis und Missmut da sind: Der Heilige Geist hat stets Macht und Stärke, kalte Herzen zu entflammen und Menschenzungen dazu zu bringen, mit den Vögeln des Frühjahrs um die Wette zu singen. Frohe Pfingsten! Amen.

Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk

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