Warum sind wir Christen?   –  Pfingsten gibt uns die Antwort.

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Warum sind wir Christen?   –  Pfingsten gibt uns die Antwort.

Predigt zu Apostelgeschichte 2 | Pfingsten 2021 | verfasst von Ulrich Nembach |

Wir lesen die alte Erzählung, die Pfingstgeschichte nach Lukas, Apg 2:

1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.
2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,
4 und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?
9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom,
11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
12 Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.
14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen!
15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage;
16 sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist :
17 »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben.«

Liebe Gemeinde,

warum sind wir Christen? Die Antwort ist schwierig. Und zugleich einfach.

Unsere Kirchen verlangen von Pastorinnen und Pastoren ein mehrjähriges wissenschaftliches Studium. Die Professorinnen und Professoren müssen Bücher schreiben und Prüfungen ablegen, bevor sie Professorinnen und Professoren werden. Ihre Prüfer und Prüferinnen sind selber Professorinnen und Professoren. Niemand sonst kann, niemand sonst darf sie prüfen. Niemand sonst hat das Wissen, um angehenden Theologinnen und Theologen das Examen abzunehmen. Kompliziert!

In der Tat, es ist kompliziert. Denn es ist schwer, Christ zu sein. Luther sagte einmal von Konzilien, dass auch sie irren können. Konzilien – die Alte Kirche nannte sie Synoden – galten zu Luthers Zeit als unfehlbar. Doch „Irren ist menschlich“. So hat es Seneca ([d. Ä.], † 40 n. Chr.) auf den sprichwörtlichen Punkt gebracht, errare humanum est. Cicero († 44 v. Chr.) hatte formuliert: „Jeder Mensch kann sich irren, nur ein Dummkopf wird auf seinem Irrtum beharren.“ Der Gedanke stammt bereits aus der griechischen Antike. Die Erkenntnis der Schwierigkeit des Erkennens ist alt.

Jesus starb am Kreuz und wurde begraben. Drei Tage später erstand er auf. Die Frauen, die zum Grab geeilt waren, um Jesus die letzte Ehre zu erweisen, sobald dies möglich war, erschraken, als sie von seiner Auferstehung erfuhren. Darum liefen sie eilends weg.

Danach erschien Jesus wiederholt seinen Jüngern. Er sprach mit ihnen. Aber er blieb nicht bei ihnen. Er entzog sich und ließ die Jünger zurück. Sie hatten allerdings seine Zusage, der Heilige Geist werde kommen und ihnen alles erklären. Jesus nennt ihn (Joh 14,16. 26) den „Tröster“. Er soll zu ihnen kommen und sie in ihren Nöten trösten.

Wir verstehen das heute wohl besser als unsere Vorfahren. Die Pandemie macht uns Angst. Sie verbreitet Schrecken. Uns verlangt nach Trost, täglich mehr, je länger sie dauert, und angesichts der Zahlen in den Statistiken über Neuinfizierte und Tote. Sie rufen, ja schreien nach Trost. Unsere Friedhöfe sprechen ohnehin eine deutliche Sprache gegen das Leben, und nun kommen die vielen Pandemie-Toten hinzu.

Dass wir dies alles ertragen können, ist das Werk des Heiligen Geistes. Er tröstet uns, wie eine Mutter ihr Kind tröstet, das sich verletzt hat. „Heile, heile Gänsje / Es is bald widder gut / …“, singt man nicht nur in Mainz und nicht nur zur Fastnacht. Das bekannte Liedchen geht auf einen einfachen Kinderreim zurück. Es ist als Karnevalsschlager berühmt geworden. Ihn singen auch Erwachsene voll Inbrunst. So sehr ist Trost vonnöten, so sehr hilft Trost.

Luther saß auf der Wartburg, als er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Er entschied sich für das Wort „Tröster“, um das griechische „Parakletes“ möglichst eingängig wiederzugeben. Man könnte auch „Zwischenrufer“ sagen oder „ Dazwischensprecher“. Der Heilige Geist mischt sich ein. Er steht bei, richtet auf und hilft.

Auf der Wartburg zu sitzen war für Luther hart. Er war von seinem Kurfürsten zwangsweise dorthin gebracht worden, weil der Kurfürst – und nicht nur er – um Luthers Leben fürchtete. Luther saß da oben, verkleidet als Junker Jörg. Diese Verkleidung war notwendig. Luther saß in der Stube, die für gefangene Adlige reserviert war. Auf diese Weise kam er mit den zahlreichen Bewohnern der Wartburg nicht in Berührung. Er war in Gefahr, eingesperrt und isoliert. Kurz, auch Luther selbst brauchte Trost. Und so trug die Notlage das Ihre dazu bei, ein passendes Wort für die Übersetzung zu finden.

Uns hilft die Pandemie, so bedrückend sie ist, gerade in ihrem Ernst. Der Tod lässt niemanden aus. Auch wir werden früher oder später auf dem Friedhof liegen. Da ist es schwer zu begreifen, dass der Tod nicht das Ende ist, vergleichbar mit der Endstation einer Bahnfahrt, sondern, wie es Ostern an Jesus geschah, eine – ich nenne es – „Umsteigestation“ (Das gibt es nicht! – Doch, das… | Göttinger Predigten im Internet (uzh.ch)),der Beginn einer neuen Wirklichkeit.

Das zu erkennen ist nicht leicht. Es versteht sich nie von selber. Aber der Heilige Geist hilft uns, er tröstet uns, redet in unsere Ratlosigkeit und Trauer hinein! Das tut er keineswegs immer und überall, wie manche meinen. Ich habe eingangs mit Bedacht Luther zitiert: „Auch Konzilien können irren.“ Der Heilige Geist ist und bleibt unverfügbar.

Anders gesagt, mit Jesu Worten (Joh 3, 8): „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Da haben wir das Sausen und Brausen der Pfingstgeschichte – hier wie dort kein Bericht über ein meteorologisches Ereignis. Wir sollten uns durch den bildlichen Vergleich nicht ablenken lassen. Der sprachliche Ausdruck, die doppelsinnige Vokabel, leitet die Gedanken geradewegs in nur eine Richtung; ‚Geist‘ und ‚Wind‘ sind im Griechischen wie im Hebräischen ja dasselbe Wort. – Von der Freiheit Gottes und seiner Liebe ist die Rede, knapp und bündig zusammengefasst in einem einzigen Satz (Joh 3, 16): „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Die Liebe ist frei. Das zeichnet die Liebe aus. Sie ist nicht käuflich. Sie ist nicht erzwingbar. Das ist bei uns Menschen so und nicht anders bei Gott. Aus Liebe heraus handeln Menschen, wenn sie frei sind; sie tun etwas, was sie sonst nicht tun würden. Die Mutter tröstet ihr weinendes Kind, weil sie es liebt. So handelt auch Gott. Wir dürfen ihn im Gebet als unseren Vater, „Vater unser im Himmel“, ansprechen.

Das zu wissen und zu verstehen, nennen wir Glauben. Wir haben ihn nicht aus uns selbst heraus. Wir können ihn nicht uns selber zuschreiben. Vielmehr ist es Gott, der seinerseits so weit geht, dass er uns diesen Glauben lehrt. Er sandte und sendet noch immer seinen Geist, den Tröster, den Heiligen Geist.

Deshalb feiern wir Pfingsten. Wir erinnern uns daran, wie es begann. Damals begriffen die Jünger, warum Jesus starb, und dass er auferstand. Sie traten öffentlich auf. Sie predigten, und wer ihnen zuhörte, begriff ’s. Zu glauben, das lehrt auch uns heute der Heilige Geist. Er ist ein großer Lehrer.

Darum feiern wir Gottesdienste. Wir treffen uns an großen Orten wie in kleinen Dörfern, um gemeinsam auf Worte dieses Lehrers zu hören. Er veranlasste Menschen, Kirchen zu bauen. Sie bauten große Kirchen wie die Frauenkirche in Dresden oder Washington Cathedral, den Petersdom in Rom, St. Paul‘s Cathedral in London, Notre-Dame in Paris, die Kathedrale von Etschmiadsin, westlich von Jerewan, oder St. Erik in Uppsala. Sie bauten prächtige und doch schlichte Kirchen wie die St. Michaelis Kirche in Hamburg oder eine kleine Kirche in Buenos Aires, die mitten in der großen Stadt mit ihrem Verkehr und zahlreichen Hochhäusern steht und liebevoll erhalten wird (Die Stadtkirche der Evangelischen Kirche am La Plata in Buenos Aires (uni-goettingen.de)). Einladende Räume, zu danken. Und immer wieder zu bitten, wie seit tausend Jahren in lateinischer Sprache gesungen: „Komm, Heiliger Geist“, Veni Sancte Spiritus:

„Komm, Heiliger Geist, Herre Gott,
erfüll mit deiner Gnaden Gut
deiner Gläub’gen Herz, Mut und Sinn,
dein brennend Lieb‘ entzünd‘ in ihn‘.
O Herr, durch deines Lichtes Glanz
zum Glauben du versammelt hast
das Volk aus aller Welt Zungen.
Das sei dir, Herr, zu Lob gesungen,
Halleluja, Halleluja!

Amen

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