Predigt zu Johannes 3,1-8

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Predigt zu Johannes 3,1-8

Die Fragen des Nikodemus – und die Antwort Jesu | Trinitatis | Johannes 3,1-15 (dänische Perikopenordnung) | Von Preben Kræn Christensen |

Trinitatis – endlich! Das bedeutet, dass es nach all den Festen Alltag geworden ist. Das letzte aller dieser Feste war Pfingsten.

Und ganz abgesehen davon, dass wir Bier getrunken haben, zusammen Fisch gegessen haben mit Verwandten und Freunden und hoffentlich die Pfingstsonne haben tanzen sehen, so ist dieses Fest eine Bestätigung der Liebe Gottes zu uns. Ein Fest, das die Verantwortung für die Welt und uns selbst und einander in unsere Hände legt. Das Fest, das uns darin vergewissert, dass der Geist Gottes mit uns ist als Hilfe und Stütze, wenn uns der Mut verlassen sollte. Jetzt und immer, wenn wir aus der hohen Zeit in die flache Zeit übergehen, von dem Fest in den Alltag. Nun sollen wir am eigenen Leib erfahren, wie sich das Leben auf Erden im Lichte des Himmels ausnimmt, der heute und zu allen Zeiten auf uns niederschlägt – in jedem Augenblick!

Sobald man nicht mehr ein Kind ist, weiß man, von nichts kommt nichts. Nur Querköpfe reden darum herum und sagen, dass dies der Fall ist oder eine Entwicklung, wenn sie das sehen, was von Gott kommt. Aber wir kämpfen mit dem Gedanken – stets herausgefordert. Der Raum, die Sterne, die Sonne und der Mond, die Erde, auf der wir leben – wie fing das an? Ist es Gott der Schöpfer, oder ist es der große Urknall, mit dem alles begann? Und wenn man damit beginnt, darüber nachzudenken, kann das Merkwürdige geschehen: Sobald man seine Spekulationen begonnen hat und alles im Kopf durcheinandergeht, dann reicht unser Denken nicht aus. „Wenn Sie mehr wissen wollen“, heißt ein bekannter Slogan einer großen dänischen Zeitung, und das ist genau das, was wir wollen, immer mehr wissen. Ganz gleich wieviel Wissen wir anhäufen, wir wollen doch immer gerne mehr wissen – und das Suchen hört deshalb nie auf. Das ist die Mauer – die unsichtbare Mauer, über die man nicht klettern kann und die man nicht umgehen kann, gegen die wir aber immer anrennen.

Meine Erfahrung ist, dass viele so viel über das Dasein und das Leben nachdenken, dass das Leben auseinanderfällt – das Denken kann einen Menschen zu Boden werfen, in die Knie zwingen. Kennt ihr nicht dies, dass man auf eine Krankheitsgeschichte hört und sogleich selbst etwas Ähnliches bei sich spürt? Die Seele oder die Psyche kann es nicht ertragen. Plötzlich wirft man einfach das Handtuch in den Ring – gibt auf, gibt sich verloren, und wenn man nicht ganz im Boden versunken ist und sich in die Ring-Ecke schleppen kann, muss man ja hoffen, dass da jemand ist, der einen wieder auf die Beine helfen kann.

Das wusste der Nachtschwärmer Nikodemus. Nikodemus ist angeschlagen, und wo die meisten von uns sicher einen Arzt aufgesucht hätten, der einem etwas verschreibt, das uns wieder munter macht, ja da geht Nikodemus zu unserem Herrn. Er hat eingesehen, dass er selbst nicht imstande ist herauszufinden, worauf dieses Leben hier eigentlich hinausläuft. Und da öffnet sich plötzlich eine Möglichkeit für ihn, als Jesus die Stadt besucht.

Wenn man das erfahren hat, dass man in den Kreisverkehr des Lebens hineinfährt, ohne dass ein inneres GPS einem sagt, wo man abbiegen kann, dann wird man frustriert und schimpft auf das GPS. Nikodemus will nicht aufgeben, sondern erscheint mit allen seinen Fragen – all den Fragen, auf die er selbst keine Antwort finden konnte und auf die auch andere nicht antworten konnten. Er, der von Gott gekommen ist, muss doch einige von diesen Fragen beantworten können – sonst verstünde er ja gar nichts mehr.

Und es besteht kein Zweifel daran, dass sie die ganze Nacht zusammen gesprochen haben, bis er wieder eine Richtung in seinem Leben gefunden hatte. Sie haben von dem Schöpfer gesprochen, vom dem, der Licht schuf, sie haben von dem gesprochen, der das Universum auf den Weg brachte, von dem der Adam und Eva aus dem Paradies verwies, von dem, der zurückkehrte und etwas mit uns zu tun haben wollte, so dass wir nicht verzweifeln sollten, sondern stets den Blick zum Himmel richten können und sehen und hören, dass Nikodemus und wir nicht allein sind.

Er erzählte vom ersten Menschen, der im Bilde Gottes geschaffen war, der Mann und Frau war, damit Liebe entstehen konnte. So dass man sich von Angesicht zu Angesicht begegnen konnte, von Mund zu Mund, wo Kinder in die Welt kamen und groß wurden und da weitermachten, wo wir aufgegeben hatten.

Eines Tages werden wir hier nicht mehr sein, aber das Leben geht hier weiter durch unsere Kinder und Kindeskinder, die das Leben fortführen, indem sie Liebe geben und empfangen. Und das Leben geht auch danach sozusagen weiter.

Verstehst du das? Versteht ihr das? Nein, im Grunde kann unser Verstand das nicht fassen. Wir wollen am liebsten Regeln haben, Richtlinien, Führung, wir wollen uns und am liebsten mit der Welt der Logik beschäftigen. Da haben wir nämlich die Dinge im Griff, da können wir alles überschauen, da haben wir die Macht. Aber Gott haben wir nie in unserer Hand – Gott liegt nie in unserer Macht, denn „der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt“.

Und dann hören wir, dass der, der neu geboren ist, das Reich Gottes sehen kann – d.h. all das verstehen kann. Wir können die Herrlichkeiten nicht selbst aufschließen, wenn ich das so sagen darf. Da brauchen wir Hilfe.

Von Wasser und Geist geboren werden, das bedeutet sich selbst loslassen – und Gott walten lassen. Damit ist nicht gesagt, dass einem das Leben dann leichter fällt oder dass das Leben eine lange Wanderung auf der Seite der Straße wird, wo immer die Sonne scheint. Oder dass man hier im Leben nie in die Knie gezwungen wird. Aber die Gabe annehmen, das Leben empfangen, das Reich Gottes annehmen, das bedeutet, dass man daran glaubt, dass das Reich Gottes einem ein für alle Mal geschenkt ist. Damals als du getauft wurdest. Damit folgt der Glaube daran, dass Gott bei uns ist – auch in schwerer Zeit, wo wir einsam, vergessen oder verlassen sind.

Die Taufe ist also der Ort, an dem die neue Schöpfung stattfindet. Nachdem wir das kleine Wasser im Mutterleib verlassen haben, sollen wir neu geboren werden. Wir müssen wieder zum Wasser – und wenn das geschieht, hat Gott seinen Bund mit dem kleinen Kind geschlossen, mit dir, mit dem Menschen, seinem Glauben an dich, seine Hoffnung für dich und seine Liebe zu dir öffnet das Reich Gottes. Und wir können das weder sehen, fühlen noch merken. Aber wir können es glauben, wenn er zu uns spricht – verstehen werden wir es jedenfalls nie.

Wenn wir an einem Abend sitzen und die Dunkelheit sich über uns gelegt hat und dann über den Sinn des ganzen nachdenken, ein Glas Rotwein getrunken haben, den Kautabak im Munde noch einmal gewendet haben, und wenn man in Einsamkeit und Verlassenheit und Verzweiflung zu versinken droht, da kann es helfen, an die Worte zu denken, die bei der Taufe gesagt wurden: Der allmächtige Gott, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der dich nun wiedergeboren hat durch Wasser und den Heiligen Geist …  Diese Worte betonen nämlich, dass du schon teilhast am Reich Gottes. Gott ist vom Himmel herabgestiegen, um uns dies zu sagen – und er ist nach seinem irdischen Tod wieder aufgefahren in den Himmel. Für uns. Denn die Liebe Gottes erkaltet nicht! Nicht einmal aller menschlicher Verstand kann sie zerstören.

Die Liebe Gottes bedeutet, dass es im Leben um mehr geht als Fußball und Reisen, als Arbeit und sinnlosen Konsum, da ist mehr als du selbst, da ist auch er, der den Wind wehen lässt und ihn fahren lässt, wohin er will. So ging Nikodemus nicht unverrichteter Dinge von unserem Herrn. Er erhielt eine Antwort, die Antwort auf die Frage, was Gott bedeutet. Er erfuhr, dass Gott der ist, für den alles möglich ist. Er erhöhte den Menschensohn, damit wir ewiges Leben in ihm haben. Es lässt nie von dir, er verlässt dich nie, im Leben ist er bei dir, im Tode sprengt er die Fesseln und nimmt dich zu dir, du bist nicht ein Nichts, wenn du von mir geliebt bist, so spricht er zu dem, der geboren ist aus Wasser und Geist.

Neu geboren sein bedeutet, dass das ein Werk Gottes ist. Im Leben und im Sterben. Und Christus sitzt nun, nachdem Nikodemus– mit Ruhe im Sinn – nachhause gegangen ist, zur Rechten Gottes. Der ist von den Toten auferstanden. Er sieht alles, aber er richtet mit Milde, Güte, Barmherzigkeit, Liebe – das, was man die Gnade Gottes nennt. Verstehst du das? Wenn du mir nur ein wenig ähnlich bist, verstehst du es nicht. Aber das ist auch ok – denn das muss man glauben! Amen.

Propst Preben Kræn Christensen
DK-6710 Esbjerg V

E-Mail: pkch(at)km.dk

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