Predigt zum Heiligabend

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Predigt zum Heiligabend

Heiligabend (dänische Perikopenordnung) | Von Laura Lundager Jensen |

Ein Stern ist eine glühende Kugel aus Plasma, die von der Schwerkraft zusammengehalten wird und die vom Strahlendruck aus ihren inneren Fusionsprozessen entstanden ist. Ein Stern leuchtet, weil die Fusion in seinem Inneren Energie freisetzt, die durch das Innere des Sterns transportiert wird und danach in den Raum hinausstrahlt von der Oberfläche des Sterns in der Form elektronischer Wellen.

Ausgangspunkt für die Bildung von Sternen sind Wolken von interstellarem Gas, und wenn eine solche Wolke beginnt, sich zusammenzuziehen wegen der inneren Schwerkraft, dann steigen der Druck, die Dichte und die Temperatur. Ist genug Wasserstaff vorhanden, wird der Punkt erreicht, wo die zentralen Teile warm und dicht genug sind, um Fusionsprozesse in Gang zu setzen.

Und ein Stern ist geboren.

Das meiste Licht am Himmel, das wir sehen, kommt von Sternen.

So erklärt die Wissenschaft die Zusammensetzung der Sterne.

Aber wenn wir nun in einer sternenklaren Nacht gehen, wissen wir, dass Sterne viel mehr sind als chemische Prozesse in einer Kugel von Plasma.

Dann wissen wir, dass Sterne aus Träumen bestehen und Sehnsucht, aus Größe und Poesie. Aus all dem, was die Welt groß und bezaubernd macht und uns mit Demut erfüllt.

Sie bestehen aus Hoffnung.

Und wir wissen, wenn die Sterne Schulter an Schulter zusammenstehen am Himmelbogen, dann sind sie wie ein Sternenteppich, der sich vorsichtig um uns gelegt hat, so dass wir uns hinein ins Leben wagen – durch die Natur, hin zur Morgensonne.

Und die Macht der Sterne über uns ist so groß, dass es geschehen kann, wenn die Wolkendecke und der Nebel die Sterne verdecken, dass wir nahe daran sind, den Mut, die Träume und die Hoffnung zu verlieren.

Aber jede Winterdepression verzieht sich – jedenfalls etwas – in einer sternenklaren Nacht.

Deshalb war es so schön, Sterne zu sehen während der schlimmsten Corona-Zeit, wo keine Flugzeuge verkehrten, denn plötzlich waren da nur Sterne, mitten in der hoffnungslosen Pandemie leuchteten die Sterne besonders klar für uns Menschen.

Und wir brauchen die Hoffnung der Sterne wie lebensnotwendige Spalten in der Wirklichkeit, die einen Weg heraus anzeigen hin zu Veränderung.

Die Sternehoffnung hält uns fest – trotz allem.

Hält uns fest, wenn der Tod eintrifft und wir wie Kinder nach unseren Lieben im Nachthimmel suchen.

Hält uns fest jetzt, wie die steigende Corona-Infektion wieder droht und wir fühlen, dass alles um uns herum eng wird.

Und hält uns fest, so dass wir gegenwärtig sind und handeln in einer Zeit, wo es unmöglich erscheinen kann angesichts der Klimaprobleme, die die Naturkräfte mit Tornados und Überschwemmungen bewirken.

In einer Zeit, in der es uns schwerfällt die Konsequenzen der gesellschaftlichen Digitalisierung, die uns die Freiheit zu nehmen droht.

Die jungen Leute sehen das vielleicht besonders deutlich, denn es geht um ihre Zukunft.

Das meiste Licht, das wir sehen, kommt von den Sternen, sagt die Wissenschaft.

Aber das rührt etwas in uns an – es rührt das Licht an, das schon in uns gelegt ist. Es geschieht, wenn uns das Sternenlicht trifft, reflektieren wir es so als seien unsere Herzen Spiegel der Sterne.

Und die Hoffnung wächst.

Eben darum geht es an Weihnachten.

Und deshalb ist das stärkste Bild im Weihnachtsevangelium die Erzählung davon, dass da – in der Nacht als Jesus geboren wurde – ein neuer Stern aufging am Himmel, so stark und so klar, dass er am nächtlichen Himmel zu sehen war.

Und die Leute fragten, ob das nicht vielleicht das war, wovon ihr geliebter Prophet Jesaja geweissagt hatte:

„… die im Finsteren wandeln sollen ein großes Licht sehen. Ein Licht, das leuchtet für die, die im Land der Finsternis wohnen“.

Und sie gingen zu denen, die sowohl heilige Schriften als auch Sterne deuten konnten –

Und die, die das konnten, machten sich auf den Weg, hin zu dem Stern, den ganzen Weg nach Bethlehem.

Um dem Licht zu folgen.

Um dem Traum zu folgen.

Um der Hoffnung zu folgen – die sich in dieser Nacht durch die Spalte des Himmels ihren Weg zu den Menschen bahnte.

Der Traum, dass etwas Sternenstaub auf die Erde fallen würde.

Aber als sie ankamen, da fanden sie nicht einen Schatz am Ende des Regenbogens oder eine Kiste voll vom feinsten Sternenstaub.

Was sie fanden, war ein kleines Kind, neu geboren, hilflos, hungrig vielleicht, schreiend vielleicht. Es lag in einem Kuhstall, ja in der Futterkrippe der Kuh, ein gepackt in Stroh und alte Lappen – verletzlich und hilflos.

Das Licht, von dem sie geträumt hatten, , erwies sich als ganz klein, fast unsichtbar, fast nichts.

Aber nur fast.

Denn das Wunder geschah, dass der Stern am Himmel, dem sie gefolgt waren, in dem kleinen Kind seine Ruhe gefunden hatte.

Und die Sterndeutet bemerkten es.

Das, wonach sie am Sternenhimmel gesucht hatten,

war plötzlich vor ihnen – ganz im Augenblick gegenwärtig

in einem kleinen Kind.

Und eben das ist Weihnachten

Die Erzählung davon, dass der Stern, der die Träume in sich trägt, die Sehnsucht, die Hoffnung und die Begegnung, in dieser Nacht erschien und nun voll und ganz bei uns in der Welt ist – und hier noch immer durch die Sterne am Himmel genährt wird.

Mit dem Glauben daran, dass da noch immer eine Hoffnung ist, die wächst und zunimmt auch in unserem Leben.

Der Glaube daran, dass uns etwas Gutes bevorsteht, nach dem wir unsere Hände ausstrecken dürfen und das wir teilen dürfen – hier in unserer Kirche.

In dem Leben, darin und in uns.

Der Glaube daran, dass wir durchkommen – auch wenn es schwerfällt, wenn wir von außen unter Druck stehen mit Forderungen und Erwartungen von Gesellschaft und Familie, aber auch von innen, dass wir Sterne werden auf der Szene unseres Lebens.

Das, was die drei Wissenschaftler sahen, als sie vor dem Jesuskind niederknieten, das in all seiner totalen Ohnmacht dalag, war dies: Diese Ohnmacht war die Macht, die sie in die Welt bringen sollten.

Die Macht, die in den Zeichen der Sterne für uns am Himmel liegt, dass wir den Mut haben, den Sternenspiegel in den Augen Herzen des Anderen zu sehen, und dass wir sehen, dass sie unsere menschliche Schwachheit strahlen lassen.

Ein Stern besteht sicher aus gas in einem Plasma.

Aber die Erklärungen der Wissenschaft stehen nicht allein.

Glücklicherweise bestehen Sterne aus Hoffnung, Träumen und Licht, das dem, der den Mut hat, nach ihnen zu greifen, die Kraft gibt mitzugehen, zu Weihnachten und zum Leben.

In der Weihnacht wurde ein Stern geboren – ein Licht wurde an gezündet in der Finsternis, und die Finsternis soll nie das Licht besiegen.

Das sahen die Weisen in den Sternenaugen des Jesuskindes – und diese Hoffnung sollen wir uns zu Herzen nehmen.

Und denkt daran: Das meiste von dem Licht, was wir sehen können, kommt von Sternen.

Aber das Licht das am stärksten leuchtet, am schönsten und hoffnungsvollsten, ist das Licht der Weihnacht, das wir einander in den Augen anzünden. Frohe Weihnachten. Amen.

Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk

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