Wolkenbruch an einem Sommertag

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Wolkenbruch an einem Sommertag

8. Sonntag nach Trinitatis – 2.8.2020 | Micha 3,5-7; 1. Joh. 4,1-6; Matthäus 7,33-29 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Eva Tøjner Götke | aus dem Dänischen übersetzt von Eberhard Harbsmeier |

 

Heute in den Gottesdienst zu gehen, das ist wie ein Wolkenbruch an einem schönen Sommertag.

Die Worte prasseln auf uns nieder und reinigen die bedrückte zögerliche christliche Gemeinde – hier heute bei uns! Der Prophet Micha redet von den Berufspropheten ohne Visionen. Johannes warnt seine Gemeinde: Glaubt nicht an alle, die in Namen des Heiligen Geistes reden, sondern untersucht sie, um zu sehen, ob sie von Gott kommen.  Und schließlich das mündige Wort des Evangeliums: Worauf baust du deinen Glauben?

So prasseln die Worte auf uns ein – wie ein Wolkenbruch!

Und es ist schwer, heute Pastor zu sein, wo von den falschen Propheten die Rede ist, die weder Visionen noch Einsicht haben. Nicht weil der Pastor ein Prophet ist. Man kann ganz sprachlos werden aus Furcht, falsch zu klingen, voller Klischees zu sein. Und ich gebe zu: Auf dem Wege hierher sind mir die Worte durch den Wolkenbruch weggespült.

Denn wir wissen alle, dass wir vor den falschen Propheten auf der Hut sein sollen. Alle die Ratgeber und Experten, hierunter die Pastoren, die uns erzählen, wie wir leben sollen, was wir tun müssen, um uns vor den Wolkenbrüchen zu schützen: Ein Wassersicherungspfropfen im Abflussrohr. So können wir den Keller in unseren großen Villen bauen und dort wohnen – in einem schweren Duft von Spülmitteln, der uns im guten Glauben lässt. So als ob!

Denn die Wolkenbrüche kommen. Und sie greifen in unser Leben ein. Vom Keller bis zum Dach. Wieviel Isolierung wir auch eingebaut haben. Auch wir werden von Unsicherheit überwältigt. Denn was steht fest? Und wir suchen dann nach Wissen und Rat. Und fragen die Experten. Was sagt die Wissenschaft. Auf die sollten wir doch hören. Die Klugen, die Bescheid wissen. Was sollen wir tun?

Aber diese Coronazeit lehrt uns, dass es nicht nur eine Wissenschaft gibt, sondern viele. Und dass es darauf ankommt, wen wir fragen. Mundschutz, Quarantäne, gesunde Vernunft? Die Wissenschaften sind sich nicht einig. Und immer neues Wissen kommt zu uns. Und wir werden noch verwirrter. Und das, was wir für festes objektives Wissen hielten, wird fragwürdig.

Das ist, wie wenn man von Fels zu Fels springt in einem rauschenden Wasserfall. Wir suchen nach festem Grund. Und Ratgeber, Coaches, Mentoren haben einen großen Markt. So wie uns Kommunikationsberater, Meinungsmacher, Zeitungsautoren mit Analysen, Auslegungen und Visionen füllen.

Auf diesen ganzen Strom von Worten und Ratschlägen hören wir, um uns zu sichern. In der Hoffnung, klüger zu werden, Fallgruben zu vermeiden – die glatten Felsen. Wir suchen nach Sicherheit. Versuchen uns zu sichern.

Aber die Wolkenbrüche kommen. Krankheit, Unglück und Tod, vielleicht wirtschaftlicher Ruin. Und wir können uns nicht vorbereiten, uns nicht sichern. Aber wir können in die Kirche gehen!

Wir können uns zu Ihm bekennen, der heute auf dem Berg spricht, während die Vögel singen und der Himmel blau ist. Er redet wie ein Wolkenbruch – mit Autorität. Und der das Wort Fleisch werden lässt – den Weg weist, indem er ihn selbst geht.

Der die Armen im Geist glücklich preist, weil ihnen das Himmelreich gehört. Der die Trauernden glücklich preist, weil sie Trost finden. Der Hoffnung verkündet, Glauben und Liebe: Liebe nicht nur die, die dich lieben. Liebe deine Feinde. Bete nicht nur für die, die für dich beten. Bete für die, die dir widerstehen. Alles, was ihr wollt, dass die Menschen euch tun, sollt ihr für sie tun.

Und das Reich, das er da für uns verkündet, ist nicht nur eine Vision. Das ist es auch. Aber es ist eine Wirklichkeit, die schon ist – durch ihn. Weil er das Wort war, in Fleisch und Blut, es inkarnierte, Wort und Tat in einem.

Er starb daran.

Denn wir mögen es nicht, als falsche Propheten entlarvt zu werden. Er lässt ja das Haus zusammenfallen, das wir selbst bauen – auf uns selbst und was an uns ist.

Und sie wälzten einen großen Stein vor sein Grab. Und am dritten Tag war der Stein weg, und das Grab war leer.

Das Wort ist von den Toten auferstanden. Als Geist. Heiliger Geist. Der lässt sich nicht niederhalten. Der ist in der Welt. Mitten unter uns. Und der ruft uns – und wir gehen in die Kirche, und wir danken und loben Gott, und wir bekennen: Jesus Christus ist Herr.

Aber hört: Viele werden an dem Tag zu mir sagen: Herr, Herr! Und ich werden ihnen sagen, wie es ist: Ich habe euch nie gekannt. Verschwindet. Denn ihr tut nicht, was Gott will.

Nicht jeder, der sagt: Herr, Herr, und der auf all das Gute verweist, was wir für die Kirche getan haben, gehört in sein Haus.

Das heutige Evangelium ist ein Wolkenbruch an einem ganz gewöhnlichen schönen Sommertag! Was sollen wir tun? Worauf sollen wir unser Leben bauen?

Auf Ihm Nicht auf uns selbst, sondern auf ihn. Sondern auf ihn, der in die Welt gesandt ist, Gottes Wort, in Fleisch und Blut, um Mensch unter Menschen zu sein.

Auf ihn sollen wir bauen, dem es in seinem Leben nicht wie wir darum ging, sich selbst zu erlösen, sondern um uns alle zu erläsen, die glauben, dass wir uns selbst und einander erlösen können.

Er sicherte sich nicht gegen die Wolkenbrüche und all das, was uns den Boden unter den Füßen wegreißt. Er stellte sich dort mitten hinein – als ein Fels unter allen uns ratlosen Menschen, wenn wir glauben, dass alles verloren ist, die Hoffnung verloren haben und alles vergebens ist. Er nahm den Kampf auf gegen die Chaosmächte, gegen die Selbstgerechtigkeit der Menschen – und Priester, ihre Heuchelei und ihre Sucht zu verurteilen, und auch gegen unseren Selbsthass und unsere Selbstverachtung. Er trug unsere Schuld und nahm unsere Schande auf sich.

Er rief zu den Chaosmächten und befahl ihnen, sich zu beruhigen – mit Autorität. Und sie gehorchten ihm.

Und die Menschen wunderten sich. Wie wir, wenn wir in den allerschlimmsten Krisen in unserem Leben glücklicherweise erleben dürfen, dass uns dort etwas trägt – etwas, was feststeht.

Und erfahren, mit Leib und Seele, dass wir uns das nicht selbst verdanken. Das ist etwas, was sich zeigt. Etwas, was geschieht. Mit uns. Für uns.

Das nennt man Gnade. Und diese Gnade ruft eine tiefe Dankbarkeit hervor.

Und es wäre überflüssig zu sagen, dass wir dafür leben und danach handeln sollen. Denn das versteht sich von selbst. Glaube und Tat sind untrennbare Größen. Wir haben gar keine Wahl. Wir können nicht wählen, ob wir auf Sand oder auf Felsen bauen sollen. Das ergibt sich von selbst, wenn wir auf ihn hören. Und das hören was er sagt. Amen.

 

 

Pastorin Eva Tøjner Götke

DK-5230 Odense M

Email: etg(at)km.dk

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