Matthäus 25,1-13

Matthäus 25,1-13

2. Advent 2021 | Matthäus 25,1-13 (dänische Perikopenordnung) | Von Preben Kræn Christensen |

Wir haben nun oft genug gründlich die Botschaft gehört, dass wir in einem globalen Dorf leben – und dass Dänemark eine multiethnische Gesellschaft geworden ist. Und das kann vielleicht alles richtig sein – aber wir sind also auch ein christliches Land.  Wir sind ein Volk, das an Gott den Vater und seinen Sohn Jesus Christus glaubt – wir glauben an den lebendigen Gott, den Gott des Lebens, der zu jedem von uns spricht in Geist und Wahrheit. Deshalb zünden wir Kerzen an in dieser Adventszeit. Die Frage ist, ob wir dies tun, weil wir so klug sind, dass wir eine Dimension der Hoffnung in die Welt setzen – oder ob wir uns nur selbstzufrieden hinsetzen, um auf das Licht zu starren.

Wir wissen, wie man dahindösen kann, wenn man sitzt und ins Licht starrt, aber die Funktion des Lichts ist eher die, dass es in der Welt leuchten soll. Die Sache ist ganz einfach die, dass Gott sich nicht im Licht versteckt, sondern selbst Licht ist – das Licht, das die Finsternis vertreibt. Auf diesen Glauben taufen wir unsere Kinder.

Gott ist mit anderen Worten nicht in der Vergangenheit verborgen – er ist keine historische Versteinerung, die nur mit etwas rituellem Weihnachtsfeiern verbunden ist. Die, die eine Hochzeitsnacht erlebt haben, wissen, wie großartig das ist – eine Fülle von Liebe! Auf diese Nacht warten wir, und sie trifft ein, wenn der Himmel die Erde küsst!

Gott ist das lebendige Wort, und wir sind seine Geschöpfe – verletzlich, und wir brauchen diesen leibenden und barmherzigen Gott. Um uns zu tragen und nicht zuletzt um uns zu verzeihen in den komplizierten Verwicklungen des Lebens.

Nun sitzen wir alle hier, und ich würde gerne wissen, ob wir uns so wie die bereiten Jungfrauen verstehen sollen, die klugen Jungfrauen, die sowohl Lampen als auch Öl bereit haben. Wenn das der Fall wäre, dann sähe es natürlich nicht gut aus für den übrigen Teil der dänischen Bevölkerung. Das würde dann bedeuten, dass gut 80 % der dänischen Bevölkerung mit den Jungfrauen zu vergleichen sind, die sich nicht auf irgendetwas vorbereitet hatten und deshalb draußen in der Kälte bleiben mussten.

Ist der Sinn des Gerichts im Christentum, dass da einige mit dabei sind und andere draußen vor? Wenn das der Sinn ist, dann verstehe ich einfach nicht die Worte, die wir bei jeder Taufe hören, dass Gott unseren Ausgang und Eingang bewahren wird. Gott bewahrt „das Kind“, der Mensch bewahrt nicht sich selbst. Wir können natürlich uns selbst und unseren Nächsten im Alltag behüten, aber die ewige Seligkeit – das Leben bei Gott steht nicht in unsere Macht. Darauf können wir höchstens hoffen und daran glauben, dass wir dies allein aufgrund der Liebe Gottes zu uns erlangen.

In dem Text von den Jungfrauen hören wir von denen, die sich selbst genug sind, sie wollen nicht mit anderen teilen. Man sieht noch ihre Schuhsohlen, während sie hineinlaufen, und dann hören wir, wie die Tür zugeschlagen wird. Und da stehen wir – draußen in der Kälte und sind ratlos. Hier stehen wir mit den vielen Bankquittungen für wohltätige Einricht6ungen und Organisationen. Aber damit haben wir den Eintritt nicht verdient. Hier aus der Finsternis und Kälte müssen wir hoffen, dass Gott unser Gebet hört, das ganz einfach nach Hilfe ruft.

Die Frage, die wir natürlich uns selbst und Gott stellen müssen, ist die: Was in aller Welt war es, wofür er damals vor 2000 Jahren Mensch wurde, als der Stern von Bethlehem sein Licht in die Welt sandte? War das für die, die selber können, oder für die, die im Finsteren sitzen? War das für die frommen Pharisäer und überhaupt für die Gesetzestreuen, die er besuchte, oder waren es die Dirne, der Steuerbetrüger, der Kriminelle, die Ehebrecherin, die Ausgestoßenen, der Zöllner? Ganz ehrlich! War das, was er ihnen versprach, nicht die Teilhabe am Reich Gottes? War das, was da geschah, etwa nur dies: Unser Herr reichte ihnen die linke Hand, und wenn man glaubt, nun ist etwas Neues geschehen, etwas ganz entscheidend Neues – dann schlägt er hart und brutal die Tür zu – hin zu ihm und seinem Reich mit seiner rechten Hand, die  selbst Tyson in den schatten stellt.

Ja, wenn wir nach menschlichem Maßstab urteilen, dann wäre es vielleicht richtig, dass es jedem bzw. jeder so geht, wie er bzw. sie es verdient hat. Aber hier in diesem prächtigen Raum, zu dem also alle Zugang haben, ob ihre Lampen nun leuchten oder nicht, ob ihre Lampen vor Öl strotzen oder nicht, da wird und gesagt, dass Gnade vor Recht ergeht. Das bedeutet, vor unserem Gott gelten unsere eigenen Leistungen oder unser Mangel an Leistungen also nicht. Wenn das Christentum nicht so zu verstehen sein sollte, müsste ich etwas missverstanden haben.

Immer wieder erlebe ich, dass ich meine Lampe vergessen habe, und wenn ich einmal daran gedacht habe, sie mitzunehmen, fehlt mir in der Regel völlig der Brennstoff. Da bleibt nur Christus – aber das ist aus meiner Sicht auch genug für jeden christlichen Menschen. Ich habe nur die Hoffnung, dass er das Licht ist, das für mich brennt – dass er die Flamme ist, die mich wärmt.  Dass er die Quelle des Lebens sein wird, von der ich trinken kann – dass er der Hirte sein wird, wenn ich mich verirrt habe. Dass er mich trösten wird, wenn ich Angst habe, wenn ich verlassen bin und wenn mich Einsamkeit und Angst bedrücken.  Und dann habe ich den Glauben daran, dass er mich erwecken wird, wenn ich einschlafe. Dass er die Lampe füllt und mich weitergehen lässt in diesem Leben hier mit seinen Sorgen und seinem Segen.

Herrgott, es ist ja keine große Sache, die einzuladen in sein Haus, mit denen man sich gutsteht. Menschen, die dasselbe meinen, Menschen, die vorbereitet sind und die Lampen und das Öl und alles andere in Ordnung haben – die kann man ja gerne einladen in sein Haus. Schwieriger wird mit den „anderen“, wie man zu sagen pflegt, Menschen, die nicht in den richtigen Kreisen verkehren, Menschen, die nicht aufgetankt haben, weder in Bezug auf die Natur noch in Bezug auf die Familie.

Wenn Gott uns nicht die Tür öffnet, dann habe ich etwas missverstanden. Dann habe ich falsch geglaubt, gehofft und geliebt. Und dann geschieht hier nichts Neues! Aber alles wurde ja neu für uns. Und das ist seitdem unser Trost gewesen. Wie unsere Vorväter sich daran trösteten, dass Gott uns die Tür geöffnet hat, die sie selbst nicht öffnen konnten, auch wenn sie mit noch so vielen guten und frommen Werken aufwarteten – so öffnet er die Tür für uns.

Ich habe immer Gott verstanden als das Licht, dass ich selbst leihen darf, weil ich selbst kein Licht habe.

Ich habe immer geglaubt, dass Gott mein Gebet hört, wenn ich bete.

Und wenn das nicht so ist, dann ist der Gott, der Weinachten Mensch wurde, auf den wir jedes Jahr in der Adventszeit warten und den wir erwarten, nicht besser als unsere eigene Menschlichkeit.

Wir brauchen und dürfen es nicht zulassen, dass die Finsternis uns terrorisiert, sondern wir dürfen Licht anzünden und das Licht am leben erhalten. In unserem Innern – aber auch im täglichen Leben miteinander.

Bald werden wir sehen, dass das, was die Freude des Lebens ist, nicht das ist, was wir erreicht haben, sondern das, was uns widerfuhr.

Angesichts des Wortes: „Werde Licht“, muss die Finsternis weichen. Nacht wird zum Tage, Winter wird zum Sommer, Friede wird denen zuteil, die geliebt sind.

Wenn der Adventskranz verwelkt ist und die nadeln abgefallen sind, zünden wir das Licht ein letztes Mal an, aber das Licht, das wir nicht anzünden können, dass zündet Gott für uns an. Alles wird Licht – die Vergangenheit wird zu Asche. Das Leben ist jetzt!

Wir wissen aber auch, dass der Tag, wo der Lärm verstummt und die Hände ruhen an unserer Seite, oder gefaltet sind auf unserer Brust – der Tag ist, an dem die Finsternis kommt. An dem Tag sehen wir das Licht zu uns kommen mit Frieden trotz unserer Angst und unseren Sorgen – da wird die Trauer zu Freude. Da wird die Hand Gottes unsere Hand ergreifen. Wir glauben an diesen lebendigen Gott, auch wenn die Herzen beben. Wir glauben, dass das Licht den finsteren Gedanken besiegt. Deshalb „tragen wir Fackeln voll Freude“[1]. Deshalb zünden wir Licht an in dieser Adventszeit. Amen.

Propst Preben Kræn Christensen
DK-6710 Esbjerg V

E-Mail: pkch(at)km.dk

[1] Zitat eines Liedes von Grundtvig im dänischen Gesangbuch Nr. 733, deutsch im Deutsch-dänischebn Kirchengesangbuch Nr. 733.

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